ich habe noch keine vernünftigen Eltern kennengelernt

Das Gegenteil von "vernünftig", also der Vorwurf "unvernünftig", ist genauso ein hübsch verlässlicher Gesprächskiller wie etwa "ideologisch"

(so werfen [oder inzwischen wohl eher warfen] sich beispielsweise die Befürworter [SPD] und Gegner [CDU] der Gesamtschule mit schöner Regelmäßigkeit  gegenseitig "ideologische Verblendung" vor und sind dann quitt, bevor überhaupt ein Gespräch beginnen kann, das ja auch gar nicht beginnen soll):

alle, die nicht meiner Meinung sind, sind per se unvernünftig, bzw. es gibt überhaupt nur zwei Meinungen, nämlich meine  (vernünftige) - und die falsche (unvernünftige).


Natürlich ist der Titel

"ich habe noch keine vernünftigen Eltern kennengelernt"

ein Etikettenschwindel zwecks Provokation bzw. ein "eye-catcher". Aber dennoch ist solch eine Pauschalisierung, der man sich nicht ganz enziehen kann

(zuerst glaubt man sie unweigerlich, um sie evtl., nachdem sie einen verlässlich provoziert hat, erst in einem zweiten Schritt harsch von sich zu weisen),

auch ein schöner Gedankenanreger

(oder doch nur Klischeebestätiger?):

an der Unvernunft der meisten Eltern

(ich als Vater inklusive!)

 ist doch schließlich auf durchaus liebenswerte Weise was dran:

Vgl. auch den mathematischen Satz "jede normale Familie ist beschränkt", der in der Mathematik

(wo "normal", "Familie" und "beschränk" klar definierte Fachbegriffe sind, die nur rein zufällig auch eine Bedeutung in der Alltagssprache haben)

natürlich eine ganz andere

(und völlig humorlose)

Bedeutung hat als im alltäglichen Leben

(nebenbei: "jede normale Familie ist beschränkt" ist der einzige Satz aus meinem gesamten Mathestudium, an den ich mich noch erinnern kann, und daran ist gleich zweierlei bemerkenswert:

  1. , dass ich mich natürlich nur wegen seiner unfreiwillig komischen Bedeutung in der Alltagssprache,

  2. aber nicht an seine eigentliche, also mathematische Bedeutung erinnern kann).


Nun sei der Titel

"ich habe noch keine vernünftigen Eltern kennengelernt"

aber doch ein bisschen abgeschwächt bzw. präzisiert:

  1. geht der Satz noch weiter:

"ich habe noch keine vernünftigen Eltern kennengelernt, die ..."

Da ist es doch höchst staunenswert, wie der klitzekleine und noch weitgehend sinnlose Zusatz den Sinn fast umkehrt:

[und ich behaupte sogar, dass diese in der Mehrheit sind],

nämlich diejenigen, die ... ".

  1. seien nun auch noch die Pünktchen aufgefüllt bzw. konkretisiert:

"ich kenne keine vernünftigen Eltern, die ohne Not

(also entweder aufgrund kultusbürokratischer Vorschrfiten oder aufgrund familiärer Gegebenheiten)

  1. ihre Kinder schon mit fünf Jahren einschulen,

  2. für sie eine verkürzte (gymnasiale) Schulzeit ("G8") und

  3. sie in eine Ganztagschule schicken

wollen."

Aber was schert "uns" der Elternwille!?:


(, 8.9.12)

  1. sei nun auch noch das "vernünftig" am Satzanfang ein bisschen genauer erklärt:

"ich kenne keine (auch ansonsten) vernünftigen Eltern, die ...":

Das bedeutet dann zweierlei:

  1. , dass die Gegnerschaft gegen a. - c. vernünftig ist,

  2. , dass die Vernunft dieser Gegnerschaft durch die auch ansonsten vernünftigen Einstellungen

(also solche nicht nur zur Schule)

belegt wird: wer auch ansonsten vernünftige Einstellungen hat, kann nicht für a. - c. sein.

Oder zumindest nicht so grundsätzlich dafür, wie es derzeit schulpolitischer mainstream ist

(vgl. etwa   ).


Mit "vernünftige Eltern" meine ich weder meine eigenen Eltern noch die "meiner" SchülerInnen

(möchte beide aber auch nicht als unvernünftig darstellen),

sondern solche aus meinem Freundeskreis: undenkbar, dass jemand, der pauschal für a. - c. ist, mein Freund sein könnte: da würden auch die sonstigen Einstellungen nicht zueinander passen

(letztens habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen aktiven CDU-Politiker kennengelernt, den ich auch nett finde - und dessen CDU-Mitgliedschaft mich deshalb nur um so mehr wundert).