wie man's (zu Schülern) sagt, sagt man's verkehrt

  Ich entwickle anscheinend seit Jahren immer mehr einen Vollständigkeitswahn bzgl. des komplexen Biotops Schule. Dabei ist jeder Versuch der Vollständigkeit aber natürlich a priori zum Scheitern verurteilt - und sorgen meine vielfältigen Essays allemal dafür, dass meine Internetseiten immer unübersichtlicher werden.
„wie man‘s (zu Schülern) sagt, sagt man‘s verkehrt“ suggeriert, dass ausnahmslos alles, was man (als Lehrer) zu Schülern sagt, bei diesen falsch ankommt.
Das ist natürlich heillos übertrieben, und ich behaupte glatt, dass das Allermeiste
(sagen wir mal 99,8 %)
von dem, was Lehrer zu Schülern sagen, bei letzteren
(im Guten wie im Schlechten)
genauso ankommt, wie es gemeint war.
Dennoch kann der Rest
(die restlichen 0,2 %)
so fatal wirken, dass er im Folgenden allemal erwähnenswert ist.

„wie man‘s (zu Schülern) sagt, sagt man‘s verkehrt“ bedeutet wohl auch, dass das,
(„»gut« ist das Gegenteil von »gut gemeint«“),
also Missverständnisse vorliegen.
Im Folgenden geht es mir also nicht um die Fälle, in denen etwas
(ohne jedes Missverständnis)
auch so verstanden wird.
Es geht mir hier also nicht um diejenigen Lehrer, die manchmal oder gar systematisch böse/bösartig sind
(der langjährige Lateinlehrer während meiner eigenen Schulzeit war z.B. Meister darin, Schüler vor versammelter Klasse lächerlich zu machen und bodenlos zu erniedrigen; ja, vielleicht ist Beschämung tatsächlich das „nachhaltigste“ unter allen bösartigen Mitteln).
Und ich glaube sogar, dass zumindest heutzutage die allermeisten Lehrer keineswegs bösartig sind.
Vielleicht sind die Tage von  ja tatsächlich weitgehend vorbei
(was ja nicht ausschließt, dass es unter Lehrern nach wie vor „schwarze Schafe“ gibt, die ihren Beruf als Freibrief für Tyrannei verstehen, also nie hätten Lehrer werden dürfen).

Auch nicht unter „wie man‘s (zu Schülern) sagt, sagt man‘s verkehrt“ subsummiere ich, dass wohl jedem Lehrer mal die verbale „Hand“ ausrutscht, nämlich z.B., wenn
(aus welchem Grund auch immer)
bis aufs Blut reizt
(sowas gibt‘s eben auch!):
„die verbale Hand ausrutscht“ bedeutet nämlich, dass da
(wenn auch selten)
Worte
Nun ist es mit dem
(schon ein Euphemismus:)
„Ausrutschen“ der „verbalen Hand“ aber genauso wie mit dem Ausrutschen der „richtigen“ Hand, also mit Schlägen:
beide sind vielleicht situativ verständlich, aber dennoch nicht zu legitimieren
(„ein leichter Klaps hat noch keinem geschadet“, „Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber liebt, der züchtigt ihn bald“ [aus dem Alten Testament bzw. genauer Spr 13,24]):
im besten Fall
(mit einer Entschuldigung ist es wie mit Autorität: die kann man
Ein Lehrer sollte „Manns genug“ sein, für verbale „Ausrutscher“ vor genau dem Kreis (ggf. einer ganzen Klasse) um Entschuldigung zu bitten (!), vor dem ihm der verbale „Ausrutscher“ unterlaufen ist, und zwar spätestens am Tag danach, wenn der Lehrer wieder denkfähig ist.

Nur kurz angedeutet sei der umgekehrte Fall: dass das, was Schüler sagen, bei Lehrern falsch ankommt.
Ich bin (war) nunmal Lehrer und kann deshalb nur darüber mitreden, was Lehrer (ich) tatsächlich gemeint habe(n), und aus eventuellen Schülerreaktionen schließen, wie das bei ihnen angekommen ist.  Ich kann mich aber nur an ganz wenige Fälle erinnern, in denen ein Schüler mal mir gegenüber klargestellt hat, wie er etwas gemeint hatte.
Dennoch sollte ein Lehrer bereit und in der Lage sein, immer mal wieder zu überlegen, ob eine (scheinbar) böse Schüleräußerung nicht vielleicht doch „ganz anders“ gemeint war - und Schüler gegebenenfalls auch darauf ansprechen.

Worum es mir bei „wie man‘s (zu Schülern) sagt, sagt man‘s verkehrt“ geht, läßt sich vielleicht am besten an Erlebnissen aus meinem eigenen Berufsjahren klar machen.
Mein schockierendstes Erlebnis:
Ich habe darauf sofort zu dem Kollegen gesagt, ich werde „jetzt gleich“ zur Schulleitung gehen, um nicht in der betreffenden Prüfungskommission eingesetzt zu werden, und die Schulleitung hat mich dann auch sofort aus der Prüfungskommission herausgenommen.
Mein Ziel dabei war
(ein Widerspruchsverfahren kann über die Schulleitung, den Schulträger und die Bezirksregierung bis hin zum Kultusministerium oder gar einem Gericht gehen und ist mit enormem Arbeitsaufwand und Stress verbunden),
(wenn auch - da war und bin ich mir sicher - völlig unangebrachte)
Angst vor mir zu nehmen.
Es ist natürlich (!) schlicht undenkbar, dass ich zu der Schülerin jemals gesagt hatte,
„dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um zu verhindern, dass sie das Abitur schaffen würde“!
Vielmehr kann ich mich bis heute sehr genau daran erinnern, was ich Jahre vorher als Klassenlehrer auf einem Elternsprechtag zu ihr und ihrer Mutter gesagt hatte:
weil die Schülerin in der Mittelstufe in vielen Fächern sehr schlecht stand und sogar schonmal eine Klasse wiederholt hatte, hatte ich ihr
(wie anderen Schülern in ähnlichen Fällen)
empfohlen,
... was aber bei ihr anscheinend so angekommen ist, dass ich sie
(mit in ihren Ohren unglaubwürdigen Vertröstungen)
loswerden wollte. Wie daraus aber
„dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um zu verhindern, dass sie das Abitur schaffen würde“
werden konnte, ist mir bis heute ein Rätsel.
Immerhin habe ich in diesem  Fall aber noch rechtzeitig von der Angst der Schülerin erfahren, konnte ich also auch
(wenn auch nicht in direktem, vermutlich sowieso aussichtslosem Kontakt mit ihr)
rechtzeitig reagieren
(der Schülerin die Angst nehmen, indem ich nicht in der Abitur-Prüfungskommission eingesetzt wurde).
Viel schlimmer sind aber die Fälle, in denen man zu spät erfährt, was die eigenen Worte bei Schülern angerichtet haben.
Und geradezu tragisch ist es, wenn man das nie erfährt: tragisch allerdings
Bzw. tragisch für einen Lehrer ist „nur“ die schwammige Vermutung, dass sicherlich einiges (was?) von dem, was er gesagt hat, bei Schülern falsch angekommen sein wird.


Ein zweites Beispiel aus meinem Lehrerleben:
Und als ich am Tag drauf
(also dem eigentlichen Karneval)
erneut den Klassenraum betrat, waren die Schüler wieder verkleidet und in Feierlaune. Als ich dann aber darauf bestand, dass nun doch wieder regulärer Fachunterricht stattfinden müsse, wurden die Schüler nach einiger Zeit durchaus „anstellig“ und aufmerksam. Nur eine
(direkt vor mir sitzende und nebenbei gesagt bildschöne)
Schülerin bastelte weiter unter Kichern und Kieksen weiter an ihrem Makeup herum. Als ich dann flapsig zu ihr „das hilft jetzt auch nicht mehr“ sagte, brach sie prompt in Tränen aus und war sie für den Rest der Schulstunde überhaupt nicht mehr (durch ihre Freundinnen) zu trösten.
Mein „das hilft jetzt auch nicht mehr“ war natürlich - zum närrischen Anlass passend? - ironisch gemeint, denn die Schülerin war ja (wie schon gesagt) tatsächlich bildschön.
(„das hilft jetzt auch nicht mehr“ könnte da höchstens bedeuten: „noch schöner, als du es sowieso schon bist, kannst du gar nicht mehr werden“.)
Aber was heißt schon „tatsächlich“?: sie war es in meinen Augen, aber das konnte ich natürlich nicht ausdrücklich ergänzen. Vermutlich war es der Schülerin aber selbst gar nicht so eindeutig klar, dass sie in anderen (meinen) Augen schön war: wie oft habe ich Schülerinnen (und überhaupt Frauen) erlebt, die auf geradezu tragische Weise permanent massiv an ihrer Schönheit zweifelten, obwohl sie doch bildschön waren!
(Nebenbei: mir ist durchaus bewusst, dass ich mich hier auf sehr dünnes [sexistisches] Eis begebe: um es mit [meiner Erinnerung nach] John Berger zu sagen: „Männer sehen, Frauen werden gesehen.“
Und auch nebenbei: es hat ewig lange gedauert, bis ich bemerkt habe, dass ich in den Klassen oftmals auch bildschöne männliche Schüler vor mir sitzen hatte.
Ich glaube allerdings nicht, dass die Schönheit einer Schülerin oder eines Schülers jemals großartig mein Verhalten ihr/ihm gegenüber beeinflusst hat. Im Unterricht war ich immer Profi, der die Reize der Schönheit zwar manchmal durchaus wahrnahm, dann aber im Eifer des pädagogisch-fachlichen Unterrichtsgefechts doch problemlos über sie hinwegsehen konnte.)
Merkwürdig, dass mir das „Karnevalserlebnis“ mit der Schülerin auch mehr als 30 Jahre später nachgeht und heute noch geradezu fotografisch vor Augen steht
(was überhaupt der Grund ist, es hier zu erwähnen).
Was mich wohl nicht mehr losläßt, ist die geradezu tragische „Verfahrenheit“ der damaligen Situation: nach meinem nunmal geäußerten Satz „das hilft jetzt such nicht mehr“ und den ersten Tränen der Schülerin konnte ich unmöglich meinen Satz etwa folgendermaßen ergänzen: „mein Satz war liebevoll ironisch gemeint, denn in Wirklichkeit bist du ja ein bildschönes Mädchen“.  Äußerungen über das Aussehen von Schülern
(Schönheit oder gar Hässlichkeit?)
stehen Lehrern grundsätzlich nicht zu und sind wohl immer übergriffig und fallweise sexistisch.
Außerdem hätte mein Zusatz in den Ohren der weinenden Schülerin wohl nur als unglaubwürdige Vertröstung geklungen.
Ich war also damals schlichtweg hilflos - und habe das Trösten den Mitschülerinnen überlassen.
Und die Situation ist bis heute uneinholbar: ich weiß nicht, ob die Schülerin bis heute unter ihr leidet, und ich weiß auch nicht, was aus ihr geworden ist und wo sie lebt. Ja, ich kann mich
(typisch für mich)
nichtmal mehr an ihren Namen erinnern.
Aber selbst wenn ich all das wüsste, wäre es wohl jetzt, also über 30 Jahre später, ziemlich „schräg“, wenn ich mich jetzt noch bei ihr melden und meinen damaligen Satz klarstellen bzw. für ihn um Entschuldigung bitten würde: vielleicht kann sich die Schülerin inzwischen an die damalige Situation gar nicht mehr erinnern
(geschweige, dass sie noch immer darunter leidet)
 - und auch nicht an mich.
Umgekehrt gehen (tatsächliche oder vermeintliche) Lehreräußerung aber einigen ehemaligen Schülern noch Jahrzehnte später nach und sind diese (tatsächlichen oder vermeintlichen) Lehreräußerungen geradezu ein übles Mantra für ihr ganzes weiteres Leben:
ein Lehrer weiß ja oftmals nichtmal (ahnt es aber unklar), was er Schülern alles verbal angetan hat. Vgl.
(der ihm [dem Lehrer] sogar eine Morddrohung schickt)
es sich allzu leicht macht, wenn er dem Lehrer die Alleinschuld dafür gibt, dass sein (des Ex-Schülers) Leben völlig misslungen ist
(wer immer nur anderen die Schuld gibt, ist nie erwachsen geworden).
(Nebenbei: nichts
[auch nicht Situationen, in denen andere mir wehgetan haben]
geht mir auch Jahrzehnte später noch so nach wie die wenigen „uneinholbaren“ Situationen
[z.B. auch kindlichen „Notlügen“],
in [mit] denen ich verbal anderen wehgetan habe.)

Ein drittes Beispiel aus meinem Lehrerleben:
  • In einem Deutsch-Leistungskurs saß eine Schülerin, die intelligente Klausuren schrieb, aber noch nie aktiv („mündlich“) am Unterricht teilgenommen hatte. Als sie dann aber doch mal etwas sagte
(und zwar etwas besonders Treffendes),
habe ich ihr
(von der ich wusste, dass sie gerne Kaffe trank)
nach einer Pause einen Kaffee spendiert und dabei gesagt, der sei dafür, dass ich mich so gefreut hätte, dass sie sich "endlich mal" (?) beteiligt habe.
Monate später habe ich dann von ihren Mitschülerinnen erfahren, sie sei direkt nach der betreffenden Unterrichtsstunde auf dem Schulhof regelrecht explodiert, weil ich sie dermaßen übel
(ich erinnere mich noch heute, also über 20 Jahre später, an ihre Wortwahl:)
„vorgeführt“ hätte.
Ich vermute mal, dass sie
Und in der Tat hat sie sich danach nie wieder von sich aus gemeldet

(Schüler können da enorm konsequent und rigoros sein).

Hier nun aber ein erstes Beispiel, das nicht von mir, sondern einer anderen Lehrerin handelt:
(was nebenbei der Anlass für diesen Essay war):
sie war erstmal sitzen geblieben, hatte dann aber doch die Nachprüfung im Fach Mathematik bestanden, und zwar mit einer Zwei!: 
„[...] ich war nie stolzer als je in meinem Leben. FRau [XY, ihre Mathematiklehrerin] gratulierte mir damals mit den Worten, "[...] das war eine besonders gute Leistung[“], das hätte sie von mir nicht erwartet.“
Die ehemalige Schülerin hat das in ihrer Email an mich ausdrücklich nicht kommentiert, aber zwischen den Zeilen höre ich da doch eine bodenlose Enttäuschung heraus.
Dabei kann ich mir durchaus vorstellen, dass „das hätte sie von mir nicht erwartet“ erstmal einfach nur das Erstaunen der Lehrerin über die plötzlich so gute Mathenote ausdrückte und so etwa bedeutete: „Na, sieh mal einer an, die Schülerin ist tatsächlich aufgewacht - und das freut mich (für sie).“ Und die Äußerung der Lehrerin könnte fast auch eine Art „Schuldbekenntnis“ sein: „Anscheinend lag ich mit meiner bisherigen Einschätzung der Schülerin völlig daneben.“
Aber selbst wenn es von der Lehrerin so gemeint war, ist es bei der Schülerin nicht so angekommen
(ein Musterbeispiel von „wie man‘s (zu Schülern) sagt, sagt man‘s verkehrt“):
die Schülerin hatte nämlich anscheinend so etwa verstanden: „Du bist [mathematisch] so blöd, dass ich dir niemals eine Zwei zugetraut hätte.“
Dabei hatte die Schülerin mit der Zwei ja bewiesen, dass sie vielleicht mal „blöd“ war, es aber nicht mehr ist.

Man kann den Satz „das hätte sie von mir nicht erwartet“ aber auch so interpretieren, dass die Schülerin in den Augen der Lehrerin „blöd“ war und auch weiterhin ist, nur dass eben auch ein blindes Huhn mal ein Korn findet.

Denkbar ist da sogar: „Nach deiner Zwei werde ich schon dafür sorgen, dass sie eine einmaliger Zufallstreffer ist und bleibt.“ Oder gar: „Ich werde niemals zugeben [bin unfähig dazu], dass ich mich in dir geirrt habe.“
Fragt sich nur, wieso die Kommunikation in dem hier berichteten Fall so schiefgelaufen ist:
  1. und noch arg allgemein: vielleicht einfach deshalb, weil die Kommunikation mit Vorgesetzten prinzipiell asymmetrisch ist
(ein Lehrer ist ja auch nur ein Vorgesetzter: er mag noch so „nett“ und [immer schon zweifelhaft] kameradschaftlich sein, letztlich vergibt er doch die Schulnoten - und ist er somit ggf. der „Henker“):
was die jeweils Vorgesetzten sagen, mag sogar  tatsächlich freundlich gemeint sein, in den Ohren vieler Untergebener ist es aber doch immer nur eine freundlich verpackte und deshalb sogar besonders hinterhältige Bosheit

(Vorgesetzte und also auch Lehrer sollten sich dieses Mechanismus‘ immer bewusst sein: sie mögen es noch so gut meinen, sie sind dennoch potentiell qua Amt beängstigend.)
Und es gibt halt Leute (auch Schüler), die
(also voraussetzen, dass da ein Haar in der Suppe ist),
weil sie
(„wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“).
  1. und ein wenig konkreter
(„ein wenig“, weil ich ja bei der damaligen „Nachprüfungs-Situation“ nicht dabei war, hier also letztlich doch nur fiktive Überlegungen anstellen kann):
es kommt halt
  • nicht nur darauf an, was man sagt,
Vielleicht war das Verhältnis zwischen der Lehrerin und der Schülerin also seit Langem so verkorxt, dass „das hätte sie von mir nicht erwartet“ bei der Schülerin überhaupt nur als bösartig ankommen konnte
(selbst wenn es positiv gemeint war).
Vielleicht bestand der Fehler der Lehrerin also darin, dass „das hätte sie von mir nicht erwartet“ in der betreffenden Situation schlichtweg unangebracht war
(nochmals: selbst wenn es positiv gemeint war):
im selben Augenblick, in dem die Schülerin „nie stolzer als je in meinem Leben“ war, kam mit „das hätte sie von mir nicht erwartet“ ein „aber“ (s.u.) bzw. eine Einschränkung. Da hätte die Lehrerin vielleicht besser gar nichts gesagt oder einfach nur (ohne Einschränkung) gratuliert.

Ein weiterer Vorfall mit einem anderen Lehrer:
  • Vor langer Zeit saß bei mir in einem Mathematik-Grundkurs in der Oberstufe eine Schülerin, die
Irgendwann habe ich sie auf einem Kurstreffen
(also in „inoffizieller“ und damit entspannterer Atmosphäre)
darauf angesprochen, worauf sie erklärte, vor einigen Jahren habe ein Mathematik-Kollege namens NN sie dermaßen zur Schnecke gemacht, dass sie sich geschworen habe, sich nie wieder mündlich im Mathematik-Unterricht zu melden
(was sie dann auch bis zum Abitur durchgehalten hat).
Meiner Erinnerung nach hat die Schülerin an jenem Abend aber nicht gesagt (oder ich habe es vergessen), was genau da vorgefallen war und was der Kollege gesagt hatte.
Nun war dieser Kollege NN aber der Allerletzte, dem ich wirklich böse Worte zugetraut hätte
(aber man weiß ja nie).
Denkbar waren bei ihm höchstens ein paar flapsige Worte.
Aber manchmal bringt eben ein einziges weiteres flapsiges Wort das Fass zum Überlaufen.
Wie schon gesagt: es kommt eben auch darauf an, wer etwas sagt:
ein und dasselbe Wort wirkt
Entscheidend scheint mir dabei zu sein, ob der Lehrer
Die Alternative, nämlich als Lehrer gar keine Witze mehr zu machen, scheint mir da geradezu kontraproduktiv zu sein:
  1. fällt dann eine einzelne Flapsigkeit nur um so mehr auf,
  2. wäre das doch ein staubtrockener und schnarchlangweiliger Unterricht.
Allerdings gibt es auch eine arg künstliche Lustigkeit - und hängen Schülern die oftmals ewig gleichen (Flach-)Witze von Lehrern sowieso schnell zum Halse raus.

Mit all dem möchte ich nicht sagen, dass man als Lehrer die Schüler nun nur noch mit Glaceehandschuhen „anfassen“ dürfte.
Sondern zu fragen ist doch, welche Lehreräußerungen „legitim“ bleiben - und welche problematisch sind.
Schlimm sind wohl alle Lehreräußerungen, die
So gesehen unproblematisch ist also beispielsweise „zur Zeit stehst du sowohl schriftlich als auch mündlich 5“
(„das wird man doch noch sagen dürfen“: und doch wäre es besser, wenn man der Diagnose konkrete [!] „Therapie“-Vorschläge folgen ließe);
Schlimm sind hingegen
(die Aussage über die Vergangenheit ist selbst dann ein „Todesurteil“, wenn sie zutrifft),
Als ich noch selbst Schüler war, erzählte mein Mathematiklehrer mal Folgendes: er habe mal zu einem Schüler und dessen Eltern
(der Vater war pikanterweise ein Kollege meines Mathelehrers)
gesagt, der Schüler sei nunmal in Mathematik unrettbar schlecht, und da Mathematik bis ins Abitur verpflichtend sei
(und aufgrund der auch in anderen Fächern nicht gerade glänzenden Zensuren),
sei es wohl besser, wenn er das Gymnasium verlasse und eine andere Schulform (Realschule) besuche.
Der Witz bei der Sache
(so erzählte mein Mathelehrer dann weiter)
sei aber gewesen, dass ausgerechnet dieser Schüler später Mathematikprofessor geworden wäre
(nebenbei: bei genau diesem Matheprofessor habe ich dann später Examen gemacht).
Mein Mathelehrer sagte dann zum Schluss, er habe sich damals geschworen, nie wieder endgültige Aussagen über Schüler zu machen.
Problematisch oder sowieso „völlig daneben“ sind auch alle Lehreräußerungen, die sich nicht auf derzeitige Leistungen oder konkretes Verhalten der Schüler im Unterricht, sondern auf ihre (vermeintliche) Persönlichkeit beziehen
(also z.B. oben „das [Schminken] hilft jetzt auch nicht mehr“; da wäre ein sachliches „höre bitte sofort damit auf“ besser gewesen).
Des weiteren problematisch sind alle (durchaus als Hilfe gemeinten)
Beispiele dazu habe ich zuhauf in meinem Referendariat
(meinem persönlichen Stalingrad)
gehört:
(so kam es zumindest mir vor bzw. so vergiftet war das Verhältnis Fachleiter-Referendar)
alsbald so sicher wie das Amen in der Kirche zu ellenlanger Kritik („aber“) an allem und jedem überzugehen;
(und nachdem ich offensichtlich fix und fertig war),
wurde zuguterletzt zwei Minuten doch noch was Positives angehängt.
Ich hatte dann immer das Gefühl, das „ja“ sei nur ein an den Haaren herbeigezogenes Trostpflaster
(„sie haben immerhin einen freundlichen Unterrichtsstil“),
im Grunde „aber“ doch ausnahmslos alles schlecht gewesen
(das höchste Lob, das ich jemals von meiner Mathe-Fachleiterin gehört habe, nachdem ich mal offen verzweifelt über als vernichtend empfundene Kritik war: „soooo schlecht sind Sie nun auch wieder nicht“).

Ein schönes Musterbeispiel für „ja, aber“ ist es, wenn der Lehrer zum Schüler sagt:

„du bist ja sehr fleißig, aber ...“:

da weiß man schon, was vermutlich folgen wird, nämlich z.B.

„..., aber dabei kommt leider nichts rum“.

Das kann

(selbst wenn es nicht so gemeint war)

beim Schüler nur ankommen als

„du bist so blöd, dass es bei dir nichtmal hilft, wenn du bienenfleißig bist (also kannst du dir auch deinen Fleiß sparen)“.