die Diktatur der Glockenkurve

Um Mathematik zu vermitteln, ist mir ist fast jeder jugendgemäße (?) Anlass recht - also auch dieser:

Das ist ein kurzer Ausschnitt aus der vierten Folge („Liebe macht süchtig“) der ersten Staffel der spanischen Serie :

„Die Serie spielt am Las Encinas, der exklusivsten Privatschule Spaniens, und dreht sich um die Beziehungen zwischen drei Schülern aus der Arbeiterklasse, die über ein Stipendium an die Schule kommen, und ihren wohlhabenden Klassenkameraden.“
(Quelle: )

Oder anders gesagt: die Serie ist

(trotz angedeuteter Kritik an der vermeintlichen „Elite“)

weitgehend eine Teenie-Schmonzette und deshalb aus meiner -Sicht belanglos - außer eben die Mathematik-Stelle.

An dieser Filmstelle interessiert mich viererlei:

  1. die “reine“ Mathematik, die da aufscheint,
  2. das falsche Verständnis dieser Mathematik,
  3. die Anwendung dieser falsch verstandenen Mathematik auf Leistungsbewertungen,
  4. die sozialdarwinistische “message“, die mit der (absichtlich?) falsch verstandenen Mathematik verbunden ist.

Es geht mir hier also letztlich um etwas, was im üblichen Mathematikunterricht (fast) nie vorkommt, nämlich um den ignoranten oder absichtlichen Missbrauch der (falsch verstandenen) Mathematik, wie ihn z.B. auch Walter Krämer in seinem Buch gezeigt hat

(… wobei ich mich allerdings umgehend von den sonstigen Machenschaften Krämers [vgl. ] distanziere).


So, wie die kerntechnischen Vorstufen 1945 in der Atombombe anwendbar wurden

(und ihre "Unschuld" verloren; vgl. etwa  ),

ist auch fast jede „reine“ Mathematik früher oder später anwendbar

(„reine“ Mathematik → Anwendung),

aber es gibt zwei Arten der Entstehung der "reinen" Mathematik:

(was den "reinen" Mathematikern wohl am liebsten ist - und weshalb sie es gerne als Mythos verbreiten),

(Anwendung → „reine“ Mathematik).

Im letztgenannten Fall hätten wir also insgesamt

Anwendung → „reine“ Mathematik → Anwendung

Ein Musterbeispiel dafür ist die Wahrscheinlichkeitsrechnung ( "Stochastik"; vgl. auch "Geschichte der Wahrscheinlichkeitsrechnung")

(in die die Glockenkurve gehört):

Während sich die Partner des Briefwechsels beim ersten Problem schnell einig waren, dass de Mérés »Proportionalitätsansatz« (sechsmal niedrigere Wahrscheinlichkeit, also sechsmal so viele Versuche für gleiche Siegschancen) naheliegend, aber falsch sei und demnach kein Widerspruch bestünde, bereitete das zweite größere Schwierigkeiten, da hier die Frage der Gerechtigkeit vage gestellt war und erst sinnvoll mathematisch formuliert werden musste. Letztendlich kamen sie zu dem Entschluss, dass der Einsatz gemäß den Gewinnwahrscheinlichkeiten aufgeteilt werden müsse, und Pascal zeigte auf, wie diese mit Hilfe der Kombinatorik und speziell dem von ihm unlängst entwickelten Pascalschen Dreieck berechnet werden könnten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler von n ausstehenden Spielen genau k gewinnt, betrage demnach , wobei der Binomialkoeffizient dem Pascalschen Dreieck zu entnehmen sei."
(Quelle:
)

Dieses zweite Zitat enthält für einen Laien (Schüler) sicherlich viel Fachchinesisch, aber auf indirekte Weise auch entscheidende Informationen zu unserem Thema "Glockenkurve".


  1. (und das nur nebenbei): an der Wiege der Wahrscheinlichkeitsrechnung standen als Paten die drei wahrhaft großen (wenn auch nur Mathematikern bekannten) Mathematiker
(vgl. auch das "Kardangelenk" , mit dem man Kraft um die Ecke weiterleiten kann, und die "irgendwie" ja sogar ästhetische "Kardanische Aufhängung" , mit der Bewegungen in allen drei Dimensionen möglich sind: ; vgl. auch : da ist ein Kompass so aufgehängt, dass die Windrose auch bei hohem Wellengang immer in der horizontalen Ebene bleibt),
(... wobei mir die Portraits wichtig erscheinen, um zu zeigen, dass Mathematik von leibhaftigen Menschen gemacht wird;
insbesondere das Pascal-Portrait scheint mir einen freundlichen und [mit anderer Frisur und Kleidung] durchaus modernen Menschen zu zeigen;
interessant ist an Pascal auch, dass er letztlich [am Ende] nicht an Mathematik, sondern ihm viel wichtiger Erscheinendes gedacht, nämlich an ihm durchaus zweifelhafte Religion:

"Die [...] 27 bzw. 28 Kapitel [von Pascals Buch ] zeigen den Weg, den Pascal in der Argumentation seiner Apologie [= Verteidigung, Rechtfertigung] des Christentums verfolgen wollte. Die Apologie ist zweigeteilt: »Erster Teil: Elend des Menschen ohne Gott. Zweiter Teil. Glückseligkeit des Menschen mit Gott« [...]. Die Kapitel zeichnen zuerst unter den Überschriften »Nichtigkeit – Elend – Langeweile – Gegensätze – Zerstreuung« usw. ein dramatisches Bild der menschlichen Lage, mit brillanten paradoxen, ironischen Formulierungen ausgeführt, wenden sich dann den Philosophen auf der Suche nach dem »höchsten Gut« zu und finden die Auflösung der Aporien [= auftretenden Schwierigkeiten] der menschlichen Existenz im Christentum."
[Quelle: ]

"Am 4. Oktober 1661 starb Pascals jüngere Schwester Jacqueline. Seit ihrem Tod hatte sich seine Krankheit und auch sein emotionaler Zustand stark verschlechtert. Im Sommer 1662 ließ er seinen recht ansehnlichen Hausstand zugunsten mildtätiger Zwecke verkaufen. Am 18. August 1662 wand er sich in Krämpfen und empfing die Letzte Ölung. Er starb am nächsten Morgen im Alter von nur 39 Jahren und 2 Monaten [...]. Seine letzten Worte sollen »Möge Gott mich niemals verlassen« gewesen sein.
In seinem Mantelsaum fand man eingenäht ein Stück Papier, das als das Mémorial des Blaise Pascal  berühmt geworden ist. Darin versuchte er in Ausrufen und stammelnden Worten, seine mystische Erfahrung in Worte zu fassen. In ihr erfuhr er den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, nicht den der Philosophen und Gelehrten."
[Quelle: ]).
  1. wird bei Cardano deutlich, dass am Anfang eine außermathematische Anwendung, nämlich das Glücksspiel, stand, zu dem überhaupt erst eine (inner-)mathematische Theorie entwickelt werden musste; und Cardano war ja nicht nur "Universalgelehrter und einer der einflussreichsten Mathematiker seiner Zeit", sondern auch ein spielsüchtiger Zocker, während mir scheint, dass bereits Pascal und Fermat das Glücksspiel nur als Anlass für innermathematische Überlegungen und als Veranschaulichung interessierte.
  1. will ich hier nicht alles Fachchinesisch (s.o.) für Laien verständlich erklären. Wichtig ist mir vor allem, der oben im Text genannte "Binomialkoeffizient" , der

(wie man schon anschaulich an den Graphen erkennt)

auf die "Bionimalverteilung" verweist, welche ein Vorläufer der "Normalverteilung" und damit der "Glockenkurve" ist.

(Nebenbei: die Binomialverteilung ist ein anschaulicher Weg hin zur Integration der Glockenkurve. Die rechnerische Integration ist allerdings wohl nur in einem Mathematik-Leistungskurs denkbar. Vgl. .)

  1. ein kleiner historischer Exkurs:
"Die Normal- oder Gauß-Verteilung (nach Carl Friedrich Gauß) ist in der Stochastik ein wichtiger Typ stetiger Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Ihre Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion wird auch Gauß-Funktion, Gaußsche Normalverteilung, Gaußsche Verteilungskurve, Gauß-Kurve, Gaußsche Glockenkurve, Gaußsche Glockenfunktion, Gauß-Glocke oder schlicht Glockenkurve genannt."
(Quelle:
)

Da "gaußt" es also ganz gewaltig, weil Carl Friedrich Gauß zentral an der mathematischen Erarbeitung der Normalverteilung beteiligt war - was früher auch auf dem 10-DM-Schein dokumentiert war:

Fragt sich nur, warum

Zu „überhaupt ein Mathematiker“: weil Gauß für Göttingen das war, was Goethe für Weimar war: mit Gauß wurde Göttingen für mehr als 100 Jahre

(exakt bis zur Machtergreifung der Nazis im Januar 1933 : der berühmte göttinger Mathematiker David Hilbert auf die Frage des Reichsministers für Wissenschaft Bernhard Rust, ob die Mathematik in Göttingen durch den Weggang der jüdischen Mathematiker wirklich so gelitten habe: "Jelitten? Dat hat nich jelitten, Herr Minister. Dat jibt es doch janich mehr!")

zur Welthauptstadt der Mathematik und wohl auch Naturwissenschaften

(vgl. und von einem Engländer ; naja, Paris war mathematisch eine würdige Konkurrentin).

Zu „gerade die Glockenkurve“: Gauß hat Unmengen wichtiger mathematischer Erkenntnisse hervorgebracht

(u.a. bei der auf der Rückseite des 10-DM-Scheins gezeigten Vermessung des Königreichs Hannover ),

aber die Normalverteilung ist wegen ihrer allgemeinen Anwendbarkeit vielleicht doch seine wichtigste gewesen.

  1. interessieren mich hier nicht die Herleitung und die Funktionsgleichung der Normalverteilung, sondern "nur" ihre Bedeutung.

(Nebenbei: im Gegensatz zur Binomial- kommt die Normalverteilung in Oberstufen-Grundkursen kaum jemals vor. Dennoch sollten meiner Meinung nach alle Schüler immerhin die Bedeutung der Normalverteilung kennenlernen.)

Fangen wir mit einem historischen Beispiel an:

„Adolphe Quetelet erkannte […] bei Untersuchungen des Brustumfangs von mehreren tausend Soldaten im Jahr 1844 eine verblüffende Übereinstimmung mit der Normalverteilung […]. Er hat vermutlich die Bezeichnung »Normalverteilung« geprägt."
(Quelle: ;

nebenbei:

“Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Wer es nicht kennt und sich nicht wundert, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen.“
[Albert Einstein])

Vielleicht hat Quetelet also den Begriff "Normalverteilung" gewählt, weil ihre vielfältige Anwendbarkeit "sowas von [erstaunlich] normal" ist.

Um zu verstehen, was es bedeutet, dass Messungen des Brustumfangs von Soldaten "eine verblüffende Übereinstimmung mit der Normalverteilung" haben, sei hier mal eine derzeit gängige Tabelle des Brustumfangs von Männern zitiert:

Wenn man nun über diese Brustumfangsliste

den Normalverteilungsgraphen (die Glockenkurve) legt, sieht das so aus:

Und Quetelet hat da eben "eine verblüffende [!] Übereinstimmung [der Brustumfänge von Soldaten] mit der Normalverteilung" festgestellt: es gab z.B.

Das galt auch für (gleich breite!) Intervalle: es gab

Erst recht verblüffend ist es aber, dass das nicht nur (rein zufällig) für den eher uninteressanten Brustumfang von Soldaten gilt, sondern auch in vielen anderen

(nicht binomialverteilten!)

Bereichen, nämlich z.B.
(vgl. den obigen Filmausschnitt; wobei ich allerdings den Maßstab "IQ" rundweg bezweifle; vgl. Bild  ):
(und da wird sich doch jeder denken: hoffentlich gehöre ich immerhin zu dieser dritten Gruppe).

Die Normalverteilung handelt von Wahrscheinlichkeiten - und nicht von Sicherheiten!

(Genau genommen bedeuten nur die Wahrscheinlichkeiten 0 und 1 Sicherheiten

[die Wahrscheinlichkeit 0 bedeutet, dass etwas ausgeschlossen ist, die Wahrscheinlichkeit 1 hingegen, dass etwas garantiert eintritt],

weshalb sie eigentlich auch besser nicht "Wahrscheinlichkeiten" heißen würden.)

Laut Wikipedia fasst der Begriff "Stochastik"

"[...] als Oberbegriff die Gebiete Wahrscheinlichkeitstheorie und Mathematische Statistik zusammen."
(Quelle: )

Dabei handelt

(Man spricht da von einem "Wahrscheinlichkeitskollaps": aus Unsicherheit wird urplötzlich Sicherheit, kippt also z.B. ein Würfel endgültig auf eine Seite:

... womit sich geradezu philosophische Fragen ergeben:

Nebenbei: "Zufall" ist auch keine bessere Erklärung als "Gott" oder zumindest als ein willkürlich handelnder, launischer Gott. Aber „Gott würfelt nicht“ [Albert Einstein]?)

Die Bedeutung der Normalverteilung in der Wahrscheinlichkeitsrechnung sei nochmal anhand des Brustumfangs von Soldaten erklärt:

(nur evtl. horizontal und vertikal verschoben, gestreckt und/oder gestaucht; s.u.):

;

(nebenbei:

"Wenn man als Männermodel erfolgreich sein will, sollte man einen offiziell [?] perfekten Brustumfang von etwa hundert Zentimetern haben. So gehen De[si]gner sicher, dass die Models in ihre Anzüge passen. Man kommt als Mann mit diesem Wert gut klar, wenn man weder übeergewichtig noch allzu muskulös ist."
[Quelle:  ])
;

Dieser zweite Fall erschien zwar vorher unwahrscheinlich, konnte aber eben doch eintreten - und ist auch (wie wir im Nachhinein wissen) tatsächlich eingetreten.


Die beste Veranschaulichung der Glockenkurve ist das „Galton-Brett“, bei dem man Kugeln durch gleichmäßig verteilte Stifte rieseln lässt:

Da hier allerdings eine Binomialverteilung vorliegt

(die Kugeln können nur entweder rechts oder links an den Stiften vorbei fallen),

ist es

(zumindest für Mathematiker)

keineswegs „verblüffend“, dass dabei meistens annähernd eine Glockenkurve entsteht.

Aber von wegen „meistens annähernd“: es ist

(wenn auch sehr unwahrscheinlich),

dass andere Muster entstehen, also z.B. sämtliche Kugeln ins Fach ganz links fallen.

Und wie sehr schön in dem Video

 , 

deutlich wird, lässt sich niemals der Einzelfall voraussagen.

Da werden nämlich vier unterschiedliche Ergebnisse auf demselben Galton-Brett gezeigt:

Alle vier Ergebnisse haben aber immerhin eine mehr oder weniger große Ähnlichkeit mit der Glockenkurve gemeinsam:

Ob ein Galton-Brett tatsächlich "im Schnitt" Glockenkurven hervorbringt, ließe sich nur herausfinden (und das auch nicht mit letzter Sicherheit), wenn man eben den Schnitt von möglichst vielen Versuchsergebnissen bestimmen würde.

Überhaupt gilt (nicht nur) in der Mathematik: urteile nie nach nur wenigen Beispielen oder sogar nur einem einzigen.

(Nebenbei: auch mathematisch noch so richtige statistische Auswertungen bereits in der Vergangenheit stattgefundener Datenerhebungen besagen reichlich wenig über konkrete Einzelfälle. Vgl. etwa

"Dass ich ein Opfer sein soll, fand ich erst heraus, [...] seitdem ich die Artikel lese, die fast täglich in Zeitungen publiziert werden und auf Social Media Tausende Klicks abräumen. »Arbeiterkindern fehlen in der Regel die Beziehungen, der Habitus und das Selbstbewusstsein, die so wichtig sind für den akademischen und beruflichen Erfolg«, stand neulich auf einem Sharepic des Deutschlandfunks. Das ist natürlich wahr, statistisch gesehen. Aber seit einiger Zeit reiten viele Medien so offensiv auf diesem Stereotyp herum, dass ich keinen Unterschied mehr zu meinem oberfränkischen Grundschullehrer sehe, der mir den Weg in die höhere Schulbildung versperrte. Denn noch mal: Ich habe mich nie als Opfer gesehen. Wie können sich Medien und Aktivisten also anmaßen, mich anhand irgendwelcher Statistiken immer wieder in die Rolle des unterprivilegierten Migranten zu pressen?"
[Quelle: ])

Angenommen aber mal, man vermutet vorweg, dass bei einem Galton-Brett annähernd eine Glockenkurve herauskommt, aber viele Versuche weichen dennoch auffällig von der Glockenkurve ab. Da gibt es drei Erklärungsmöglichkeiten:
(was unter der Voraussetzung, dass ein binomialverteiltes Galton-Brett vorlag, nicht sein kann),
(was zwar höchst unwahrscheinlich ist, aber eben doch passieren kann)

weichen auch viele Versuche von der Glockenkurve ab,
(und es ist ja gar nicht möglich, absolut binomialverteilte Galton-Bretter mit von Stift zu Stift exakt gleichbleibenden Wahrscheinlichkeiten zu bauen).

Z.B. kann man nach den vier oben gezeigten Galton-Brett-Ergebnissen vermuten, dass das Brett einen leichten Rechtsdrall hat:


Es kann durchaus hilfreich sein zu überlegen, warum ein späteres Ergebnis von einer vorherigen Vermutung abweicht. Z.B. könnte es doch sein, dass (warum?) die anfängliche Vermutung falsch war und den Ergebnissen angepasst werden muss

         (Hypothese → unerwartetes Ergebnis eines Experiments → angepasste Hypothese → neues Experiment → …).


Das Thema "Fälschungen in der Wissenschaft" gehört dringend (neu) in den Schulunterricht - und also auch in den Mathematikunterricht

(auch wenn sich die "reine" Mathematik natürlich nicht fälschen lässt, wohl aber ihr Bezug zu Anwendungen):
  1. gerade in Zeiten, in denen wissenschaftliche Aussagen
(beispielsweise zur Gefährlichkeit des Corona-Virus sowie zu Corona-Impfungen oder zum menschengemachten Klimawandel)

zunehmend

(oft durch Verschwörungs„theorien“)

in Zweifel gezogen werden,
  1. aber auch, um ein "Gefühl" für Hypothesen / Experimente ,  nachvollziehbare Schlussfolgerungen und Theorien / Fakten zu bekommen

(vgl. z.B. ):









„Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe.“
( Winston Churchill)

Es ist ein absolutes
(und wird doch allzu oft gemacht: vgl. „Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Rauchen doch nicht schädlich ist. Gezeichnet Dr. Marlboro.“ [Otto Waalkes]),
  • bei einer beabsichtigten Statistik
    •  vorher zu beschließen,
    • was nachher rauszukommen hat,
  • und deshalb das Ergebnis der nachfolgenden Statistik, falls es einem nicht passt, dem vorherigen Beschluss anzupassen, also das Ergebnis zu verfälschen:
→  

Solch ein Vorgehen „killt“ alle (vorherige) Wahrscheinlichkeit, denn da gab es ja von Anfang an nur Sicherheit.

Wenn man sowieso schon von Anfang an weiß, was nachher rauszukommen hat: wieso erhebt man dann überhaupt noch eine Statistik, statt sie einfach zu erfinden?:



 


Die o.g. Filmstelle beginnt so:

Der Lehrer scheint die Klausuren in der Reihenfolge der Noten zu verteilen, also

(die die ewige Konkurrentin von Nadia im "Kampf" um die beste Note ist),

(Soviel schon vorweg: dieses Austeil-Verfahren [die öffentliche Zur-Schau-Stellung] passt schon bestens zum später vom Lehrer propagierten Glockenkurven-Verfahren:

Aber schließlich spielt der Film ja an einer „Elite“-Schule.

Dass der Film von einer wirklichen [Leistungs-]Elite handelt, bezweifle ich allerdings schon mal anhand von : da wird nämlich

 )


Die weitere "Handlung" der Filmstelle kommt ins Rollen, als sich beschwert: "Diese Arbeit ist eine 1", womit doch wohl gemeint ist: "Diese Arbeit hätte eigentlich eine 1 bekommen müssen - hat sie aber nicht."

Fragt sich nur, weshalb sich so sicher ist, dass die Arbeit keine "1" ist (nicht die Note "1" bekommen hat).

(Hier wie im Folgenden benutze ich die Anführungszeichen, wenn von der in der deutschen Synchronisation benutzten deutschen Notengebung die Rede ist.)

Es sei mal vorausgesetzt, dass

(vgl. )

(die für den Zuschauer ja uninteressant wäre)
gemeint ist.

Dann hat mit 9,5 eine Note erreicht, die im deutschen Notensystem einer glatten "1" entspricht:

Also nochmals: warum beschwert die sich dann, dass sie nicht die Note "1" bekommen hat?:

  1. Möglichkeit: weil sie ein monumentales Selbstbewusstsein hat, ist sie sich (ohne ihre Klausur detailliert durchzusehen) felsenfest sicher, dass sie alle Aufgaben richtig bearbeitet hat, also die Note 10, d.h. "matrícula de honor" bzw. auf Deutsch "eins plus", bekommen müsste.

Dann müsste sie aber in der deutschen Synchronisation "Diese Arbeit ist eine 1+" und nicht "Diese Arbeit ist eine 1 [ohne +]" sagen.

Hat die Schülerin im spanischen Original also "Diese Arbeit ist eine 10 [und nicht eine 9,5]" gesagt?

  1. Möglichkeit: die deutsche Synchronisation ist an dieser Stelle falsch, und zwar vielleicht

(Ein Beispiel:

  1. Möglichkeit: in Spanien oder zumindest an der "Elite"-Schule wird grundsätzlich allen (und zwar zu einer "1") gratuliert, die 9 bis 10 Punkte haben. ist aber nicht gratuliert worden, und somit hat sie auch keine "1" bekommen.

  2. Möglichkeit: auch im spanischen Original ist nicht verständlich, weshalb sich ungerecht behandelt fühlt.

  3. ...?

Nur eines ist klar: nach dem üblichen spanischen Bewertungssystem

(das die Neulinge vermutlich von vorherigen Schulen kennen)

hätte Schülerin mit ihrer Note 9,5 ein sobresaliente ("1-") bekommen müssen.


Um aber alle Übersetzungsfehler und überhaupt das uns ungewohnte spanische Notensystem zu vermeiden, verpflanzen wir die „Elite“-Schule jetzt einfach nach Deutschland und benutzen der Einfachheit halber das deutsche Notensystem: 

  Note als Zahl Noten-Name  
 

1

sehr gut  
 

2

gut  
 

3

befriedigend  
 

4

ausreichend  
 

5

mangelhaft  
  6 ungenügend  

(Die Notentendenzen +, x [glatt] und - lassen wir der Einfachheit halber mal weg.)

Weil der Film in einer "Elite"-Schule spielt

(die sicherlich - abgesehen von Stipendiaten - mörderisch hohe Beiträge fordert),

sind die Klassen natürlich sehr klein

(also nicht so unanständig groß wie an den öffentlichen Schulen für den Pöbel).

Auf dem Foto kann man

(inkl. der zwei an den Rändern nur teilweise sichtbaren Schüler)

sehen, dass die Klasse nur zehn Schüler hat.

Auch das vereinfachen wir: die Klasse soll genauso viele Schüler haben, wie es (deutsche) Notenstufen gibt, also sechs, und diese Schüler nummerieren wir der Einfachheit halber durch: S1, S2 , S3 , S4 , S5 , S6 .


Bevor wir überlegen, wie in der „Elite“-Schule die Noten glockenförmig gemacht werden und welche Konsequenzen das hat:

  1. kann man die Höhe der Glockenkurve beliebig verändern:

   ;

  1. kann man die Breite der Glockenkurve beliebig verändern:

  ;

  1. kann man 1. und 2. kombinieren, d.h. die Höhe und die Breite der Glockenkurve gleichzeitig beliebig verändern:

;

man kann sich das auch so vorstellen, dass eine Glockenkurve auf ein Gummituch gezeichnet ist und man dieses an allen vier Kanten nach außen zieht:

  1. kann man eine Glockenkurve zusätzlich noch nach oben oder unten verschieben:

  .

  1. kann man eine Glockenkurve auch seitlich verschieben

und dann natürlich

Und so ist es möglich, die Glockenkurve „irgendwie“ über jeden Datensatz zu stülpen, den man dann allerdings gegebenenfalls

(wie wir gleich sehen werden)

auch noch so “hinbiegen“ muss, dass er unter die Glockenkurve passt.


Und nun spielen wir einige Beispiele durch, und zwar immer

  1. Beispiel:

die Klassenarbeit ist so ausgefallen:

  Note: 1 2 3 4 5 6  
  Schüler mit dieser Note: S1 S2 S3 S4 S5 S6  
  Anzahl der Schüler mir dieser Note: 1 1 1 1 1 1  

Als Graph:

Der Notendurchschnitt ist  = 3,5 .

hier fangen wir mit dem Graph an, der glockenförmig sein soll, also etwa so aussehen muss:


(Weil wir die Notentendenzen +, x [glatt] und - unberücksichtigt lassen,
können als Werte auf der y-Achse nur ganze Zahlen [Noten] vorkommen.)

  Note: 1 2 3 4 5 6  
  Schüler mit dieser Note: S1   S2  S3 SS5   S6  
  Anzahl der Schüler mir dieser Note: 1 0 2 2 0 1  

Der Notendurchschnitt ist jetzt  = 3,5 , also unverändert

(woran man mal wieder sehen kann, dass der Notendurchschnitt einer Klassenarbeit wenig informativ ist, wenn man keine weiteren Informationen hat).

Interessant an dem Glockenkurven-Ausfall ist aber, dass nun

(was bei Notenbereichen allerdings immer passieren kann).

  1. Beispiel:

die Klassenarbeit ist so ausgefallen:

  Note: 1 2 3 4 5 6  
  Schüler mit dieser Note: S1 S2 S3
S4 S5
S6        
  Anzahl der Schüler mir dieser Note: 1 4 1 0 0 0  

Als Graph:

Der Notendurchschnitt ist  = 2 .

Weil das im Folgenden noch wichtig wird: mit Noten zwischen 1 und 3 sowie einem Notendurchschnitt von glatt 2 ist die Klausur außergewöhnlich gut ausgefallen

(denn schließlich spielt der Film an einer "Elite"-Schule)!

ohne jede Veränderung ist es möglich, durch die Punkte eine Glockenkurve zu legen:

Weil nichts verändert wurde, ist auch hier der Notendurchschnitt  = 2

Allerdings gibt es in der Filmstelle ein entscheidendes Detail:

Uns soll hier vorerst mal nicht interessieren, dass für die 20 % „Minderheit mit niedriger Intelligenz" in der spanischen Schulklasse zwei der zehn Schüler durchfallen müssen, dass also neben  noch ein anderer (welcher?) Schüler durchfallen muss.

Um aber bei unserer deutschen Klasse mit dem Klausurausfall

  Note: 1 2 3 4 5 6  
  Schüler mit dieser Note: S1 S2 S3
S4 S5
S6        
  Anzahl der Schüler mir dieser Note: 1 4 1 0 0 0  

zu bleiben: damit auch garantiert ein Schüler durchfällt, müssen wir das Notenspektrum horizontal mindestens bis zur "5" strecken:

  Note: 1 2 3 4 5 6  
  Schüler mit dieser Note: S1 S2 S3
S4 S5
    S6    
  Anzahl der Schüler mir dieser Note: 1 4 0 0 1 0  

Hier gäbe es nun zwei Möglichkeiten, durch die Punkte eine Glockenkurve zu legen:

      1.                                                                            

Das ist natürlich nicht falsch, nur weil die Glockenkurve sehr hoch ist.

      1. Der Lehrer meint vermutlich einen für die Glockenkurve typischen, nämlich symmetrischen Ausfall, wozu wir allerdings allen vier Schülern, die bislang eine 2 hatten, eine 3 geben müssen:
  Note: 1 2 3 4 5 6  
  Schüler mit dieser Note: S1  S2 S3
S4 S5
  S6    
  Anzahl der Schüler mir dieser Note: 1 0 4 0 1 0  

Durch die Punkte lässt sich nun folgende Glockenkurve legen:

Immerhin haben wir damit

Und das, wohlgemerkt, bei denselben Leistungen der Schüler:

  Alle Bewertungssysteme
(nicht nur in Spanien, sondern auch in Deutschland, und nicht nur an "Elite"-, sondern auch an Pöbel-Schulen)

erzeugen
erst die Noten, und insbesondere die Grenze, ab der ein Schüler durchgefallen ist, ist völlig willkürlich

(also auch durch keine Pädagogik begründbar).

Die Benotung

ist wunderbar symmetrisch - also auch gerecht?


Auf Schüleräußerungen hin stellt der Lehrer klar:

Da kann man fragen, was die Lehreräußerung "Ja, so ist es [dass die Noten schon vor dem Test feststehen]" bedeutet.

Doch wohl,
Nun könnte man natürlich sagen, dass es an einer "Elite"-Schule notwendig strengere Regeln geben muss als an Pöbel-Schulen: wer für seine Leistung an einer Pöbel-Schule eine "3" bekäme, fällt an einer "Elite"-Schule nunmal durch, ist also an einer "Elite"-Schule fehl am Platz.

Merkwürdigerweise sagt der Lehrer aber vorher:

Der Lehrer sagt also "Wir [?] betrachten die Klasse als Abbild der Gesellschaft", was doch wohl bedeutet, dass für die Klasse derselbe Maßstab benutzt wird wie für die Gesamtgesellschaft, dass also für die "Elite"-Klasse kein strengerer Maßstab angewandt wird.

Überhaupt beachte man mal die Sprache des Lehrers:

(also nicht z.B. "in Mathematik Schlechte" oder zumindest "schlechte Schüler")

ist eine Totalverurteilung der gesamten Persönlichkeiten der "Schlechten".
(aufgrund einer einzigen Klassenarbeit)

brutal in "eine Minderheit mit niedriger Intelligenz" eingeordnet, was doch um die Ecke bedeutet: "die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft ist intelligenter als du"

(und in der Klassenarbeit: "du bist hier der einzige mit niedriger Intelligenz").

Die einzige Schülerin mit einer 1 und der einzige Schüler mit einer 6 (bzw. 5) werden also gnadenlos separiert - und letztlich zählt eh nur die einzige Beste, also .


"Never win and never lose
There's nothing much to choose
Between the right and wrong"

Auf die Frage  des Schülers Samuel fängt dann der ideologische Missbrauch der Glockenkurve an
(wenn nicht schon der IQ eine Ideologie ist):

Man beachte wieder die Sprache:
(Nebenbei: es ist noch lange kein Verschwörungsglaube, wenn man unterstellt, dass das meiste, was als Sachzwang verkauft wird, in Wirklichkeit von einer gewissen Clique menschengemacht ist, die aber großen Wert darauf legt, das - wieder typisch ideologisch - zu verbergen.)

Noch größer als „das Leben“ geht‘s kaum (der Rest ist tote Materie), zumal „Leben“ doppeldeutig ist:
Als Antwort auf die Frage "Aber ist das nicht ein wenig unfair?" bedeutet "[...] das Leben ist nunmal so" ganz pauschal „das Leben ist […] unfair“, und zwar "komplett unfair",

… was doch wohl (als erste „message“) heißt:

Akzeptiert es endlich, wehrt euch nicht dagegen, sondern macht mit - seid also selbst maximal unfair?“

Später folgt dann, wie „das“ Leben angeblich ist:

(Merkt der Kerl noch was?: er ist doch "nur" Lehrer, also einer, der es nicht bis "ganz oben an der Spitze" gebracht hat - also "nichts auf die Reihe krieg[t]"!)

Ich höre da raus:

(den man ja vielleicht doch mal zähmen könnte, ohne ihn gleich

[was katastrophal wäre, aber wohl sowieso aussichtslos ist]

gleich zu zerschlagen : ) ;

(die noch immer nichts begriffen haben)

und Credo des Kapitalismus, also Adam Smiths Sätze in :

„Wenn daher jeder einzelne soviel wie nur möglich danach trachtet, sein Kapital zur Unterstützung der einheimischen Erwerbstätigkeit einzusetzen und dadurch dieses so lenkt, aß ihr Ertrag den höchsten Wertzuwachs erwarten läßt, dann bemüht sich auch jeder einzelne ganz zwangsläufig, daß das Volkseinkommen im Jahr so groß wie möglich werden wird. Tatsächlich fördert er in der Regel nicht bewußt das Allgemeinwohl, noch weiß er wie hoch der eigene Beitrag ist. Wenn er [...] die Erwerbstätigkeit so fördert, daß ihr Ertrag den höchsten Wert erzielen kann, strebt er lediglich nach eigenem Gewinn. Er wird in diesem wie auch in vielen anderen Fällen von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, der keineswegs in seiner Absicht lag. Es ist auch nicht immer das Schlechteste für die Gesellschaft, dass dieser nicht beabsichtigt gewesen ist. Indem er seine eigenen Interessen verfolgt, fördert er oft diejenigen der Gesellschaft auf wirksamere Weise, als wenn er tatsächlich beabsichtigt, sie zu fördern.“
(Quelle: )

Vgl. allerdings auch  über Adam Smiths Aufsatz "Theorie der ethischen Gefühle":

"Um die Frage nach dem Guten und Richtigen zu beantworten, sollten wir laut Smith aber nicht nach oben schauen, sondern die menschliche Natur ernst nehmen. Dort finden sich Anlagen, die uns motivieren, ein moralisches Leben zu führen: die Sorge um das eigene Wohlergehen und das anderer sowie den Wunsch, liebenswert zu sein.
[...]
Smith rekonstruiert also den Ursprung menschlichen Wertens aus einer funktionierenden oder nicht funktionierenden Teilhabe an der Gefühlswelt anderer.
[...]
Es geht in der Theorie der ethischen Gefühle nicht zuletzt um Persönlichkeitsbildung, wobei Smith überzeugt war, dass der kultivierte, seine Antriebe ausbalancierte Mensch das Gute, Wahre und Schöne erkennen und danach handeln könne.
[...]
Im «Wettlauf nach Reichtum, Ehre und Avancement» mag jeder rennen, «so schnell er kann und jeden Nerv und jeden Muskel anspannen, um all seine Mitbewerber zu überholen. Sollte er aber einen von ihnen niederrennen oder zu Boden werfen», dann wäre es «mit der Nachsicht der Zuschauer ganz und gar zu Ende». Geben wir also das fair [!] play auf, wendet sich das Vergeltungsgefühl gegen uns selbst und löst Gewissensbisse aus, «die fürchterlichsten von allen Gefühlen», die von eines Menschen «Brust Besitz ergreifen können». Im Rahmen des Strebens nach subjektiver Besserstellung drängt das Vergeltungsgefühl den Handelnden, die Position eines ‹fairen [!] Sportlers› einzunehmen und ungerechtes Tun zu unterlassen. Das Vergeltungsgefühl markiert gleichsam die Grenze, bis zu der selbstbezogene Affekte ausgelebt werden können. Das ethisch korrekte Streben nach einem besseren Leben oder nach mehr Gewinn hat also nach Smith nichts mit jener Gier zu tun, die heutzutage manche (viele?) Unternehmer an den Tag legen. Wer anderes behauptet, hat zumindest dieses zentrale Kapitel über das Vergeltungsgefühl aus der Theorie der ethischen Gefühle nicht gelesen oder ernst genommen. Denn Smith lieferte dort gerade keine Blaupause für den Homo oeconomicus, der im Eigennutz seine einzige Triebfeder sieht – und möglicherweise auch noch mächtig stolz auf sein Verhalten ist oder sich gar als Avantgarde ‹mit dem wahren Durchblick› erlebt.
[...]
Zwar sind wir auch von Eigeninteresse geleitet, doch sind Menschen keinesfalls triviale Nutzenmaximierungsmaschinen. Denn neben dem Egoismus gibt es andere Antriebe in unserer Natur: den Wunsch, an der Situation anderer teilzuhaben, sowie ein tief verwurzeltes Gefühl für Gerechtigkeit. Menschen sind mehrdimensionale Wesen, die sich nicht nur an der eigenen Besserstellung erfreuen, sondern auch persönlichen Gefallen daran finden, wenn es anderen gut geht und der Tausch von Gütern gerecht und fair [!] erfolgt. Wer übervorteilt oder betrügt, kurz: unethisch handelt, kann sich keinen Freibrief von Adam Smith holen. In dessen Weltbild setzen Empathie und Vergeltungsgefühl der Selbstsucht Schranken. Menschen mögen fehlen und böse handeln, aber grundsätzlich verfügen sie in ihrer Natur über das Vermögen, einen tragfähigen ethischen Maßstab zu entwickeln, der sie zum respektvollen Umgang mit anderen befähigt. Smith urteilt durchaus positiv über das Selbstinteresse, also über die Veranlagung der Menschen, ihre Lage verbessern zu wollen, da sich erst im Zuge dieser individuellen Anstrengung die kreativen und produktiven Kräfte der Gesellschaft entfalten. Aber dieses Streben nach eigener Besserstellung ist eben nur ein Antrieb unter mehreren, wobei die übrigen das Wohl anderer Menschen im Auge haben. Smith war überzeugt, dass es in der Menschennatur Anlagen gibt, die das Handeln jedes zivilisierten Menschen so leiten, dass dieser die Anteilnahme seiner Mitmenschen gewinnt.
[...]
Es war dieser Geist und keine ungezügelte Bereicherungssucht, der an der geistigen Wiege jener Marktwirtschaft stand, die in einem kultivierten Eigennutz die Triebkraft zur Verbesserung der Gesellschaft fand.
[...]
Die moderne Ökonomie ist oft keine Wissenschaft, die sich an Fakten oder Erkenntnissen orientiert, sondern zum religiösen Glaubensbekenntnis mutiert. Für deren Priester ist das Wirtschaftswachstum Selbstzweck, und sie predigen gebetsmühlenartig ihre Einsatzbotschaft: Die Summe aller Einzelegoismen ergibt das größtmögliche Gemeinwohl. Dabei waren die großen Altvorderen unter den Ökonomen, Smith ebenso wie Hume oder John Stuart Mill, Moralphilosophen, die keinem unaufgeklärten Egoismus das Wort redeten [...] Für die meisten Klassiker der ökonomischen Theorie war es selbstverständlich, dass der Mensch viel mehr als ein Homo oeconomicus ist. Sie alle sahen zwar die möglichen Vorteile einer Wettbewerbswirtschaft und setzten sich dafür ein. Aber die Teilnehmer an diesem Wettbewerb sollten sich wie faire [!] Sportler verhalten; und sie seien dazu imstande, weil die Menschennatur dafür Vorsorge getroffen hat: durch Mitgefühl mit anderen sowie durch das Vergeltungsgefühl als Basis von Gerechtigkeit, sowohl gegenüber fremdem als auch gegenüber eigenem Tun. In Smiths zusammenfasenden Worten ist dieses Vergeltungsgefühl der «Schutzwächter der Gemeinschaft der Menschen», um die «Schwachen zu schützen, die Ungestümen zu zähmen und die Schuldigen zu züchtigen». Da es in allen diesen Fällen offensichtlich um Gerechtigkeit geht, soll der von ihm gebrauchte alttestamentliche und ein wenig anrüchige Ausdruck ‹Vergeltungsgefühl› im Folgenden durch den Begriff Gerechtigkeitssinn ersetzt werden.
[...]
Aber wenn wir auch eher mit kleinen als mit großen Freuden und eher mit großem als mit kleinem Leid sympathisieren, so teilen wir – so Smith – insgesamt doch viel lieber die Freuden als die Sorgen anderer. Weil dem so ist und weil Menschen auch Gegenstand sympathetischer Empfindungen anderer sein wollen, pflegen wir «mit unserem Reichtum zu prunken und unsere Armut zu verbergen. Ja, es kommt hauptsächlich von dieser Rücksicht auf die Gefühle der Menschen, dass wir Reichtum anstreben. Bilden Sie sich ein, dass in einem Palast Ihr Magen besser oder Ihr Schlaf gesünder sei als in einer Hütte? Das Gegenteil ist so oft bemerkt worden.» Da man in weicheren Betten nicht tiefer schläft, kann das Streben nach Wohlbefinden nur teilweise der Grund für das Streben nach Reichtum sein. Wichtiger ist Eitelkeit, die «immer auf der Überzeugung beruht, dass wir der Gegenstand der Aufmerksamkeit» anderer sind (T 70 f.). Die dem Streben nach sozialem Status zugrunde liegende Eitelkeit und der Wunsch, Gegenstand sympathetischer Empfindungen anderer zu sein, ist der Grund für den Übermut der Oberschicht und die Demut der Unterschicht. Während wir uns vom Elend der Armen abwenden, nehmen wir am Schicksal der Reichen Anteil:
[...]
Für eitle, leichtfertige oder wenig selbstbewusste Menschen besteht das höchste Ziel ihrer Wünsche in der Billigung der Freunde. Haben sie diese Zustimmung erreicht, ist ihre Freude vollkommen, und wenn ihnen dies nicht gelingt, ist ihre Enttäuschung grenzenlos. Manche geben sich mit diesem bequemen und im Grunde häufig eher oberflächlichen Applaus aber nicht zufrieden, sondern fragen sich, ob sie tatsächlich liebenswert sind oder ob sie nur – verstärkt durch den Applaus konkreter Menschen aus ihrem emotionalen Nahbereich – einem Schleier der Selbsttäuschung unterliegen. Ihre Frage lautet also: Bin ich zu Recht Gegenstand der Zustimmung und Zuneigung anderer? Auf diese Frage nach der tatsächlichen Liebenswürdigkeit vermag jedoch kein parteiischer, sondern nur ein «ganz gerechter Mensch» eine Antwort zu geben.
[...]
Im Wohlstand der Nationen kommt noch die ökonomische Konkurrenz – der Markt – als weitere Schranke eines ungehemmten Egoismus speziell im Wirtschafsleben hinzu.
[...]
Smith betont zwar, dass das positive, also bestehende Recht eines Landes eine überaus wichtige Schranke für die Selbstsucht der Menschen sein könne."

(also die Übertragung evolutionärer Ideen auf die Gesellschaft),

mit dem gar nicht auf Darwin zurückgehenden "Recht des Stärkeren":

„Im Deutschen ist die Situation auch noch dadurch verschärft, als dieser Ausdruck struggle vor existence, – im Englischen ist struggle ein »Sich-durchschlagen« – übersetzt worden ist mit Kampf ums Dasein, das heißt aus dem struggle wurde ein Kampf gemacht, und diese Metapher suggeriert, dass es so einen Kriegszustand in der Natur gibt, wo dauernd irgendwelche Organismen gegeneinander antreten, dieser Begriff hat im Deutschland des 19. Jahrhunderts sofort Karriere gemacht, der ist zum geflügelten Wort geworden, dass Darwin gesagt hätte, dass sich der Stärkere durchsetzt und dass es so etwas wie ein Naturrecht gebe.

Im Ringen um die Existenz, wie man struggle for existence oder struggle for life treffender übersetzt, kann der buchstäbliche Kampf gemeint sein, aber ebenso umfasst der Begriff die Abhängigkeit der Lebewesen von ihrer Umwelt und auch, dass die Artgenossen aufeinander angewiesen sind, was zu Kooperation und gegenseitiger Unterstützung führt. Das ist vor allem für die Entwicklung der menschlichen Spezies wichtig.

[...]

Der Mensch ist [laut Darwin] ein soziales Tier. Gerade weil er von Natur aus schwach ist. Er braucht [...] mehr als viele andere Lebewesen die Zuwendung der Eltern, den Schutz der Gruppe um zu überleben. Dabei hilft die moralische Orientierung im Denken und Handeln, sie kompensiert die Schwächen und wird dabei selbst zu einer Stärke.

Evolutionstheoretisch gesprochen: Moral ist die Weiterentwicklung der sozialen Instinkte, die das Überleben in der Gruppe sichern."

(Quelle: ; vgl. auch , aber ebenso die blödsinnige, weil unzulässige Vermenschlichung der Gene in ;

und überhaupt bedeutet in Darwins „survival of the fittest“ das Wort „fittest“ keineswegs „der Stärkste“, sondern „der am besten Angepasste“.)

Für mich hört sich das alles so an, dass die "Kids"

(insbesondere an einer "Elite"-Schule)

möglichst früh kapieren müssen, dass "das" Leben die Hölle ist, und das erinnert mich doch an

"Nennen Sie das Kind einfach »Joghurt«, »Arschfick« oder »Vagina«, das wird ihm eine Lehre sein [...]", 

(Quelle:   )

Da aber die "Jugend von heute" meistens sowieso nur ein (Zerr-)Spiegel der aktuellen gesellschaftlichen Forderungen ist, haben viel junge Leute längst begriffen, dass sie sich auf Gedeih und Verderb in den Siegeszug des Kapitalismus einreihen müssen, und entsprechend studieren drei Viertel aller junge Leute in meinem Freundes- und Bekanntenkreis

(wobei einige einen Kompromiss mit ihren ideellen Vorstellungen versuchen, nämlich z.B. "Wirtschaftsphilosophie", "Gesundheitsökonomie" oder "plurale Ökonomik")

Vgl. .

Darin:

„Vielleicht sind die jungen Menschen von heute aber auch einfach schlauer als ihre Vorgängerinnen und Vorgänger. Sie ersparen sich den herkömmlichen Ernüchterungsprozess, den die meisten Idealisten durchlaufen […].“

(Früher [“die“ Jugend von heute] oder später [wir ehemals linken Idealisten und schon damals eine Minderheit] resigniert jeder vor der Macht des kapitalistischen Systems

[und seinen ja durchaus vorhandenen positiven Aspekten],

weil der Einzelne eh nichts ändern, sondern nur mitmachen oder untergehen kann?

Überhaupt ist die FDP keineswegs nur die Partei der Reichen [der “Erfolgreichen“ und „Leistungsträger“], sondern auch all jener Möchtegern-Neureichen, die panische Angst haben, ökonomisch abgehängt zu werden. Man kann nicht immer „dagegen“ [und einsam] sein und betreibt deshalb „Identifikation mit dem Aggressor“.)



Nach der Erklärung der Glockenkurve kommt dann aber die eigentliche „message“:

Durchaus witzig finde ich es aber, dass die "nur einer schafft's bis ganz oben"-Ideologie ausgerechnet mathematisch schiefgeht:
  1. muss in der ursprünglichen „Elite“-Schul-Klasse bei zehn Schülern, aber nur fünf Notenstufen mindestens eine Notenstufe mehrfach aufgetreten sein - warum nicht also auch die beste?!
  2. stellen wir uns mal vor, dass zwei Schüler

(z.B. und )

in der Klassenarbeit die volle mögliche Punktzahl erreicht haben und somit auch beide die beste Note (matrícula de honor bzw. "1+") beanspruchen dürfen.

  1. nehmen wir mal

(nun in unserer deutschen Klasse mit nur sechs Schülern)

folgendes Beispiel:

  Note: 1 2 3 4 5 6  
  Schüler mit dieser Note: S1 S2 S3
S4 S5
 S6        
  Anzahl der Schüler mir dieser Note: 2 3 1 0 0 0  

Auch hier ist es wieder möglich, durch die Punkte eine Glockenkurve zu legen:

Die Glockenkurve schließt also keineswegs aus, dass es mehrere Einsen gibt, und so ist es zumindest aus mathematischer Sicht durchaus möglich, dass „ganz oben an der Spitze […] für zwei […] Platz“ ist.

Vgl. die ehemalige „Doppelspitze“

der Deutschen Bank

(wenn diese Doppelspitze auch ein unrühmliches Beispiel war)

Mehr noch:

Rein mathematisch gesehen alle (Engel)!

Da hat also jemand die Mathematik nicht verstanden - oder er lügt mit ihr. 

(Nebenbei: der Lehrer , der völlig unkritisch all diesen Schwachsinn verkündet, scheint in der Serie ansonsten durchaus - so mein Sohn - „cool“ zu sein.)


Nun könnte man natürlich einwenden, dass die Filmstelle aus reine Fiktion oder nur eine arg übertriebene (oder gar ironische?) Darstellung kapitalistischer Denkweisen sei: so offensichtlich dumm und / oder dreist würde die Glockenkurve nichtmal in den härtesten Tretmühlen der sogenannten „freien" Wirtschaft eingesetzt.

Weit gefehlt: ein Freund arbeitet als Abteilungsleiter in der Zentrale einer deutschen Bank und muss zwecks Personalabbau einmal pro Halbjahr seine Untergebenen ins Prokrustesbett der Glockenkurve legen.


PS: