Anknüpfungspunkte einer einzigen Unterrichtsstunde


(Bildquelle: www.pixelio.de)

  1. "offizielles" Thema der Stunde:
  1. "inoffizielle" Themen der Stunde:
  1. im Unterricht erwähnte Anknüpfungspunkte:

(inkl. Irrationalität der Diagonale und angeblicher Hinrichtung von deren Entdecker),

Dabei sei frischweg eingestanden, dass fast alle "Anknüpfungspunkte" von mir, also dem Lehrer, eingebracht wurden, und das war nicht geplant, sondern ergab sich so

(guter Unterricht ist nicht [ausschließlich] planbar, sondern will [auch] situativ gemeistert werden, was u.a. heißt, dass man spontan Inhalte und Methoden aus einem großen Fundus abrufen kann).

  1. Von SchülerInneN für die nächste Stunde übernommene "Referätchen":

Mathematikunterricht muss also keineswegs
immer nur stumpfes Rechnen "am Buch entlang" sein!

(Manchmal ist stumpfes Üben allerdings unvermeidbar und notwendig!)


Es gibt aber auch Anknüpfungspunkte, an denen angeknüpft werden MUSS.

Ein Beispiel ist da folgende Aufgabe aus einem 5.-Klasse-Buch:

(Nebenbei: die Teilaufgabe "Suche fünf weitere Seen und ordne sie ein." von a) lasse ich im Folgenden mal unerwähnt.)

Die Aufgabe taucht im Kapitel "Darstellen und Ordnen natürlicher Zahlen" auf, und in den meisten Aufgaben vorher und nachher geht es um das Ordnen abstrakter natürlicher Zahlen

(also ohne irgendeinen außermathematischen "Anwendungsbezug").

Eine erste Möglichkeit ist nun, dass die "Seen-Aufgabe" doch wieder bloß - wie oftmals üblich - "eingekleidete" Mathematik ist, also so etwa nach dem Motto:

"Liebe SchülerInnen, wir haben in dieser Aufgabe aus purer Bosheit das einzig Wichtige, nämlich die Zahlen, ein bisschen [zwischen Seen- und Ländernamen sowie der Flächenmaßeinheit "km2"] versteckt und wollen mal rausbekommen, ob ihr euch dadurch irritieren lasst oder einfach das ganze Beiwerk vergesst und nur die nackten Zahlen rausdestilliert und dann nach ihrer Größe ordnet."

(Entlarvend scheint mir da ein wenig das mit abgedruckte Bild: ein nettes Seeufer an einem vermutlich schnuckeligen kleinen See [zumindest ist kein wirklich großer See sichtbar] - und damit das glatte Gegenteil der ansonsten genannten riesigen Seen.

Dennoch liegt es mir fern, den Autoren des Buchs die genannte "pure Bosheit" zu unterstellen, sondern ich unterstelle ihnen im Gegenteil gerne, dass sie die Aufgabe tatsächlich als echte Anwendungsaufgabe gemeint haben - was allerdings viele LehrerInnen dennoch nicht davon abhalten wird, sie doch wieder nur als "eingekleidete" Aufgabe zu verwenden.)

Und in der Tat haben sich einige SchülerInnen "meiner" 5. Klasse irritieren lassen, allerdings nicht durch die Seen- und Ländernamen, sondern durch das für sie kryptische "km2".

Oder sie haben das einzig Wahre getan und nach dem Sinn des Beiwerks gefragt bzw. es einfach "ernst" genommen.

Könnte die Aufgabe nämlich - als zweite, bessere Möglichkeit - gerade nicht "eingekleidete" Mathematik sein, sondern gezielt über sie hinaus gehen wollen? Könnte ihr Sinn also darin bestehen, eben nicht mehr nur abstrakte Zahlen anzuordnen, sondern eine Vorstellung von ihrer Größenordnung zu bekommen?

Anders gefragt: sind die Teilaufgabe b) "größter See Deutschlands" und c) "See in eigener Stadt" nur Beschäftigungstherapie, oder sollen da (halbwegs) anschauliche Vergleichsmöglichkeiten für die in a) genannten, erheblich größeren Seen etabliert werden?

Es scheint mir nur zwei seriöse Möglichkeiten zu geben:

  1. : man ist ehrlich und lässt die Seen- und Ländernamen sowie das "km2" weg und lässt einfach abstrakte Zahlen ordnen,

  2. :

Man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass solch ein "kleiner" geografischer Exkurs mindestens eine Schulstunde beansprucht. Und wenn man die 5.-Klässler (wie es ja in b) und c) geschieht) bittet, sich mal selbst zu informieren, so wollen alle hinterher auch ihre Erkenntnisse loswerden und gehen dafür dann mindestens zwei Schulstunden - wie entlarvend ausgedrückt: -  "drauf".

Man wird sich also beim gegebenen Stoff- und Klausurdruck fragen müssen, ob man sich solch lange Exkurse überhaupt (noch) leisten kann.

Noch problematischer ist die auf den ersten Blick unscheinbare Aufgabe c), also "Gibt es in deiner Stadt einen See? Wie groß ist er?"

Nun hat die Stadt Ahlen, in der "meine" Schule liegt, den Vorteil, dass es zwar (meines Wissens) keinen erwähnenswerten See, wohl aber einen großen Teich in der sogenannten "Langst" gibt - und dass dieser rechteckig ist, die Flächenberechnung also kaum Probleme bereiten dürfte (?).

Was aber, wenn der heimische See unregelmäßig geformt und nirgends nachlesbar ist, wie groß er ist; wenn also die SchülerInnen selbst messen oder zumindest doch rechnen müssten?

Waren die Autoren des Buchs sich der durchaus komplexen Konsequenzen dieser Aufgabe überhaupt bewusst?

Bei einem unregelmäßig geformten See ist doch wohl jedeR 5.-KlässlerIn durch die Aufgabe c) völlig überfordert. Das aber heißt doch:

(und die meisten MathelehrerInnen werden sie wohl sowieso weglassen),

Wenn man aber Letzteres auch nur ansatzweise im Unterricht durchnehmen will, geht dafür nochmals mindestens eine Schulstunde "drauf".

Und die SchülerInnen würden mit der "Integrations-Propädeutik"

(falls sie ihnen überhaupt schon zumutbar ist - was ich allerdings durchaus glaube)

bereits in der 5. Klasse etwas mathematisch enorm Wichtiges lernen - aber (zumindest "stofflich" gesehen) nichts, was im Lehrplan steht.