der Verlauf der Erdgeschichte oder

Gleich vorweg: solch einen spitzendämlichen, so neckisch doppeldeutig mit dem sexuellen Klischee kokettierenden Spruch wie eben hätte ich niemals zu verwenden gewagt - wenn er nicht von einer Frau (eben Ina Deter) benutzt worden wäre

(wodurch er allerdings auch nicht besser wird).


Worum es mir hier geht, das ist ein eher zufälliger (und vielleicht auch nebensächlicher) Anlass dafür,

dass mitten in unmathematischen Zusammenhängen eben doch öfters mathematische Fragestellungen in mir aufkommen bzw. ich ein mathematisches déjà-vu-Erlebnis habe.


Der konkrete Anlass:

in dem überhaupt rabiat wichtigen Buch taucht auf S. 69 folgende Grafik über die erdgeschichtlichen Zeitalter auf:

(Kurz eingefügt sei, dass 4500 Mio. bzw. 4,5 Milliarden Jahre das vermutliche Gesamtalter der Erde seit ihrer Entstehung ist.)

Im Prinzip war mir das "nichts Neues unter der Sonne"

(die Erd-Zeitalter habe ich schon in der Schule gelernt und weitgehend bis heute nicht vergessen),

nur stellten sich mir urplötzlich einige Fragen:

  1. Sind die verschiedenen Zeitalter eigentlich derart klar trennbar, wie die Grafik es suggeriert?

(Ein Parallelbeispiel aus der Literatur: die literarische Epoche der Romantik fing ja wohl kaum pünktlich am 1. Januar 1790 um null Uhr an und endete auch nicht pünktlich am 31. Dezember 1810 um 24 Uhr, sondern es gab Vorläufer und Epigonen [Eichendorff war keiner!] und überhaupt - wie immer - viel "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen".)

  1. Sind die Daten eigentlich genau zu nehmen oder schwanken sie

(insbesondere bei größeren historischen Distanzen)

um plus/minus einige zig millionen Jahre?

Und wie eigentlich hat man insbesondere die großen Zeit-Distanzen herausgefunden?

  1. Wie kommt es eigentlich, dass in der dunkelgrau unterlegten rechten Spalte alle Zeitalter "gleich hoch" sind, obwohl sie doch offensichtlich (wie die Zeitskala rechts zeigt) sehr unterschiedlich lang waren?

  2. und aus 3. folgend: insgesamt fällt an der rechten Zeitskala ja allemal auf, dass die Abstände (zumindest im Schnitt) erheblich länger ausfallen, je weiter man in die Vergangenheit zurück geht:

(wobei es allerdings anscheinend noch nicht beendet ist),

Dieie Skala ist also nach unten hin immer weiter gestaucht, d.h. zunehmend größere Zeiträume nehmen dennoch immer denselben Platz ein.

Und da kann ich nunmal nicht hinter mein mathematisches Vorwissen zurück und will es deshalb hier auch nicht ganz verschweigen

(etwa, um dann pädagogisch dahin zu führen):

die Skala riecht gefährlich danach, dass sie logarithmisch angeordnet ist.

(So ganz nebenbei haben wir mit der folgenden Erkenntnis ein Musterbeispiel für das, was man in Anlehnung an "die [für mich geradezu typische] allmählige Verfertigung der Gedanken beim Schreiben" nennen könnte: die folgende Erkenntnis war wahrhaft nicht geplant und somit auch nicht vor dem Schreiben da, sondern ist mir erst beim Schreiben und der Beschäftigung mit dem hier vorliegenden, ansonsten vielleicht nebensächlichen Thema gekommen, und sie bringt - sogar mich selbst überwältigend - auf den Punkt, was ich schon immer "irgendwie" gedacht habe, mir aber noch nie so klar geworden ist:)

Hier aber haben wir nun tatsächlich mal die Bedeutung der Mathematik fürs "Leben":

  • zwar braucht man den Logarithmus wahrhaft nicht zwingend, um die Stauchung der Zeitskala zu bemerken,

  • aber wenn man ihn kennt

(oder genauer: seine grundsätzliche Funktionsfähigkeit, also nichtmal detaillierte Rechnungen mit ihm oder komplizierte Logarithmengesetze),

  • erkennt (diagnostiziert) man die Stauchung wegen des geübten Auges doch viel leichter

(etwa so, wie man bei der Analyse von Gedichten nicht unbedingt den Fachbegriff "Metapher" braucht, solche Metaphern aber doch viel leichter erkennt, wenn man weiß, worauf sich zu achten lohnt),

  • und kann man die Bedeutung (s.u.) dieser Stauchung

(oder genau umgekehrt: der in grauer Vorzeit zunehmend längeren Zeiträume)

viel besser verstehen

(etwa so, wie es bei Gedichten natürlich nicht reicht, wenn man einfach nur das Vorhandensein von Metaphern feststellt, aber, wenn man sie erstmal gefunden hat, doch viel besser [eindrücklicher!] ihre Wirkungsweise erfassen kann).

Man muss also im alltäglichen Leben wahrhaft nicht rechnen können

(man braucht - entgegen allen Klischees von mathematischer "Bildung" - nichtmal die Prozentrechnung und den "Dreisatz"!),

aber ein mathematisch vorgebildeter Verstand erkennt eben doch viel leichter oder sogar überhaupt erst gewisse Strukturen der Wirklichkeit - und kann sie besser interpretieren.

Ich aber finde sogar die Frage interessant, ob der Verlauf der Erdentwicklung nicht bloß "irgendwie", sondern sonder sogar halbwegs logarithmisch gestaucht ist, ob die Erdentwicklung - wie überhaupt die Natur so oft - uns also (zufällig?) den Gefallen tut, mathematisch zu funktionieren.

Allemal am einfachsten zu beantworten ist die dritte Frage, d.h.

wie es eigentlich kommt, dass in der dunkelgrau unterlegten rechten Spalte alle Zeitalter "gleich hoch" sind, obwohl sie doch offensichtlich (wie die Zeitskala rechts zeigt) sehr unterschiedlich lang waren.

Da bin ich schlichtweg auf die Suggestivität der Grafik reingefallen: der Autor hat einfach alle "Zeitalterhöhen" gleich gemacht, also völlig unabhängig davon, wie lang die Zeitalter wirklich waren. Er hat unabhängig von jeder Wirklichkeit einfach nur rein graphisch für gleiche Höhen gesorgt.

Das aber hat Vor- und Nachteile:

(kurze Zeiträume [z.B. das Holozän] schmal, lange Zeiträume [z.B. das Katarchaikum] breit)

einzeichnen, so müsste das etwa folgendermaßen aussehen:

(schon zu groß für ein Buch, aber einfach zu rechnen)

mit 45 cm an, womit 1 cm einem Zeitraum von 100 Millionen = 100.000.000.000 Jahren entspräche;

 Zur 1. Frage, also

"Sind die verschiedenen Zeitalter eigentlich derart klar trennbar, wie die Grafik es suggeriert?"

Im Umkreis der Evolutionstheorie gab es im 19. Jahrhundert eine Debatte, in der heftig darüber gestritten wurde, ob die Erdgeschichte insgesamt "ruckartig" (so die Denkschule des "Katastrophismus") oder doch eher gleichförmig (so die Denkschule des  "Aktualismus") verlaufen sei

(wichtig war das im Hinblick darauf, ob die Evolution unter ähnlichen Umstände [und sehr langfristig] ablief wie heute; ob man also, wenn das so war, damals fast unvorstellbar lange Zeiten voraussetzen müsste).

Und diese Debatte wurde meiner Erinnerung nach zugunsten jener entschieden, die eine alles in allem langfristig-gleichförmige Entwicklung unterstellten.

Das Buch bzw. sein Autor antwortet auf meine Frage aber dennoch anders:

"Hätte sich das Leben in gleichmäßigem Tempo entwickelt und keine Rückschläge oder Phasen außergewöhnlicher Chancenvielfalt erlebt, wäre es nicht so einfach, die geologischen Schichten zu unterscheiden. Doch diese Abschnitte der geologischen Zeitskala lassen sich auseinander halten, weil es zu dem kam, was Geologen »faunale Umschichtung« nennen – kurzen Phasen, in denen Spezies plötzlich neu auftauchten oder verschwanden. Wir können uns diese Episoden als Zeitpassagen vorstellen, als Momente, in denen ein Zeitalter – und oft ein Klima – dem nächsten Platz machte.
Es gibt nur drei Typen von Veränderung, die stark genug sind, um eine Zeitpassage einzuleiten: erstens die Verschiebung von Kontinenten, zweitens kosmische Kollisionen und drittens das Klima verändernde Kräfte wie beispielsweise Treibhausgase. Alle funktionieren auf unterschiedliche Weise, aber sie treiben die Evolution mit denselben Mechanismen voran – Tod und neue Chancen.
Zeitpassagen gibt es in drei »Größen« – kleine, mittlere und große. Die Kleinsten sind jene, die kurze und lokal begrenzte Zeitabschnitte eröffnen, für die die »nordamerikanischen Landsäuger-Zeiten« ein gutes Beispiel sind. Häufig ist die treibende Kraft hinter solchen Zeitpassagen die Migration; zu einer solchen kommt es beispielsweise, wenn Kontinente in Kontakt miteinander geraten, etwa weil sie aneinander stoßen oder weil sich Landbrücken eröffnen, wenn der Meeresspiegel steigt oder fällt oder die Erde sich erwärmt oder abkühlt, was Tieren und Pflanzen die Migration ermöglicht. In solchen Fällen sind die Zeitpassagen von einem plötzlichen Auftauchen neuer Spezies und oft dem Aussterben lokaler Konkurrenten geprägt.
Die mittelgroßen Zeitpassagen – die die geologischen Systeme oder Formationen trennen – zeigen sich im globalen Maßstab und resultieren üblicherweise aus Faktoren wie etwa Treibhausgasen, die sich weltweit auswirken. In solchen Fällen findet man in den Gesteinsschichten fast immer eine traurige Geschichte des Aussterbens, dem die allmähliche Evolution neuer Lebensformen folgt, welche sich den veränderten Verhältnissen anpassen.
Die größten Zeitpassagen jedoch sind die, die die Erdzeitalter unterteilen. Es sind Phasen massiven Umsturzes, in denen bis zu 95 Prozent aller Spezies verschwinden. Unser Planet hat ein solches Massensterben bislang erst fünf Mal erlebt, und die Gründe dafür waren unterschiedlich. Das letzte Mal traf ein solches Ereignis die Erde vor 65 Millionen Jahren, als alle Lebewesen, die mehr als 35 Kilogramm wogen, und eine ungeheure Zahl kleinerer Arten vernichtet wurden. Damals verschwanden die Dinosaurier, und als Grund dafür nimmt man allgemein an, dass ein Asteroid mit der Erde kollidierte. Aber jener Asteroid verwüstete nur einen Teil des Planeten, hauptsächlich Nordamerika und Nordostasien. Erst dass dabei viel Material in die Atmosphäre gelangte und sich infolgedessen das Klima änderte, führte zum großen globalen Artensterben. Wir können uns also eine Vorstellung davon machen, wie ein durch Verschmutzung der Atmosphäre verursachter sprunghafter Klimawandel zu einem solchen Massensterben führt; und wie sich herausgestellt hat, spielte CO2 bei dem damaligen Ereignis eine wichtige Rolle."
(S. 69f)

Zwar ist meiner Erinnerung nach der Asteorideneinschlag als Erklärung für das Dinosauriersterben inzwischen doch wieder umstritten, aber das beeinträchtigt ja nicht die Grundaussage, dass - als Antwort auf meine Frage - die verschiedenen Erdzeitalter sehr wohl ziemlich klar voneinander abgrenzbar sind.

(Wie so oft bei neuesten wissenschaftlichen "Erkenntnissen": ich glaube das mal so, kann es aber nicht wirklich beurteilen - und wette fast, dass es auch Wissenschaftler gibt, die es bezweifeln.)

Damit ist aber auch schon fast meine

dritte Frage beantwortet, nämlich

"Sind die Daten eigentlich genau zu nehmen oder schwanken sie

(insbesondere bei größeren historischen Distanzen)

um plus/minus einige zig millionen Jahre?

Und wie eigentlich hat man insbesondere die großen Zeit-Distanzen herausgefunden?"

Wenn die Erdzeitalter relativ klar voneinander abtrennbar sind, wird es wohl auch möglich sein, sie halbwegs zeitlich genau voneinander abzutrennen.

Ein Hinweis darauf, dass erstaunliche Genauigkeit möglich ist, besteht auch darin, dass die Daten teilweise enorm exakt sind (z.B. 544 Mio.; wobei natürlich die Unschärfe noch immer ca. eine Millionen beträgt, was aber doch ein sehr geringer Fehler [unter 0,2 %] im Hinblick auf den Gesamtwert 544 Mio. ist).

Dennoch: wie man das für die relativ junge Vergangenheit macht, ist beim Lesen des Buch noch anhand von Baum-Jahresringen und Eisbohrkernen klar geworden. Für längere/ältere Zeiträume scheint es aber immerhin die Bestimmung anhand des C14-Verfalls zu geben (?).

Überhaupt staune ich über die ungeheure Raffinesse, mit der die Forscher "sowas" herausfinden - und den erstaunlichen Informationsgehalt z.B. eines popeligen Eisbohrkerns! Da wird das Unspektakuläre dann doch enorm spannend

(vgl. ).


Damit aber zu meinem Hauptthema, also der vierten, hier verknappten Frage:

Ist der Verlauf der Erdgeschichte (halbwegs) "logarithmisch", und wenn ja, was besagt das eigentlich, d.h. welchen Mehrwert hat diese Erkenntnis (wenn überhaupt)?

Zur Beantwortung des ersten Teils dieser Frage nagen wir die Grafik (vorläufig)!) bis auf die mathematischen Knochen (die Zeitskala rechts) ab und drehen sie zudem - wie in der Mathematik üblich - in die Horizontale:

Zu allererst sei sicherheitshalber

(sonst brauche ich gar nicht mehr auf "logarithmisch" zu überprüfen)

nachgeschaut, ob überhaupt mein erster Eindruck stimmt, dass nämlich die Skala nach rechts hin

(also in der entferntereb Vergangenheit)

zunehmend gestaucht ist, ob also die Zeitabstände zwischen den Strichen, die ja immer gleichen räumlichen Abstand haben, zunehmen.

Dazu schreibe ich die Differenzen bzw. Differenzen zwischen die jeweiligen Zahlen:

Dieses Ergebnis ist für mich enorm frustrierend

(wie konnte ich mit meiner ersten Einschätzung "zunehmend gestaucht" derart daneben liegen?).

'Denn "zunehmend gestaucht" heißt doch wohl, dass jede (weiter rechts liegende) Differenz größer als die vorherige sein müsste, was aber tatsächlich nur in den grün markierten Fällen, nicht aber in den rot markierten Fällen der Fall ist. Ich lag also - ein vernichtendes Urteil - nur in 9 Fällen richtig und in 11 Fällen falsch.

(Inzwischen frage ich mich sogar, ob

Noch fataler wird der Eindruck, wenn man als Definition von "zunehmend gestaucht" aufstellt: jede (weiter rechts liegende) Differenz muss größer als sämtliche vorherigen (weiter links liegenden) Differenzen sein:

Dann habe ich nur noch in 7 Fällen (und vor allem ganz links in der Skala, also in der jüngeren Vergangenheit ) richtig und in 13 Fällen falsch gelegen.

(Nebenbei: "größer als" deutet noch lange nicht auf - s.u. - exponentielles Wachstum hin, sondern kann auch "nur" lineares bedeuten.)

Man könnte auch sagen: die Erdgeschichte (Natur) hat sich - wider Erwarten - nicht bequemt, sich nach meinen vorgefassten mathematischen Anschauungen zu verhalten.

(Es sei kurz eingeschoben, dass ich vor dem Schreiben dieses Essays nichtmal geahnt habe, dass ich mit meinem ersten Ansatz derart "auf die Schnauze fallen" würde. Und ebenso wenig hatte ich vorher schon an den folgenden Versuch eines Auswegs gedacht. Vgl. oben "die allmählige Verfertigung der Gedanken beim Schreiben".)


Einen Tag später und inzwischen nach dem ersten Schock doch wieder handlungsfähig, möchte ich noch eine mathematische Rettung meiner Theorie ausprobieren

(auf die Gefahr hin, dabei die ursprüngliche Ausgangsproblem so lange zu verfälschen bzw. so sehr aus den Augen zu verlieren, bis nur noch bzw. immerhin die Mathematik mich bestätigt).

Bzw. so leicht gebe ich nun auch wieder nicht auf!

Deshalb notiere ich die gegebenen Zahlen zuerst mal anders:

(... wobei die y in Millionen gemessen sind).

x 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
y     0,08 1,8 5,3 23,8 33,7 55,5 65 145 213 258 286 360 410 440 505 544 2500 3800 4500

Und über diese Tabelle lasse ich nun eine "Regression" laufen. Dabei sei hier nicht detailliert erklärt, nach welchem exakten mathematischen Verfahren solch eine Regression berechnet wird, sondern nur Folgendes erwähnt: bei der "Regression" wird versucht, eine halbwegs harmonische Ideallinie zu finden, von der die zu kleinen und die zu großen Werte (die groben "Ausreißer") etwa gleichweit abweichen.

(Das ist durchaus der Ideallinie --- beim Autofahren vergleichbar, bei der man ja auch versucht,  allzu scharfe Kurven abzumildern, indem man sich nicht sklavisch an die vorgeschriebene rechte Spur hält.)

Es sei gleich hinzugefügt, dass es verschiedene Regressionsverfahren gibt - und man also auch da mogeln kann: man wählt halt das Verfahren, das (wenn es das überhaupt gibt) am ehesten die eigenen Vorurteile bestätigt.

Dazu gebe ich die Tabelle

x 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
y     0,08 1,8 5,3 23,8 33,7 55,5 65 145 213 258 286 360 410 440 505 544 2500 3800 4500

in ein fertig vorgegebenes Programm ein und erhalte:

Dabei

Mein erster Eindruck, nachdem die Regressionslinie von dem Programm angezeigt wurde, war schlichtes Staunen über die Leistungsfähigkeit solcher (computergestützter) Regressionsverfahren.

Und erst in einem zweiten Schritt war ich

(obwohl ich doch in dem Computerprogramm das erstbeste Regressionsverfahren gewählt hatte)

sehr erleichtert, bestätigte sich nämlich meine anfängliche Vermutung jetzt eben (glücklicherweise!) DOCH

(ich hatte, inzwischen kleinlaut geworden, eher damit gerechnet, dass auch die [alle] Regressionsverfahren mich widerlegen würden):

die Regressionslinie sieht typisch exponentiell aus, d.h. der Gesamttrend besagt: je weiter eine erdgeschichtliche Epoche in der Vergangenheit liegt, desto länger war sie zeitlich.

Um aber ein exponentielles Wachstum wie in der obigen Graphik auf eine einheitliche Skala mit gleichen Abständen zu bringen, muss man eben eine logarithmische Skala verwenden!

Hurra, die Skala in dem Buch ist also eben doch (grob angenähert) logarithmisch gestaucht!!!

Nun gestehe ich allerdings gerne ein, dass die "realen" Punkte auch eine andere Deutung zulassen oder gar nahelegen:

dass nämlich (von unserer Gegenwart bzw. links aus gesehen)

Aber was bedeutet das?

  1. waren offensichtlich besonders zu Anfang der Erdgeschichte die Epochen sehr lang, fanden die Veränderungen also sehr langsam statt. Oder genauer: die biologischen Veränderungen: ewig lang gab es gar kein Leben und dann ewig lang nur sehr "primitives";

  2. seit dem 17. Zeitpunkt aber jagt - in erdgeschichtlichem Maßstab gesehen - ein Zeitalter das andere

(wobei die Linearität allerdings darauf hinweist, dass diese Zeitalter alle etwa gleich lang waren),

d.h. findet eine rasante biologische Entwicklung statt

(eine Rasanz, die allerdings für uns Menschen dennoch völlig abstrakt bleibt - was immer ein Hauptgrund gegen die Evolutionstheorie war);

  1. scheint also der 17. Zeitpunkt besonders interessant zu sein. Spätestens hier wird´s nun aber dringend Zeit, endlich wieder aus der reinen Mathematik heraus zu treten und in der Grafik nachzuschauen, was denn am 17. Zeitpunkt erdgeschichtlich geschehen ist: zu jenem Zeitpunkt fand die - schon allein das Wort hört sich, auch ohne sonstige erdgeschichtliche Vorkenntnisse, sehr dramatisch an - "kambrische Explosion" statt!

Was aber war diese "kambrische Explosion"? Und insbesondere: warum hat sie diesen dramatischen Namen "Explosion" bekommen?:

"Als Kambrische Explosion oder auch Kambrische Radiation wird die umfassende Umformung der Tierwelt zu Beginn des Kambriums vor etwa 542 Millionen Jahren bezeichnet. Es entstanden in einem geologisch kurzen Zeitraum von bis zu 50 Millionen Jahren viele neue Arten und es entwickelten sich die grundlegenden Baupläne vieler mehrzelliger Tierstämme, die seitdem die Erde bevölkern. [...]

Die mehrzelligen Lebewesen, die vor der Kambrischen Radiation lebten, besaßen kein Skelett und nur wenige Hartteile, so dass die Entwicklung einer tragenden und schützenden Struktur in Form eines Innen- oder Außenskeletts einen wirklich entscheidenden Schritt für die Evolution des Lebens zu dieser Zeit darstellt. Neben den neuen Möglichkeiten, welche die Schalen und Skelett-Teile für die Weiterentwicklung einer Vielzahl komplexer Lebensformen boten, hatte die Möglichkeit der längeren Erhaltung und besseren Fossilbildung der Hartteile - im Gegensatz zu den Weichteilen - auch einen plötzlichen Anstieg der bis in unsere Tage erhaltenen Fossilien zur Folge. Manche Forscher interpretieren die Kambrische Explosion deswegen auch nicht als Explosion der Anzahl der Arten, sondern als Explosion des Aufkommens der Fossilien."
(zitiert nach )

Wirklich neu - und wieder ein wenig enttäuschend - ist mir daran allerdings nur der letzte Satz: dass die "kambrische Explosion" so hübsch dramatisch-explosiv vielleicht doch nicht war.


Ich hoffe also, dass trotz des zwischenzeitlichen "Durchhängers" (meinem ersten mathematischen Fehlschlag) deutlich geworden ist, wie ein "mathematisch geschultes Auge" helfen kann, Strukturen (im vorliegenden Fall der Grafik aus dem Buch und damit der Erdgeschichte) besser zu erkennen bzw. überhaupt erst zu entdecken und dann auch zu interpretieren

(... wobei ich gestehen muss, dass mir weitgehend nur das erdgeschichtliche Vorwissen, das ich schon  hatte, nochmals bestätigt wurde - oder ich es in die Grafik "reingebogen" habe?).

Aber sogar der "Durchhänger" ist mir lieb: es wurde Zeit, auch mal einen Irrweg vorzuführen und zu zeigen, wie erheblich frustrierend, ja geradezu demütigend solch ein Irrweg sein kann.


  Gaia

[griechisch »Erde«] (Ge, Gäa, lateinisch Tellus, Terra), griechischer Mythos: Erdgöttin, aus dem Chaos entstanden. Nach der »Theogonie« Hesiods gebar sie den Himmel (Uranos), die Berge, das Meer (Pontos) [...]
 

Gaia-Hypothese

[nach der griechischen Erdgöttin], in den 1970er-Jahren aufgestellte Theorie, dass die Natur als eine Vielzahl von Ökosystemen, das heißt vielfältig in sich gegliederten, sich selbst regulierenden Ganzheiten anzusehen ist, vielleicht sogar im Ganzen eine Art Lebewesen darstellt; begründet von dem britischen Biologen James Lovelock.

(beide Zitate aus: Der Brockhaus in Text und Bild Edition 2002)

Wenn die Erde tatsächlich eine Göttin, also eine Frau ist, dann ist sie in der Tat ein Beispiel für .

In diesem Sinne ist der Spruch aber für mich sehr nützlich

(und konnte ich ihn dann eben doch gut brauchen):

er macht "menschlich", was sonst allzu abstrakt bleibt

(denn die in der Liste oben genannten historischen Zeiträume kann sich ja nun wahrhaft niemand anschaulich vorstellen).