kein für den Minister
Vorweg:
muss es ja nicht gleich ein gestandener Minister, sondern kann es auch ein beliebiges anderes "hohes Tier" sein,
spreche ich im Folgenden zwar vom Besuch solcher "hohen Tiere" in Schulen, gilt das Ganze aber wohl auch genauso in anderen Bereichen.
Natürlich gibt es auch so etwas wie "die Würde des Amts": ein Minister ist (wenn auch indirekt) vom Volk gewählt und damit ein Symbol der Demokratie, d.h. im Minister ehrt die Demokratie sich selbst
(ein Problem ist allerdings, dass die Demokratie nach unten immer weiter verdunstet:
das Parlament wird noch demokratisch gewählt,
der Bundeskanzler bzw. Ministerpräsident aber nur indirekt, nämlich vom Parlament ("repräsentative Demokratie");
der Bundeskanzler bzw. Ministerpräsident ernennt aber nur noch seine Minister,
und die ernennen wiederum ihre direkten Untergebenen,
und beispielsweise in der Schulbürokratie tauchen dann nur noch naja auf).
Da ist die Person des Ministers erstmal unerheblich, d.h. man behandelt ihn mit besonderem Respekt, selbst wenn man die feiste Visage der das Amt innehabenden Person nicht erträgt oder einem ihre politische Ausrichtung (Parteizugehörigkeit) nicht gefällt:
Solch vorauseilender Respekt
gegenüber dem Amt,
nicht aber automatisch
(zumindest nicht in besonderer Weise)
gegenüber der Person
ist vermutlich sogar für die Stabilität des "Systems" nötig, was natürlich wieder mal die katholische Kirche (und zwar schon sehr früh) besonders gut begriffen hat:
"Es nimmt den Sakramenten nicht ihre Wirksamkeit, daß sie durch Unwürdige gehandelt werden, denn diese repräsentieren die Person Christi wegen ihrer Berufung durch die Kirche. Sie repräsentieren nicht ihre eigenen Personen, wie Christus bezeugt: Wer euch hört, hört mich. Wenn sie das Wort Christi, wenn sie die Sakramente darreichen, reichen sie sie in Stellvertretung Christi dar."
(aus der Apologie der Confessio Augustana; und Augustinus war [neben Paulus] ja der machtpolitische Organisator des dadurch erst verfassten Chtristentums - und damit das Beste bzw. Schlimmste, was dem "Erbe Christi" widerfahren konnte)
Hinzu kommt ein merkwürdiger, weil ebenso "universaler" wie mir bislang unerklärlicher Effekt, den ich probeweise mal
-, - oder einfach "berühmt, weil berühmt"-Effekt
nenne:
niemand, so behaupte ich einfach mal, kann sich der "Berühmtheit an sich" völlig entziehen, sondern wir alle
(und eben deshalb spreche ich von einem "universalen" Effekt)
begegnen "Berühmtheiten" auf Anhieb erstmal "verschüchtert": wem gelänge es schon, beispielsweise der Bundeskanzlerin bei einer ersten Begegnung völlig unbefangen gegenüber zu treten
(selbst ein Generalangriff auf sie stünde ja im Veracht, nur die Befangenheit zu kaschieren)?
Ein unbefangenes Auftreten wäre ja schon allein deshalb schwierig, weil alle anderen Anwesenden vor Respekt ihr gegenüber erschauern würden.
Im Grunde sind wir alle Regenbogenpresse-Leser: selbstverständlich würden wir solche Schundblätter nie kaufen, aber wenn sie (oder die BILD) zufällig mal beim Friseur oder in einem Zugabteil rumliegen ...
(Jeder kennt das "Partygirl" Paris Hilton, und wenn man sie bescheuert findet, ist man auch nur auf ihre Masche reingefallen: sie
[bzw. die Figur, die sie spielt]
muss ja immer wieder Skandälchen produzieren
[die sicherlich von einer Marketingagentur ersonnen werden],
um andauernd wieder in der Presse zu landen, und das Schlimmste, was ihr passieren könnte, wäre, auf der letzten, Untoten-Seite
im "Stern" zu erscheinen)!
Politikern wird gerne vorgeworfen, dass sie längst den Kontakt zur "Wirklichkeit"
(oder genauer: zur Wirklichkeit des "kleinen Mannes")
verloren haben:
Das liegt allerdings auch daran, dass "wir" den Politikern diese Wirklichkeit systematisch vorenthalten.
Ein Beispiel: ein inzwischen ehemaliger, damals noch aktiver Bundeskanzler besuchte eine Schule. Dazu wurde
(was aus Sicherheitsgründen vermutlich unvermeidbar war)
am Tag vorher die gesamte Schule von Sicherheitsbeamten mit Spürhunden auf den Kopf gestellt. Aber
Fehler: schon vorher war genau festgelegt, wo der Bundeskanzler entlang gehen sollte,
Fehler: der einzige, bislang eher schmuddelige Flur, den der Bundeskanzler in einem Schultrakt entlanggehen sollte, wurde vorher frisch gestrichen
(was den Schulleiter ungemein freute, da er so kostenlos an einen Neuanstrich kam),
aber eben nur genau bis dahin, wo der Blick des Kanzlers hin reichte, so dass an einer Wand noch Jahre später genau die Trennung zwischen alt und neu zu sehen war.
Nein, wenn ein Bundeskanzler, Minister oder auch eine niedrigere Charge eine Schule besucht, wird natürlich nicht geschönt, sondern bekommt er bzw. sie selbstverständlich die raue Realität vorgeführt!
Das heißt z.B. auch, dass das Lehrerzimmer vorher nicht klinisch rein aufgeräumt wird, sondern der Minister oder wer auch immer bekommt die sich stapelnden Unterrichtsmaterialien auf den viel zu kleinen Tischen im viel zu kleinen Lehrerzimmer zu sehen, also den schulischen Alltag.
Selbstverständlich machen wir in einer eventuellen Rede auch nicht so einen monströsen Quatsch mit wie
"hoch verehrte Eminenzen,
sehr geehrte Exzellenzen
und,
ach ja,
liebes
sonstiges
Kroppzeug"
Sondern der Herr Minister wird
(wenn er überhaupt ausdrücklich angeredet [und damit vom sonstigen Pöbel abgesetzt] wird)
schlicht mit "Sehr geehrter Herr Schnorz" angesprochen.
Und wir fahren natürlich auch nicht ein gigantisches Buffet auf, sondern für den Minister gibt's - wie für jeden anderen Gast auch - eine Tasse Kaffee und Gebäck von Aldi.
Schon gar nicht wird eine Show für den Minister gefahren, also ein neckisch aufgepeppter Unterricht besucht oder ein aufgemotzter Empfang mit nichtssagenden Reden und knuddeligen Orchester-, Theater- und Unterichtsaufführungen abgehalten:
Insbesondere erhält der Minister keine Gelegenheit zum
(das verbitten wir uns!).
Wenn ich oben mehrfach das Wörtchen "wir" benutzt habe, so sind das sicherlich nicht alle LehrerInnen, ja, ist es nicht mal deren Mehrheit, sondern eine erhoffte/erwünschte intelligente "schweigende Minderheit". Oder es ist schlichtweg ein Pluralis Majestatis ex cathedra: