wie ich meinen Sohn gern hätte
und 1. kommt es anders
und 2. als man denkt
"Galja und Maxim wurden [von Schostakowitsch und seiner Frau Nita]dazu erzogen, nie zu lügen und immer höflich zu sein. Er bestand auf guten Manieren. [...] Als die beiden Fahrräder bekamen, mussten sie die Verkehrsregeln lernen und auch dann einhalten, wenn sie einen verlassenen Waldweg entlangfuhren: beim Linksabbiegen den linken Arm raus, beim Rechtsabbiegen den rechten Arm raus." |
Wie wahr, wie poetisch :-)
Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind Söhne und Töchter
der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
und obwohl sie bei euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben,
aber nicht ihren Seelen.
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen,
das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein,
aber versucht nicht, sie euch gleich zu machen.
Denn das Leben geht nicht rückwärts,
noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder
als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schätze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit
und Er spanne euch mit Seiner Macht,
damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
lasst euren Bogen in der Hand des Schützen Freude bedeuten:
denn so, wie er ER den Pfeil liebt, der fliegt,
so liebt er auch den Bogen, der fest ist.
aus: Khalil Gibran: Der Prophet
Ich werde den Teufel tun, hier meine ganz privaten Hoffnungen, Ängste und Erlebnisse "betreffs" meines derzeit zweijährigen Sohnes "der" Öffentlichkeit zuzumuten bzw. zum Fraß vorzuwerfen.
Nur soviel dazu: mich packt schon jetzt prophylaktisch das nackte Grausen bei dem Gedanken, dass mein missratener Sohnemann vielleicht irgendwann, nur um mich zu ärgern, FDP wählt :-)
Und ebenso wenig werde ich hier ausführlicher Gedanken darüber anstellen,
wie beschränkt heute die Erziehungsmöglichkeiten von Eltern (und LehrerInneN) sind,
dass jede Erziehung aus dem Ruder laufen und - mit bitteren Schmerzen - ein Kind einem völlig fremd werden kann
(nebenbei: ich empfinde eine Mischung aus Bewunderung und Grausen gegenüber jenen Eltern, die sich felsenfest sicher sind, dass "uns das natürlich nie passieren kann" - und denen es auch tatsächlich nicht passiert),
dass natürlich auch ich meine Erziehungsfehler machen werde bzw. schon mächtig dabei bin.
(Was gäb's da auch schon großartig zu sagen?!)
Nein, Thema dieses Aufsatzes ist einzig und allein eine Äußerung, die letztens ein Vater bzgl. der Zukunftsplanung für seinen Sohn machte:
dieser Sohnemann solle möglichst schnell in eine Kindergruppe und danach in einen Kindergarten kommen, und zwar mit einem einzigen Zweck: "damit er lernt, sich durchzusetzen!" * |
Zum ersten Mal: "Mein Kind soll's besser haben." Denn die einzige Begründung des Vaters für seinen Wunsch nach Durchsetzungsvermögen seines Sohnes war, dass er (der Vater) selbst allzu lange nicht dieses Durchsetzungsvermögen gehabt und sich deshalb arg klein gefühlt habe.
Die Forderung von Durchsetzungsvermögen (gegen Dritte) scheint mir bloß die neueste Variante antiautoritärer Erziehung (... auch so ein Mythos über "die" 68er) zu sein, nur dass
(natürlich durch und durch ökonomisch bedingt)
aus einem "dulde niemanden über dir"
ein "dulde niemanden neben dir" geworden ist.
"Heute werden alle Kinder zu Tätern erzogen.
Wo kommen dann nur die benötigten Opfer her?"
(U.St.)
"Wir können selbst entscheiden, ob wir [...] Hammer oder Amboß sind."
(Gerhard Schröder)
Nein, das möchte ich nicht, dass mein Sohn lernt, sich (bedingungslos) durchzusetzen.
weil mir dieses "sich [!] durchsetzen" zu abstrakt ist, wird da doch ein grundsätzliches Durchsetzungsvermögen völlig unabhängig von Anlass und Situation gefordert.
(Es würde mich zwar freuen, wenn ich meinem Sohn eine verlässliche "Grundgeborgenheit" spüren lassen könnte, aber ich werde ihn nicht grundsätzlich bei der Durchsetzung seines Willens unterstützen.
[Überhaupt stört mich ja, dass vermehrt - z.B. auf formaljuristischem Weg - Recht "behält", wer keineswegs Recht hat.]
Ein Beispiel: zwei SchülerInnen, die andauernd blau gemacht hatten, riefen getrennt ihre Lehrerin an und gaben sich als ihre Mütter aus, um nachträglich alle versäumten Stunden zu entschuldigen. Die Lehrerin, noch nicht vollends verblödet, fand allerdings ganz schnell heraus, wie sie da betrogen worden war.
Meine Frage: wie würde ich reagieren, wenn mein Sohn so gehandelt hätte?: hoffentlich
nicht meinen Sohn pauschal verurteilen, sondern seine Beweggründe [z.B. angsteinflößender Lehrer] herauzufinden versuchen;
aber sicherlich auch nicht den LehrerInneN gegenüber meinen Sohn pauschal decken oder gar ihn für die Tat auch noch loben und ihn zu weiteren solchen Taten ermutigen.
Ich würde mich auch freuen, wenn mein Sohn die Stärke [!] hätte, für Bockmist, den er gebaut hat, einzustehen.)
würde ich mich freuen, wenn mein Sohn auch andere Strategien kennenlernen und "beherrschen" würde:
Ausweichmanöver ("dann nehme ich eben ein anderes Spielzeug"),
"manchmal ist Rückzug die beste Verteidigung",
ohne großartige Arroganz: "der Klügere gibt nach" und "der Hund bellt, die Karawane zieht weiter",
nicht bei jedem Anlass lohnt ein Streit,
"so wichtig ist mir das auch wieder nicht",
"ich vergebe mir nichts bei dem einen oder anderen Kompromiss",
"lass' die anderen doch machen, was sie sollen; ich gehe meinen Weg",
manchmal kann man sich beim Versuch, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, nur eben den eigenen Kopf demolieren,
"geteilte Freude ist doppelte Freude",
Höflichkeit "lohnt" sich (wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus),
...
Und ich wünsche mir, dass mein Sohn mit solch differenziertem Verhalten (auf Umwegen, aber ohne Hinterhältigkeit) "Erfolg" hat.
All das heißt
weder, dass mein Sohn ein Duckmäuser
noch dass er ein Heiliger
würde.
Überhaupt wird auch er seine Fehler und Erfahrungen bittschön selbst machen müssen (dürfen). Ich kann nur hoffen, dass sie nicht allzu schmerzhaft ausfallen werden.
Umgekehrt:
ich würde gerne dazu beitragen,
dass mein Sohn keine Sozialratte wird.(Mindestens die Hälfte alle "Asozialen" sitzt ganz oben in der Gesellschaft.
Und Jahre später
bemerken's dann auch andere:
Ich würde mich freuen, wenn mein Sohn
(bei allen unvermeidbaren Frustrationen und Ängsten)
in jeder (Kinder-)Gruppe kameradschaftlich gleichberechtigt "mitschwimmen" könnte
(weder Befehlshaber noch Befehlsempfänger; oder wenn schon, dann abwechselnd).
Wichtiger noch als (schulischer und beruflicher) "Erfolg"
(selbst das Stadttheater Münster wünscht nicht mehr ein "glückliches", sondern ein "erfolgreiches" Neues Jahr),
ja sogar wichtiger als Gesundheit
(... und dennoch schlucke ich beim Gedanken, dass meinem Sohn körperlich "ein Leids getan" würde)
wäre mir für meinen Sohn
ein zufriedenes Miteinander mit anderen Menschen, also ein gewisses soziales Talent. |
(... was ich mir vielleicht deshalb wünsche, weil ich es an mir selbst allzu lange vermisst oder mir nicht zugetraut habe. Zum zweiten Mal: "Mein Kind soll's besser haben.")
Umgekehrt: kaum etwas ist für Kinder wie Eltern so bitter wie ein Außenseiterdasein und Gemobbt-Werden der Kinder. Aber die Alternative ist da eben nicht, selbst der Hammer zu sein:
der wirklich Starke (der eh seine Schwächen kennt) hat es überhaupt nicht nötig, |
PS: | Jetzt kann ich nur noch abwarten, welche Rechnung mein Sohnemann mir in ca. 15 bis 20 Jahren (gerade bzgl. dieses Textes) aufmachen wird! |