vergiftetes Lob: "Sie haben uns gut aufs Abitur vorbereitet"

Vorweg natürlich das apostolische Glaubensbekenntnis:

"[...] Ich glaube an das [Zentral-]ABITUR,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben.
Amen."

Um hier nicht immer nur meine eigene, vermeintlich rein subjektiv Meinung raushängen zu lassen, sei (vorerst) das Erlebnis eines Freundes (nach-)erzählt:

Auf der Abiturabschlussfeier seiner Tochter seien (wie üblich) ewig lange Reden gehalten worden, u.a. auch durch die SchülerInnen der jeweiligen Tutor-Leistungskurse. Und da dann habe man sich u.a. brav bei den Tutoren (so etwas wie Klassenlehrer) bedankt.

Das immer wiederkehrende höchste Lob sei dabei "Sie haben uns gut auf das [Zentral-]Abitur vorbereitet" gewesen.

Bemerkenswert sei aber vor allem gewesen, dass das auch das einzige

(somit automatisch auch höchste)

Lob gewesen sei.

Kein einziges Mal sei aber erwähnt bzw. ergänzt worden

also überhaupt irgendwas Individuelles.

Nun glaube ich zwar nicht, dass das Lob "Sie haben uns gut auf das Abitur vorbereitet" vergiftet gemeint war, und doch ist es vergiftet, bedeutet es doch letztlich:

"Sie waren ein guter Vorbereitungsautomat - aber (gerade deswegen?) ein schlechter Lehrer."


Ich habe inzwischen zwei Mal das Gegenteil erlebt: SchülerInnen und/oder Eltern meinten,

Also bin ich ein guter Lehrer!?


Ich hab's ja schon immer gewusst, nur war ich früher der Zeit weit voraus, heute nur noch einige Tage:

meine Frau ist aus schöner alter Gewohnheit Gewerkschaftsmitglied und erhält daher regelmäßig die beiden

(bundesweiten und nordrhein-westfälischen)

Mitgliedszeitungen der GEW.

        

(Nicht-Lehrern muss man das wohl erklären:

  • die GEW [Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft] ist [bzw. - das wird noch wichtig - war] eher die linke, soziale Fraktion,

  • während der Philologenverband eher rechts, nämlich der Gralshüter des heiligen Kuh des deutschen Bürgertums, also des Gymnasiums, und überhaupt der "alten Werte" ist.

Damit entspricht

  • die GEW so etwa

    • dem Marburger Bund der angestellten Ärzte

    • bzw. der SPD,

  • der Philologenverband so etwa

    • dem Hartmann-Bund der selbstständigen Ärzte,

    • der CDU.

All zu eindeutigen Besitzstandsvertretungen traue ich aber eh nicht.)

Nun konnte ich mich allerdings jahrelang über die Mitgliedszeitschriften der GEW nur gehörig aufregen, weil dort dieselben Schlagworte und Patentrezepte auftauchten, wie sie auch aus den Mündern der Kultuspolitiker bzw. -bürokraten träufelten

(vgl. etwa   ).

Da war die GEW wie der "Spiegel": bis zur Finanzkrise 2008 war letzterer die publizistische Speerspitze des Neoliberalismus, und erst als das Kind in den Brunnen gefallen war und nicht mal mehr der Dümmste das leugnen konnte, schwenkte er mir nichts, dir nichts auf wirtschaftskritische Töne um, ja entdeckte er sogar das (bis dahin) Unwort "Keynes" wieder.

Genauso wird nun plötzlich die GEW wieder kritisch (s.u.), aber eben nicht, als man das Kind noch vor dem Brunnen bewahren konnte, sondern erst jetzt, wo man die Fehler des Reformismus beim besten Willen nicht mehr übersehen kann

("im Nachhinein sind alle

[natürlich außer den Kultuspolitikern und -bürokraten, bei denen es noch ein bisschen länger dauert, wenn sie's überhaupt je merken]

schlauer, aber vorher hat man's leider, leider nicht wissen können, und vorher war sowieso keiner »dabei«").

Da habe ich also meinen obigen Aufsatz zum vergifteten Lob gerade (im Sommer 2013) fertig, als in dem GEW-Blättchen   folgende Notiz erscheint:

Und nebenbei: in demselben GEW-Heft stehen dann (endlich!) auch Abrechnungen mit