Schul-Null-Architektur
(wohlgemerkt: so wird [vgl. Beamer] heutzutage noch oder schon wieder gebaut)
Warum ins Negative schweifen, wo das Gute liegt so nah, nämlich in Münster:
die wartburggrundschule in Münster, immerhin im Jahr 2008 mit dem "Deutschen Schulpreis" ausgezeichnet, beweist ja, dass es eine bessere bzw. im eigentlichen Sinne "Schul"-Architektur gibt.
Aber solche architektonische Anstrengungen hält man vielleicht noch bei GrundschülerInneN für nötig ("Kuschelpädagogik"), danach aber müssen SchülerInnen schnell merken, wie rechtwinklig und klinisch rein das Leben ist.
Dass es durchaus ganz anders als derzeit üblich geht, zeigt auch beispielsweise die Internetseite .
An einer mir näher bekannten Schule wird derzeit
der Altbau saniert
und ein mehrteiliger Neubau hinzu gebaut (indem Teile des Altbaus abgebrochen werden).
Der erste Neubau ist fertig und sieht so aus:
,
hat also den Charme eines Schuhkartons.
Bereits renoviert ist die eine Hälfte des wunderschönen, aus der vorletzten Jahrhundertwende stammenden Altbaus, und bei der Renovierung dieses Teils hat man es sich sehr einfach gemacht: ellenlange, schneeweiße Flure und weiße Quader als Klassenzimmer
(die Gebrauchsspuren werden ja hoffentlich noch folgen):
Und nun dürfen Sie mal raten, ob das das Foto eines Krankenhaus- oder eines Schulflurs ist: eines Flurs, der die geistige Haltung offenbart, die "man"
(zumindest die Verwaltung)
wohl auch gegenüber den PatientinneN bzw. SchülerInneN hat.
Man wird wohl davon ausgehen dürfen, dass laut dieser geistigen Haltung PatientInneN und SchülerInnen eh dasselbe sind:
(und Foucault unterscheidet ja eh nicht groß zwischen Krankenhäusern, Gefängnissen und Schulen)
Kein Wunder also, dass viele Schulhöfe so aussehen:
"Man kann einen Menschen
mit einer Wohnung [und einem Schulgebäude]
genau so töten wie mit einer Axt."
(Heinrich Zille)
"Schulen sind wie Altenheime,
nur dass in ersteren mehr Menschen sterben."
(Bob Dylan)
Wie lebensfeindlich all das ist, wird exemplarisch klar, wenn die handverzählten Alibi-Bäume mit ca. 20 cm dicken und vermutlich tonnenschweren Betonplatten eingesargt werden , was natürlich ungemein pflegeleicht ist.
... womit ich niemandem böse Absicht, wohl aber so einigen Unempfindlichkeit unterstellen möchte: solche Architektur ist nicht nur (Geschmackssache?) scheußlich, sondern auch und vor allem un-, ja antipädagogisch!
Schulspezifisch ist an solcher Architektur zumindest gar nichts, sondern es könnte genauso ein Bürogebäude sein - was ja vielleicht einfach nur ehrlich ist.
Wundert es einen da noch, dass "die" Schule (Schulleitung, LehrerInnen, SchülerInnen, Eltern) "natürlich" keinerlei Mitspracherecht bei der Gestaltung der Schule hatte. Es ist ja nur vermeintlich "ihre" Schule.
(Überhaupt finde ich es interessant, wie viele Bedeutungen das Wort "Schule" hat
[vgl. auch "Kirche"]:
was doch geradezu beweist, wie sehr "Soziales" und Gebäude zusammen hängen!)
Erstaunlich finde ich aber auch, wie resigniert bzw. lammfromm (wieder mal) der Ausschluss von jeder Mitsprache hingenommen wurde: fast so, als wenn es egal sei, in welchen Gebäuden und Räumen Unterricht stattfindet.
Inzwischen ist auch der Mittelteil des oben gezeigten Schulneubaus fast fertig, und da muss ich dann doch zugeben, dass er wirklich gut gelungen ist:
wenn man innen ist, sieht man auf die wunderschöne Fassade des Altbaus,
wenn man draußen ist, spiegelt sich in der neuen Fassade die wunderschöne Fassade des Altbaus:
Vollends auf die Spitze getrieben haben dieses Prinzip aber die Architekten des
neuen Anbaus
des Leonard-Gymnasiums in Aachen:
da spiegeln sich in der Hochglanzfassade
einerseits rechts der schöne Altbau des Gymnasiums,
andererseits in der Mitte die noch schönere St.-Michaels-Basilika,
d.h. die Schönheit des Neubaus (soweit davon überhaupt die Rede sein kann) ist nur von den alten Bauten geborgt,
da kann man in den Neubau überhaupt nicht mehr hinein sehen
(weil allzu schrecklich ist, was da drinnen stattfindet?).
Und für diesen Neubau hat es allen Ernstes den gesetzt.
(Richtig witzig sind auch die überdimensionierten roten Stühle rechts im Bild, auf denen genau sechs Schüler Platz nehmen können.)
"Man" ist sogar (an einer anderen Schule) auf
(Klassenraum mit "energieeffizienter Beleuchtung"!)
stolz, während ich es abgestumpft oder aber satanisch finde, SchülerInnen stunden-, tage-, wochen-, monate- und jahrelang in solch einer aseptischen Variante von zu "halten".
In solch abstrakten
("Vermutlich hatte die Medizin zuerst die Notwendigkeit einer kontrollierten Umgebung erkannt und den klassischen Operationssaal in Krankenhäusern entwickelt. Früher gab es branchentypisch angepasste und regional unterschiedliche Forderungen und Standards für [auch Klassen-?]Reinräume , die mittlerweile der einheitliche Standard ISO 14644 ablöste.") |
fühlt sich aber sicherlich vor allem das Fach Mathematik pudelwohl :-)
Im Oktober 2011 hat sich auch die GEW-Zeitschrift des Themas angenommen. Und da wird dann doch ernsthaft folgendes (bunt lackierte!) Krankenhausdesign als "dritter Pädagoge" verkauft:
"[...] mittlerweile gibt es verbesserte humane menschliche
Arbeitsbedingungen am Fließband.
Es gibt - bunte Schraubenzieher."
(Otto Waalkes)