das Problem und die Lösung

"Die" (einzig wahre) Lösung? Der "Spiegel" deutet ja immerhin eine andere Lösung an, nämlich eine änderung der (vermeintlich geschlechtsspezifischen) Rollenbilder.

Allerdings bleibt er eine Erklärung beispielsweise für Folgendes schuldig:

"Mädchen lesen deutlich lieber als Jungen, zeigen sich aber gleichzeitig stärker um ihre Leistungen in Mathematik besorgt."

Bzw. er erklärt es allein mit

"[...] dem mangelnden Glauben der Mädchen an ihre mathematischen Fähigkeiten [...].",

also einer "selbsterfüllender Prophezeiung" à la : man muss nur lange genug daran glauben

(und es andauernd es eingeredet bekommen: "schon deine Großmutter konnte keine Mathematik"),

dass man der "Jude" der Mathematik ist, und dann wird man es irgendwann auch.

Nun lässt sich zwar - und allemal im "Spiegel" - für jede These eine Expertenmeinung finden, aber lassen wir es doch mal gelten:

,

d.h. die mathematische "Schwäche" vieler Mädchen ist nicht angeboren & gottgewollt, sondern eben eine "selbsterfüllende Prophezeiung". Und wenn an der These "Mädchen fürchten Mathe, Jungs schwächeln beim Lesen" überhaupt etwas dran ist, so beschreibt sie natürlich nur die Regel, von der es massenhaft Ausnahmen gibt:

Wonach der "Spiegel"

(und auch die PISA-Studie?)

aber nicht fragt, ist, was an der Mathematik bzw. am Lesen es ist

(oder vorsichtiger: sein könnte),

das Mädchen bzw. Jungen abstößt.

(Die Frage nach dem konkret Fachlichen ist aber immer meine erste Frage. Also beispielsweise

Fangen wir mit den Jungen an - und spitzen wir es arg zu:

Mondnacht

Es war, als hätt' der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt'.

Die Luft ging durch die Felder,
Die ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

(Joseph Freiherr von Eichendorff)

etwas abgewinnen kann? Widerspricht das nicht allem, was ihm heutzutage als Männlichkeitsideal vorgegeben wird?

Und kann man es nicht sogar positiv sehen, dass viele Mädchen sich der üblichen stumpfen, ja geradezu "toten" Rechen-Mathematik entziehen, dass ihnen also "sowas" einfach zu doof ist?

(Vgl. im "Spiegel"-Artikel : "So studieren deutlich mehr Mädchen als Jungen Lebenswissenschaften wie Biologie - obwohl sich die Leistungen in diesem Bereich kaum [beispielsweise von denen in Mathematik und Physik] unterscheiden [...]")

Damit sind wir nach einem Umweg übers Fachliche zuguterletzt wohl doch wieder bei (vermeintlichen?) Geschlechterunterschieden, nur dass ich mich frage, ob man darauf nicht wiederum fachlich reagieren kann - und muss, und zwar mit

... was natürlich doppelt problematisch ist:

  1. : was, zum Teufel, ist denn beispielsweise eine "weibliche" Mathematik?
  2. : werden da nicht Vorurteile (von wegen "angeboren") nicht sogar noch mehr festzementiert statt aufgelöst?

Denn angenommen mal, man nähme nun im Deutschunterricht vermehrt männliche (?) Literatur à la

durch: wäre das nicht auch wieder

  1. nur Anbiederung an (zudem vermeintliche) männliche Interessen

(und auch nicht aller Jungen - und sowieso nicht der Mädchen),

  1. eine Bestätigung des derzeitigen knallharten Männlichkeitsbildes?

Nun, man kann ja im Unterricht auch kritisch an gängige Männlichkeitsbilder herangehen, was allerdings nie moralinsauer werden darf und sowieso nicht überzeugend wirkt, solange kein attraktives und lebbares Gegenbild gezeigt wird.

Hochinteressant fände ich da das "Teamteaching" eines Lehrers und einer Lehrerin, die nicht ganz in die Geschlechterklischees passten, sondern das "Andere", vielleicht auch "Fremdartige" immerhin nicht nur gelten lassen könnten, sondern auch interessant fänden und "ernst" nähmen:

Aber was - nochmals gefragt - wäre eine "weiblicheRE" Mathematik? Ich werde den Teufel tun, das hier genauer zu definieren, denn ich weiß es ja selbst nicht und hätte sowieso Angst, nur Klischees zu verlängern.

Immerhin aber soviel:

  1. Wenn Mädchen tatsächlich mehr lesen, warum nimmt man dann in Mathematik nicht mehr "mathematische Lesebücher" durch, also pars pro toto
Apostolos Doxiadis: Onkel Petros und die Goldbachsche Vermutung; Lübbe
  1. Dass Mädchen in der Regel eine schönere Handschrift haben und auch ihre Hefte liebevoller gestalten als Jungen, weiß jedeR LehrerIn. Aber erst jetzt, nach mehr als 20 Berufsjahren, ist mir mehrfach etwas anderes siedend heiß aufgefallen:

( Bild ; falsch: es ist eben auch ein ästhetischer Gegenstand!),

Ich will damit nicht sagen, dass (alle!???) Mädchen nicht abstrakt denken können, sondern nur, dass sie vielleicht

dass ihnen in der üblichen abgenagten Schulmathematik also schlichtweg die Ästhetik fehlt und diese somit vermehrt Aufhänger oder gar eigentliches Thema in einem (auch) mädchen-orientierten Unterricht sein muss:

"Man vergaß, daß Wissenschaft sich aus Poesie entwickelt habe, man bedachte nicht, daß nach einem Umschwung von Zeiten, beide sich wieder freundlich, zu beiderseitigem Vorteil, auf höherer Stelle, gar wohl wieder begegnen könnten."
(Johann Wolfgang Goethe; ein Mann!)

"Nie ist Wissenschaft anders entstanden als durch poetische Anschauung."
(Ralph Waldo Emerson; auch ein Mann!)


Inzwischen frage ich mich sogar

(scheinbar masochistisch, denn immerhin bin ich ja ein Mann),

ob viele Frauen

  1. nicht solche Prinzipienreiter sind wie viele Männer - und deshalb auch weniger mit dem streng prinzipiellen Denken in der Mathematik anfangen können,
  2. Lebendiges allemal dem Abstrakt-Toten vorziehen.