ein Fahrrad ist ein Dreieck

Derzeit verdient sich ein gewisser Rolf W. Brednich eine goldene Nase mit Büchern à la , in denen er jene berühmten Geschichten sammelt, die jeder schon mal vom besten Freund der besten Freundin als selbsterlebt gehört hat.

(Nebenbei: solche Geschichten mögen ja [nicht von Brednich, der sie nur gesammelt hat] "erstunken und erlogen" sein, was sie aber - wie alle Literatur - nicht schlechter macht:

Eine solche Geschichte ist z.B. folgende:

"An einer Supermarktkasse fährt ein kleines Kind dem Kunden direkt vor ihm permanent mit dem Einkaufswagen in die Hacken. Als es nichts nützt, dem Kind das zu verbieten, wendet sich der Kunde mit der Bitte an die Mutter des Kindes, diesem sein Tun zu verbieten. Die Mutter [Alt-68erin, was immer ein beliebtes Klischee-Angriffsziel ist] antwortet aber nur, das Kind sei antiautoritär erzogen. Woraufhin der Kunde sagt, er sei es auch, sich ein gerade auf dem Kassen-Fließband stehendes Honigglas  nimmt und dieses über dem Kopf des Kindes ausschüttet."

Und eine ähnlich sinnige Anekdote ist:

"Einem Freund von mir ist Folgendes passiert: bei seinem Vorstellungsgespräch als diplomierter Maschinenbauer in einem Maschinenbau-Betrieb fragte der Personalchef nicht nach den Zeugnissen des Freundes

[ohne ein exzellentes Diplomzeugnis wäre mein Freund erst gar nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden],

sondern bat ihn aus heiterem Himmel, doch mal ein Fahrrad zu zeichnen.

Mein verdutzter und verunsicherter Freund fing auch prompt mit den beiden Rädern des Fahrrades an

- und erst hinterher erfuhr er, weshalb er damit seine Aussichten auf eine Anstellung bereits verspielt hatte."

"Was will uns diese Anekdote »sagen«?" bzw. warum stellte der böse Personalchef diese schwachsinnige Aufgabe?

(Ganz schrecklich böse war er ja schon allein deshalb, weil er die Einstellung von einer einzigen Aufgabe abhängig machte.
Und schwachsinnig war die Aufgabe doch wohl, weil natürlich jeder [allemal aber ein studierter Maschinenbauingenieur] ein simples Fahrrad malen kann [?]. Die Aufgabe war also wohl nur Vorwand, z.B. mit dem Zweck zu verunsichern und damit geistige Flexibilität abzuprüfen - oder?)

Jede Wette: der Personalchef

(womit er im Regelfall völlig ungeeignet als Personalchef wäre)

"Misstraue allen reinen Theoretikern [mit besten Diplomzeugnissen], die oftmals keinerlei praktisches Gespür haben."

Was also war mit dem ersten Zeichenversuch

schon endgültig schiefgegangen, bzw. warum offenbarte er (angeblich) mangelndes praktisches Gespür?

Versuchen wir dazu einmal, das bereits begonnene Fahrrad weiter zu zeichnen:

Schnell stellt man fest, dass das restliche Fahrrad (der Fahrradrahmen) nicht mehr zwischen die beiden anfangs gezeichneten Räder passt, wenn sie (eher zufällig oder eben doch schon bezeichnend?) anfangs zu nah aneinander gezeichnet wurden.

(Und überhaupt ist es selbst dann, wenn die Räder anfangs weit genug auseinander waren, gar nicht so einfach, von diesem ausgehend das restliche Rad zu ergänzen.)

Was lernen wir draus?: Man darf die Zeichnung nicht mit den Rädern anfangen.

Womit dann aber?

Dazu ist die scheinbar so nebensächliche oder triviale Überlegung nötig, was ein Fahrrad denn überhaupt ist - und zwar nicht in Bewegung

(nämlich ein wahrhaft genialer Fortbewegungsapparat!),

sondern in Ruhe bzw. rein konstruktiv.

Oder noch viel praktischer gedacht: wenn ich ein Fahrrad nicht bloß zeichnen, sondern tatsächlich aus seinen (komplett vorliegenden) Einzelteilen zusammenbauen müsste

(was man ja nicht wirklich tun muss, sich aber vorstellen können sollte; und genau daran hapert´s so oft u.a. bei SchülerInneN, weil das zu zeichnende Fahrrad für sie rein gar nichts mehr mit einem echten Fahrrad zu tun hat [vgl. )]; also keineswegs nur, weil sie noch nie ein Fahrrad zusammengebaut [wer hat das schon?] oder auch nur genauer angeschaut haben):

womit würde ich dann denn anfangen?:

Die massive Grundkonstruktion dieses Rahmens besteht nun aber aus einem (Beinahe-)Dreieck:

(Damenfahrräder sind hier wegen der fehlenden oberen Querstange weniger brauchbar - und deshalb auch weniger stabil.
Ebenfalls völlig ungeeignet sind hier all jene modischen Schnickschnackräder mit durchgesägtem Rahmen: Mountainbikes für die flache Stadt, "Gelände"wagen für den Stau :-)

An dieses Grunddreieck ist nun hinten (zwecks Befestigung des starren Hinterrads) ein weiteres, leichter gebautes Dreieck angehängt, so dass sich insgesamt eine aus zwei Dreiecken bestehende Raute ergibt:

Und wenn man bei der Aufforderung, ein Fahrrad zu zeichnen, statt mit den Rädern mit diesen beiden (viel abstrakteren!) Dreiecken anfängt, hat man hinterher auch keinerlei Probleme mehr, die Räder passend unterzubringen:

PS: Ich bin mir nicht so sicher, ob ich auf Anhieb "richtig" gezeichnet, also mit dem Rahmen angefangen hätte.
 
PPS: Die intelligenteste Lösung der Fahrradaufgabe

(für die ich jemanden, wenn´s nur um die Fahrradaufgabe ginge, sofort einstellen würde)

hat mal ein Schüler geliefert:


ein Fahrrad von oben