Angst vor Naturwissenschaft?

 

"Unsre Sehnsucht nennt man Wahn und Traum
Und das Herz, dies kleine Klümpchen Erde
Hat doch für die ganze Schöpfung Raum!"
(Annette von Droste-Hülshoff)

"Es ist ernüchternd, über all die metaphysischen und religiösen Überlegungen nachzudenken, die jahrhundertlang über die Dunkelheit des nächtlichen Himmels angestellt wurden, über die Sternbilder, mit denen er geschmückt ist, die Leere des Raums und unseren zufälligen Platz in ihm - einem bloßen Pünktchen in der gigantischen Anordnung aller Dinge. Die moderne Kosmologie zeigt, dass all dies kein Zufall ist, sondern Folge der eng verschlungenen Verhältnisse im Universum. Diese Eigenschaften sind in der Tat für jedes Universums notwendig, in dem lebende Beobachter hausen."
(John D. Barrow)

Angst vor Naturwissenschaft?

Aber nicht im mindesten!

Und um doch glatt mal wieder drauflos zu differenzieren: ich habe

(mir ist sogar der Schock der Quantentheorie fremd, obwohl sie mir mein mechanistisches Gehirn ausrenkt),

Von wegen Anwendungen: was machbar ist, wird auch gemacht (vgl. u.a. Anders: "Die Antiquiertheit des Menschen")! Und dann erfolgt irgendwann die hübsch brave, allerdings auch wirkungslose "Technologiefolgenabschätzung".

Aber zurück zu den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen: die beängstigen mich keineswegs, die finde ich überhaupt nur interessant, die erweitern andauernd mein Weltbild!

Ich war mal mit meiner Freundin im Planetarium in Münster. Und was hatten die Planetariumsleute anderes zu tun, als unsere Nichtigkeit im Weltall vorzuführen?!

Und natürlich hat sich meine Freundin hinterher gedemütigt gefühlt!

Ach Gott, was ist das (was die Planetariumsleute vorgeführt haben) für ein bitter armes Weltbild, ja, mehr noch: eine geradezu masochistische Verachtung ausgerechnet derselben Erkenntnisse, die sie gerade vorführen:

daß der Mensch nur ein Furz am Ende des Weltalls sei, nicht aber derjenige, der dieses Weltall immerhin halbwegs durchschaut hat!

Ich zumindest ging ganz anders aus dem Planetarium: mit stolzgeschwellter Brust.

Es gibt rein gar nichts im Weltall, was mich beängstigen könnte:

das Weltall ist grandios schön, und ich fühle mich in ihm

Bild :

Das einzige, was mich da schrecken könnte, ist, dass - wie Charles Seife angedeutet hat - der Mensch mit Quantenexperimenten Löcher ins Weltall reißen und es zum Einsturz bringen könnte. Und doch frage ich mich, ob Seife da nicht arg hoch greift.

Es ist doch ganz einfach: da ist der Mensch mit seinem "Arsch" an die Erde geklebt - und hat dennoch das halbe Weltall durchschaut.

(Eigentlich zu blöd, es noch zu erwähnen: die andere Hälfte - oder zumindest limitisch 90 % - wird er [und zwar aufgrund ganz grundsätzlich naturwissenschaftlicher Probleme, z.B. Heisenbergs Unschärferelation] niemals durchschauen, für Andacht bleibt also Platz genug.

Das ist es ja eben: den Vertretern der TOE [theory of everything], d.h. denen, die die Hoffnung, ja, Arroganz pflegen, nächstens alles erklären zu können, misstraue ich ja auch. Das sind für mich alles nur kleine Jungs, die ihre Spielzeugeisenbahn unter Kontrolle haben wollen. Da wurde es wirklich dringend Zeit für den Einspruch Dieter Hattrups in Bild . Hattrup ist glücklicherweise Theologe, aber auch gelernter Physiker und promovierter Mathematiker, also nicht so blöd, naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu leugnen. Vielmehr wendet er sie schlau gegen den Traum von [die Drohung mit?] der TOE.)

Naturwissenschaftliche Erklärungen sind für mich genauso wie Literaturanalysen: sie verändern allemal meinen Blick (lenken ihn vom "was" auf das "wie"); aber sie verringern für mich nicht im mindesten die Freude und Beeindruckbarkeit, sondern sie erhöhen sie sogar!

Es ist genau dasselbe wie beim Film "Psycho" von Hitchcock: den habe ich inzwischen ca. 20 Mal gesehen und mehrfach filmtechnisch analysiert. D.h., ich kenne so langsam ziemlich viele seiner Tricks.

Und doch: er erschreckt mich (obwohl ich alles vorher weiß) immer wieder, ja, um so mehr!


Und wenn dann 1994 der Komet Shoemaker-Levy mit unvorstellbarer Wucht in den Jupiter einschlug, so ist das für mich keineswegs beängstigend, male ich mir noch lange nicht den

auf der Erde aus, sondern habe ich einfach Spaß an diesem gigantischen Rums.


PS:
  • Ferien
  • Samstag
  • morgens um 5.30 h

Und wer arbeitet schon wieder bei Nacht und Wind? Ich, Deutschlands berächtigster Frühaufsteher.

In einer kleinen Pause schaue ich raus - und mich grüßt ein weiterer freundlicher Nachtarbeiter, nämlich Orion.

Es ist doch für mich nicht der mindeste Widerspruch,

  • mich ab und zu so durch Natur "gemeint" zu fühlen,
  • nicht im mindesten an Astrologie oder irgendeine äußere Wirkung der Sterne auf uns zu glauben (abgesehen von dem bisschen Gravitation, die die - verschieden weit entfernten - Sterne des Orion auf uns ausüben),
  • und dennoch nicht völlig ausschließen zu wollen, dass es da eine noch unbekannte Kraft gibt.

Das passt prächtig alles gleichzeitig in meinen Kopf.

PPS: Laut Amir D. Aczel in seinem Buch

Bild

irritiert es angeblich oder tatsächlich viele Menschen enorm (bis hin zu verzweifelter Gegenwehr oder aber Leugnung), dass laut neuester Theorie womöglich das Weltall ewig expandieren und dann (sogar die atomaren Bausteine) "zerbrückeln" wird. Dieses "Ende" scheint solchen Menschen erheblich trauriger als ein Rückfall in den Urknall (Big Crunch, und danach eventuell ein Neubeginn).

Ich staune zwar, dass solch weitreichende Theorien überhaupt möglich sind, aber ansonsten lässt es mich doch völlig kalt, ob in einigen milliarden Jahren (die für mich eh unvorstellbar sind) alles im kosmischen Wärmetod enden oder kurz vorher die Sonne explodieren und dabei die Erde hinweg raffen wird: Nach mir die Sintflut!