100 (e-i-n-h-u-n-d-e-r-t) Mathe-Didaktiker

   

Endlich mal ein Universitätsdidaktiker, der die Grenzen seiner Profession mitbenennt:

"Theorie ist nicht ideale Praxis, wie Studierende zuweilen glauben, und der [universitäre] Pädagoge oder Didaktiker ist auch nicht der Superlehrer, wie sie teils hoffen, teils in enttäuschter Hoffnung, ärgerlich bestreiten oder konstatieren, sondern er ist nur der, der mit ihnen über das Lehren und Lernen nachdenkt, und sie dadurch auf ihren Beruf vorbereitet. Viele – vielleicht die Mehrzahl – der Lehramtstudierenden erwarten an der Hochschule eher eine Lehrlingsausbildung für den Beruf Lehrer als eine akademische Bildung für diese Profession, und das ist dann auch ein Kern ihres Argwohns und zuweilen auch Wut gegen all das, was ihnen da als didaktisches oder pädagogisches, jedenfalls unnützes Gerede erscheint und erscheinen muss. Ich will bei Leibe keinen Schwätzer in Schutz nehmen, aber die universitäre Lehrerbildung lehrt nicht unterrichten, so sehr sich die Studierenden das auch erhoffen mögen oder uneingestanden erwarten."
(Thomas Jahnke)


"Wenn [...] Internetinstitute den gleichen Effekt auf das Internet haben wie Pädagogikinstitute auf die Bildung, dann gute Nacht."
(David Gelernter)

Ich weiß auch nicht recht, was mich geritten hat, als ich Ende 2007 meine Mathe-Internetseiten mittels eines "Flyers" allen Mathematik-FachdidaktikerInneN

(oder genauer: erstmal allen ProfessorInnEn darunter)

bekannt machen wollte.

Eine anfangs als kurz geplante Recherche uferte dann allerdings bald aus: ich habe genau 100 (e-i-n-h-u-n-d-e-r-t !!!) Professoren für Mathematik-Fachdidaktik in Deutschland gefunden

(und dann an diese die Flyer versandt),

und inzwischen weiß ich sogar noch einige, die ich übersehen habe.


Über die Zahl "100" war ich doch bass erstaunt: unglaublich, welchen "Luxus" sich unsere Gesellschaft leistet (und leisten kann)!

(Und wie viele FachdidaktikerInnen mag es dann noch für all die anderen Schulfächer geben!)

Dabei habe ich "Luxus" bewusst in Anführungszeichen geschrieben, weil ich das Nachdenken darüber, wie Mathe besser unterrichtet werden kann, keineswegs für Luxus halte.

Wie aber kommt´s, dass ich als durchaus interessierter Lehrer nur von ganz wenigen dieser Mathe-Didaktiker vorher etwas wusste?:

  1. fällt es offensichtlich auch ihnen nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen,

  2. sind sie ja nicht für "fertige" LehrerInnen wie mich da, sondern für angehende LehrerInnen im Studium.


Von den 100 angeschriebenen Fachdidaktikerinnen haben genau zwei (!) geantwortet:

"[...] werde demnächst mal wieder reinschauen.
Finde Ihre Seite interessant. Hätte auch schon eine Anmerkung zum Thema Binomialkoeffizient, werde aber wohl vor [...] Ende Februar 2009 kaum Zeit haben, mich ausführlicher schriftlich zu äußern.
 

Das ist doch (erstmal) arg nichtssagend.

"Natürlich bin ich schon immer wieder einmal auf Ihrer Seite »gelandet«, habe Vieles mit Gewinn gelesen - und bin beeindruckt von Ihrer Schaffensfreude, mein großer Respekt!
Leider bin ich auch regelmäßig dort »verlorengegangen«, und ich bedaure sehr, dass es (mir?) nicht möglich ist, gezielt auf eine bestimmte Seite zu verweisen - das wäre jedenfalls für meine Zwecke sinnvoll, damit ich z. B. meinen Studieren sagen könnte, wenn ihr jetzt etwas gerade zum Thema Anwendungsorientierung lesen wollt, dann solltet ihr auch die kritischen Worte unter ... anschauen.
Oder kenne ich mich mit den Tiefen Ihrer Website nicht genug aus? Dann bin ich für jeden diesbezüglichen Tipp sehr dankbar."

Auf die allemal berechtigte Kritik an der schweren Wiederfindbarkeit meiner Texte habe ich umgehend reagiert und für klare Hyperlinks gesorgt.

Und durchaus geehrt fühle ich mich durch

"[...] habe Vieles mit Gewinn gelesen - und bin beeindruckt von Ihrer Schaffensfreude, mein großer Respekt!"

(Ach, tut sowas gut!)

Ansonsten aber bin ich doch enttäuscht über die geringe Zahl der Rückmeldungen sowie darüber, dass nicht mal die  zwei Rückmeldungen  auf die (schwer zu findenden?) Grundideen meiner Internetseiten eingehen.

Die geringe Zahl der Rückmeldungen verunsichert mich doch allemal, und ich will da keineswegs voreilige Schlüsse draus ziehen ("alles Idioten").


Dass es in jedem Job smarte Mainstream-Nachbeter gibt (vgl.  ), ist ja wohl allzu selbstverständlich.

Sehr erstaunt war ich aber darüber, dass einige Mathe-Fachdidaktiker anscheinend nur für Kenntnisse über den Computereinsatz im Matheunterricht Profs geworden sind. Wie bitter arm - und Schnee von gestern!

Und nurmehr Verachtung habe ich für diejenigen Mathe-Fachdidaktiker übrig, die sich für "Qualität & Evaluation" (PISA, Lernstandserhebungen, Zentralabitur ...) hergeben bzw. darauf ihre Karriere aufbauen.

Überhaupt brauchen wir vor aller Methodik und allem Evaluations-Terror doch erstmal eine bessere (anschaulichere, interessantere ...) Mathematik.


Ich habe immerhin hautnahe Erfahrungen mit einem Mathe-Didaktiker: ein hochintelligenter Mann, der durchaus die Wirklichkeit an Schulen sieht und skeptisch-ironisch über all die derzeitige "Reformeritis" redet. Seine Vorträge vor kleinem Publikum sind lebendig und anschaulich, aber sobald er sich - etwa in neudeutsch "Evaluationen" - schriftlich äußert, ist alles nach allen Seiten hin wissenschaftlich abgesichert (d.h. zitiert er sich tot), und wenn er Großvorträge hält, sind diese - nochmals - ein einziges aufgemotztes .

Vielleicht ist es so, dass man sich im Laufe seiner universitären Karriere allzu sehr anpassen muss

(und zwar allemal dann, wenn man sich als "Gutachter" [insbesondere im Auftrag der "freien Wirtschaft"] Geld dazu verdienen muss [?])

- und ich als "Nur-Lehrer" enorme Freiheiten habe.