Bild Joseph Weizenbaum
Bild Max Goldt
Bild Clifford Stoll
Bild Leo J. O´Donovan
Bild Margaret Wertheim

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"Der Computerpionier Joseph Weizenbaum hat davor gewarnt, die Bedeutung der Computerausbildung in den Schulen überzubewerten. Wichtiger ist für ihn, die Fähigkeit des kritischen Denkens und die dafür erforderliche Sprachkompetenz zu erwerben, wie er in einem Interview deutlich machte. »Die allerhöchste Priorität überhaupt ist, den Schülern ihre eigene Muttersprache beizubringen [...]«, sagte der emeritierte Professor für Computerwissenschaften am Massachusetts Institute of Technology (MIT).
»Die Eltern glauben, dass die Arbeitswelt ihrer Kinder voller Computer sein wird. Wer viel darüber weiß, ist dann auch erfolgreicher als der, der nichts davon weiß. Das ist ein Fehler«, sagte Weizenbaum. Zwar stecke hinter nahezu jedem Job ein Computer, aber die Technik laufe im Hintergrund - wie etwa bei Telefonen oder Aufzügen, die zwar hochtechnische Angelegenheiten seien, aber schon von Dreijährigen bedient werden könnten. Es sei nicht nötig, dass jeder wisse, wie die Technik funktioniere." 


Bild Max Goldt: Kühn ist vermutlich, wer die Internet-Ehrfurcht dämpft; Schulen nicht unbedingt ans Netz

"Man muss die Kinder triezen und anstacheln, damit sie selbständig denken, und zwar dermaßen selbständig, daß sie in der Aktion »Schulen ans Netz« die bloße Wirtschaftsförderung erkennen."


Clifford Stoll: Bild  LogOut;
Warum Computer nichts im Klassenzimmer zu suchen haben [...];  

"Zugegeben, ich bin kritisch, was Computer betrifft, aber ich bin kein Feind von Technologie. Ich habe auch keine Probleme mit Computern, schließlich programmiere ich sie seit Mitte der 60er Jahre. [...] Allerdings macht mir eine Kultur Gänsehaut, in der Computer wie Heiligtümer verehrt werden. Ich mache mir Sorgen über den naiven Glauben an die leeren Versprechungen des Computerkults [...] Ich möchte betonen, dass ich mich als Skeptiker sehe und nicht als Zyniker."


Bild Leo J. O´Donovan: Tempi - Bildung im Zeitalter der Beschleunigung

"[...] Ein kluger Modernisierer, der, wenn er wirklich klug ist, natürlich auch eine gesellschaftliche Verantwortung spürt, [...] weiß, dass das neue Medium [Computer] als Wettbewerber so gut am Markt liegt, dass der Schule in ein paar Jahren kaum mehr die Aufgabe zufallen wird, mit seiner Bedienung vertraut zu machen. Der Computer ist daher weniger ein Gegenstand als ein Hilfsmittel des Lernens.
Die Nachfrage des Marktes nach Software-Spezialisten - ein großes Thema der deutschen Politik - wird sich nach den bekannten Marktmechanismen von selbst befriedigen. Wenn sie knapp sind, werden sie gut bezahlt werden. Wenn sie gut bezahlt werden, wird es sie alsbald geben. Dafür muss nicht die Struktur des Bildungswesens geändert werden.
Wenn demnächst alle Schulen in Deutschland am Netz sind, ist die Bildungsreform damit keineswegs abgeschlossen. Für einen klugen Modernisierer fängt sie dann eigentlich erst an. Welche Rolle sollen Computer und Internet in Schule und Hochschule spielen?
[...] Wenn die Menge des Wissens so gewaltig wächst und Vieles so schnell veraltet, wird es darauf ankommen, die Übersicht zu behalten, sich nicht vollzustopfen mit ephemerem Datenmüll. Da kommt es auf die Kunst der Unterscheidung an und auf eine gewisse gelassene Durchlässigkeit, auf die Kunst, auch wieder vergessen zu können.
Mit dem Computer Lernen lernen heißt freilich nicht nur, die richtige Suchmaschine im Computer in Bewegung zu setzen, es heißt auch, bestimmten Angeboten zu widerstehen
[...] Ein kluger Modernisierer hält viel von einer Pädagogik, die sich am Einzelnen und seiner Fähigkeit zur Selbstbestimmung sowie zur Einbindung in die Gemeinschaft orientiert. Wenn es ihr mit der Rede vom Subjekt und seiner Freiheit ernst ist, dann müsste sie Kompetenzen ausbilden helfen, welche die finale Souveränität aller Benutzer, einfacher gesagt, ihre Freiheit gegenüber dem Medium retten.
[...] [Ein kluger Modernisierer] würde sich vieles leisten, was nicht den unmittelbaren Ausweis der Nützlichkeit zeigen kann. Sein optimal gebildeter Mensch würde vielleicht Gedichte schreiben, künstlerisch aktiv sein, vielleicht würde er präkolumbianische Keramik sammeln oder Fotografien der fünfziger Jahre. Seine hohe politische Urteilsfähigkeit hinge mit seinen ansehnlichen Geschichtskenntnissen zusammen. Sein Lieblingskomponist wäre Archangelo Corelli. Er selbst spielte Saxophon - manchmal wie in alten Zeiten auf der Universität mit einigen Freunden.
Auf die Herausforderungen der Beschleunigung würde ein kluger Modernisierer gleichsam antizyklisch reagieren, weil er weiß, dass die Widerlager und Stabilisatoren unserer Kultur zum knappen Gut werden und daher kostbar. Wo sich vieles so rasch und rapide verändert, muss es einen harten Kern geben, der Identität verbürgt. Gerade damit wir den Beschleunigungsdruck aushalten können, dürfen wir uns nicht beschleunigungskonform verhalten. Das Wirtschaftsleben braucht gefestigte, charaktervolle Führungspersönlichkeiten. [...] Daher ist es ist es im wohlverstandenen Interesse der Wirtschaft, dass es ein öffentliches Bildungswesen gibt, das kompensatorisch wirkt, weil es nicht auf den Markt des Tages blicken muss. Das öffentliche Bildungswesen und die Wirtschaft können aber nur dann komplementär wirken, wenn sie nicht ineinander fließen. Hier gibt es eine sinnvolle Arbeitsteilung.
Eine Wirtschaft, die kurzfristig Geld verdienen muss, schafft es nicht, für all das zu sorgen, was sie langfristig braucht. Deswegen helfen die Schulen und Hochschulen dem Beschäftigungssystem dadurch, dass sie Bildungsinhalte ausweisen, die dem Gedächtnis, der kulturellen Identität und der Erinnerung dienen, die für Kontinuität sorgen. Das Sabbatparadox lehrt, dass Musik-, Kunst- und Literaturunterricht, ja dass im Spezialfall sogar Latein und Griechisch langfristig und aufs Ganze gesehen wegen ihrer übernützlichen Potenzen auch der Wirtschaft nützen. Vielleicht sogar mehr als die Einführung eines Schulfachs Wirtschaftskunde. Solche Sabbatinhalte, Sabbaträume und Sabbatzeiten brauchen wir in unseren Schulen. Sie sind Inseln der Reflexion und der Selbstentfaltung und machen den Horizont weit. Sie nützen langfristig auch dem Beschäftigungssystem. Aber sie nützen vor allem dem Leben.
Wenn wir als Antwort auf die neue Bedrohung durch einen ökonomistisch-funktionalistischen Totalitarismus neuer Art die monotheistische Sabbat-Tradition aufrufen, wenn wir erkennen, wie höchst aktuell die trans-funktionalistischen Kräfte des christlichen Erbes sind, dann sind wir keine anti-modernistischen Verächter der New Economy, dann zeigen wir vielmehr, dass wir, indem wir statt des Return on investment das Leben als oberstes Kriterium ansetzen, sogar für die Ökonomie übernützlich nützlich sind.
Doch lassen wir zum Schluss die Perspektive eines klugen Funktionalisten hinter uns. Es gibt ein Wissen, das mehr ist als das Wissen um-zu! Mir hat Kants Formulierung vom "interesselosen Wohlgefallen" immer großen Eindruck gemacht. In der Betrachtung der Dinge, der Natur, nicht um sie zu beherrschen, sondern um sich an ihnen zu erfreuen, spüre ich meine Verwandtschaft mit dem, der sie gemacht hat. [...]"


Margaret Wertheim:
Die Himmelstür zum Cyberspace; Von Dante zum Internet; Ammann

s. auch das Bild Vorwort:

"[...] Der Cyberspace ist nicht das Produkt irgendeines herkömmlichen theologischen Systems, dennoch ist sein Reiz für viele seiner Verfechter eindeutig religiöser Natur. Daß er keine offenkundig religiöse Konstruktion ist, ist sogar ein entscheidender Punkt zu seinen Gunsten, denn in diesem wissenschaftlichen Zeitalter sind viele Menschen von offenen Manifestationen herkömmlicher Formen von Religion unangenehm berührt. Der religiöse Reiz des Cyberspace liegt deshalb in eben diesem Paradox: Wir haben hier eine neue Verpackung des alten Gedankens vom Himmel, aber in einem säkularen, technologisch akzeptierten Format. Das vollkommene Reich warte auf uns, heißt es, nicht hinter der Himmelstür, sondern jenseits der Netz-Zugänge, hinter elektronischen Türen mit den Aufschriften ».com«, ».net« und ».edu«. [...]"

[Dabei ist "Religion" natürlich nur an diejenigen ein Vorwurf, die sich doch so sehr über sie erhaben fühlen:
"Dirac verkündigt uns: »Es gibt keinen Gott, und ich bin sein Prophet.«"
(Wolfgang Pauli)]