die meisten Brüche sind unanschaulich

 

Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mir hier

(wie etwa auch in Bild )

scheinbar ein Eigentor schieße: ausgerechnet ich, der ich doch Bild zum "Markenzeichen" gemacht habe, konstatiere Unanschaulichkeit.

Dabei geht es mir doch nur darum, die Grenzen der Anschaulichkeit abzustecken, und das heißt:

  1. zwar immer wieder zu fragen, ob etwas nicht doch anschaulich gemacht werden kann,

  2. aber keine überflüssige Mühe auf das prinzipiell (?) Unanschauliche zu verwenden.


"Der" Mensch kann sich anscheinend fast nur ganze Zahlen vorstellen

(und nebenbei auch nur mit ihnen rechnen, denn sämtliche Bruchrechenregeln laufen ja darauf hinaus, Bruchrechnungen auf das Rechnen mit ganzen Zahlen zurückzuführen).

Wir haben keine Schwierigkeiten mit "- 70 0 C" und ebenso wenig mit "er verdient 2438 € im Monat". Schwierig wird´s höchstens bei sehr großen ganzen Zahlen:

  1. "Bill Gates ist nicht mehr der reichste Mann der Welt. Er musste diesen Titel an Robson Walton, den Besitzer der Wal-Mart-Kette, abtreten. Das geht aus der neuesten Sunday Times-Liste der reichsten Männer der Welt hervor.
    Die Liste mit den reichsten Männern der Welt wird jedes Jahr aktualisiert. Drei Jahre lang hatte Bill Gates den Titel innegehabt. Im Jahr 2000 hatte er noch ein Vermögen von circa 166 Milliarden Mark besessen. Doch der Kurssturz der Aktien ließ den Reichtum des Microsoft-Gründers auf rund 125 Milliarden Mark sinken. (Ergänzung: Bereits von Mitte 1999 bis Juni 2000 schrumpfte Gates' Vermögen um über 40 Milliarden Dollar.) Robson Walton konnte im Januar diesen Jahres 150 Milliarden sein eigen nennen und zog damit an Gates vorbei."
    (zitiert nach Bild )

    Für Bill Gates sind die Vermögensverluste doch "peanuts", und mir würden zum Leben allemal die Zinsen nur seiner Verluste reichen.
     

  2. "Unter Verwendung der Theorie des inflationären Universums wird die Anzahl der Teilchen im beobachtbaren Universum zwischen 4·1078 und 6·1079 geschätzt."
    (zitiert nach Bild )

    Da ist es mir herzhaft egal

    (womit ich ja nicht bezweifle, dass es wissenschaftlich von Interesse sein mag),

    ob es vier mal 1078 oder sechs mal 6·1079 Teilchen sind, ja sogar die Exponenten (und der Unterschied zwischen ihnen) sind mir schnuppe: Ich kann´s mir eh nicht vorstellen.

Wenn ich oben sagte, "der" Mensch könne sich anscheinend fast nur ganze Zahlen vorstellen, so war mit dem "fast" natürlich schon eine kleine Lücke angedeutet worden:

äußerst simple Brüche wie z.B. 3/4 (also Bild) machen uns wohl - zumindest nach einiger Gewöhnung - keinerlei Schwierigkeiten.

Aber schon wenn die Zahlen im Zähler und Nenner ein wenig größer werden, also z.B. bei 7/9, verlässt zumindest mich jede direkte Anschauung:

(nebenbei: wann passiert das jemals?),

so weiß ich nur, dass jeder ein bisschen weniger als einen Kuchen bekommt

(es sind halt ein bisschen weniger Kuchen als Leute da).

Was mir allerdings keinerlei Schwierigkeiten (auch bei komplexeren Brüchen) macht, ist eine schnelle Überschlagsrechnung: 7/9 6/8 = 3/4, d.h. jeder erhält etwa den blauen Anteil: Bild .

Bild

Entscheidend dabei scheint mir, was oben nur nebenbei eingeschoben wurde:

  1. "wenn 7 Kuchen an 9 Leute verteilt werden

    (nebenbei: wann passiert das jemals?)",

  2. "Was mir allerdings keinerlei Schwierigkeiten [...] macht, ist eine schnelle Überschlagsrechnung [...]"

Zu 1.:

Könnte es sein, dass wir kompliziertere Brüche nicht nur im "normalen Leben" niemals brauchen, sondern dass wir (deshalb) auch "evolutionär" nicht auf sie vorbereitet sind?

Zu 2.:

Noch schwieriger wird´s bei Brüchen, die größer als 1 sind

(bzw. bei denen der Zähler größer als der Nenner ist),

also z.B. bei 9/7 .

Die erste Näherung ist da "ein bisschen größer als 1"

(es sind halt ein bisschen mehr Kuchen als Leute da),

und deshalb scheint mir, dass die "gemischten Zahlen"

(die im Unterricht [zu Unrecht?] immer nach den "richtigen" Brüchen kommen und bei denen systematisch das Wichtigste, nämlich die Näherung, übersehen wird),

viel naheliegender sind:

9/7 = 1 2/7 = 1 + 2/7 = 1 + vernachlässigbar

Das einzig Wichtige an (fast allen) Brüchen

(soweit Brüche - und das setze ich hier mal ungeprüft voraus - überhaupt wichtig sind)

ist also, dass man

  • sie grob abschätzen

(auf ganze Zahlen bzw. simple, anschauliche Brüche "zurückführen")

  • und ansonsten stumpf (ohne Anschauung) mit ihnen rechnen

kann.

Vgl. auch Bild .