Bücher des Monats 2/2006

Ryszard Kapuściński: Meine Reisen mit Herodot; Eichborn

Das ist kein (gar - igitt! - historischer) Roman, sondern ein Sachbuch bzw. eine moderne Reisebeschreibung. Um so mehr gilt: was

(2500 Jahre nach Herodot)

für ein Titel! Das Buch konnte ich unmöglich in der Buchhandlung liegen lassen.

"Indien war meine erste Begegnung mit der Andersartigkeit, die Entdeckung einer neuen Welt. Diese außergewöhnliche, faszinierende Begegnung war gleichzeitig eine wichtige Lektion der Demut. Ja, die Welt lehrt einen Demut. Denn ich kehrte von dieser Reise zurück, beschämt über mein Unwissen, meine mangelnde Belesenheit, meine Ignoranz. Ich hatte mich davon überzeugen können, daß uns eine andere Kultur ihre Geheimnisse nicht auf ein Fingerschnippen hin enthüllt, sondern daß wir uns auf die Begegnung mit ihr lange und gründlich vorbereiten müssen.
[...]
Aber natürlich behielt ich Indien in Erinnerung. Je beißender der Frost war, um so lieber dachte ich zurück an das heiße Kerala, je rascher die Dämmerung hereinbrach, um so deutlicher erschien mir das Bild des berauschenden Sonnenuntergangs in Kaschmir. Die Welt war nicht mehr einheitlich eisig und schneebedeckt, sondern verdoppelt, differenziert: sie war gleichzeitig eisig und heiß, schneeweiß, jedoch auch grün und voller Blumen."

Edmund S. Morgan: Benjamin Franklin; Eine Biographie; Beck

"Benjamin Franklin ist eine der außergewöhnlichsten Gestalten der amerikanischen Geschichte. Der Reichtum seiner Talente würde leicht mehrere Leben ausfüllen: ein großer Staatsmann, ein bedeutender Wissenschaftler und genialer Erfinder, Bestsellerautor, erster Generalpostmeister der Vereinigten Staaten, Drucker, Bonvivant, Liebling der Frauen, Diplomat und Moralist."
(zitiert nach )

"Begeistert von den naturwissenschaftlichen Entdeckungen seiner Zeit, bedauerte Benjamin Franklin gelegentlich, dass er zu früh geboren worden sei. «Das Glück zu wissen, was man in hundert Jahren wissen wird», war ihm nicht vergönnt. In jener Zukunft werde es «Entdeckungen [geben], von denen wir uns heute noch keine Vorstellung machen». Darin hatte er Recht. Andererseits dürfen wir Heutigen einem gewissen Bedauern darüber Raum geben, dass wir zu spät geboren wurden, um ihn noch persönlich erlebt zu haben. Wir werden nie der Wärme seines Lächelns, des Klangs seiner Stimme, der kleinen Gesten, der Ausstrahlung seiner Persönlichkeit teilhaftig sein, die alle Menschen, wo er auch weilte, in seinen Bann zogen."
(Buchanfang - und was für einer!; farbliche Hervorhebung von mir, H.St.)

Mein Interesse wie auch meine Empfehlung gilt allerdings eher dem "Gegenstand" des Buchs, also Benjamin Franklin, als dem Buch selbst, das doch teilweise sehr zähflüssig mit vielen Wiederholungen geschrieben ist.

Zudem kommt mir im Buch bei aller durchaus wichtigen politischen Tätigkeit Franklins doch der Naturwissenschaftler in ihm zu kurz

(der doch auch wichtig für seine politische Tätigkeit war, da er dafür berühmt war und ihm dies, wie auch seine Charaktereigenschaften, viele Türen öffnete).