ein beliebter Fehler:

 

Vorbemerkung
Hauptteil


Vorbemerkung

Als (frühpensionierter) Mathematik- und Deutschlehrer bin ich eine äußerst seltene Spezies - und durch zigtausend Korrekturen von Klassenarbeiten darauf trainiert, automatisch sofort (fast) jeden Fehler zu registrieren und blutrot zu verzieren:

Je mehr ich korrigieren musste

(10 000, 20 000, 30 000 … Schüler-Klassenarbeiten; vgl. Bild ),

desto mehr hat es mich angewidert, über Schülertexte derart brutal Blut verspritzen zu müssen

(und immer auf Falschem rumzuhacken; obwohl ich mir doch Mühe gegeben habe, auch Positives zu loben [aber auch das wieder in Blutrot]):

Ich verkam dabei vom Menschen zum Korrekturautomaten. Wie oft habe ich dann gehofft, ein ebenso schlauer wie stumpfer Computer („künstliche Intelligenz“) könnte mir diese oft unerträgliche Last abnehmen!:


... und das im Sekundentakt


Und dann gibt es selbsternannte Oberstudienräte, die sich einen Spaß daraus machen, außerhalb der Schule, also im „normalen“ Leben, jeden auftauchenden Rechen-, Rechtschreibe-,  Zeichensetzungs- usw. -fehler anzukreiden und
(was für eine Schrumpfform von „Bildung“!)

und wie ungebildet ihre Opfer,

Diese Querulanten würden am liebsten mit permanent paratem Rotstift jeden Fehler in ihrer Umwelt und sogar in einem Liebesbrief von ihrer Geliebten deren Rechtschreibefehler anstreichen - und dadurch die Liebe zerstören.

Dabei fallen Rechtschreibe-,  Zeichensetzungs- usw. -fehler den allermeisten Menschen im Alltag doch gar nicht auf, sind sie dort also herzhaft egal.

(Nebenbei: natürlich mache auch ich ab und zu Rechtschreibefehler

["wie schreibt man »Diarrhö« - oder »Diarrhoe« - oder »Diarroe« - oder »Diaroe« ...?"; mal abgesehen davon, dass ich bis eben nicht wusste, wie man das ausspricht und was das eigentlich ist],

und regelmäßig stoßen mir vor allem Zeichensetzungsfehler in "Leitmedien" wie dem "Spiegel" oder in Büchern z.B. des führenden Wissenschaftsverlags

[nicht zu verwechseln mit dem -Verlag; vgl. früher und heute ]

auf.)

Das Rumgemäkel an Äußerlichkeiten ist aber oftmals nur ein Trick, um hinterhältig indirekt den Inhalt vernichtend zu kritisieren: was soll schon jemand inhaltlich zu sagen haben, der nichtmal die Rechtschreibung beherrscht!?

Vor allem aber passt es nicht in diese beschränkten Gehirne , dass (auch mathematische) Sprache in verschiedenen Situationen unterschiedliche Funktionen haben kann

(und zwar insbesondere in der Fachsprache / im Alltag):


Hauptteil

Der Schnipsel entstammt einer 60.-Geburtstags-Faltkarte, die komplett so aussieht:

Vorderseite:       Innenseite:

(Die Enträtselung der raffinierten Groß-/Klein-, Unten-/Oben sowie Schwarz-/Rotschreibung
einzelner Ziffern und ganzer Zahlen auf der Vorderseite
überlasse ich dabei mal großzügig meinen Lesern.
bedeutet aber wohl "mit dem 60. Geburtstag ist hoffentlich noch [lange] nicht Schluss".)

Die Vorderseite ist natürlich (?)

Eine erheblich schlechtere Alternative wäre die schlichte Aufzählung

der Jahreszahlen gewesen, denn die fiele doch arg kurz aus, und zudem würde sie nicht zeigen, wie sich die Zahlen auseinander ergeben.

Die Frage ist doch: ab wann ist man (fühlt man sich) alt?

(um jetzt mal politisch hyperkorrekt zu sein)

- bzw.  kurz und bündig MFLGBTQIA+-Alter

(was mich an den immerhin teilweise mathematischen Namen "X Æ A-12" des armen Kindes von [???] Elon Musk erinnert; vgl. );

(dabei ist die Zahl 50 wie auch alle "runden" willkürlich, da unserem Dezimalsystem geschuldet);

 

Wer aber feiert denn schon mit großen Getöse seinen 60. Geburtstag?:

  1. ist das keine schöne Dezimalzahl (nicht ein halbes Hundert),
  2. ist man schon über den Zenit (50) hinweg

(die Zipperlein fangen an, die Einschläge kommen näher - oder wie meine Mutter selig in ihrem Plattdeutsch sagte, das alles leichter nimmt: "in onsern [unserem!] Bosch [Busch, Wald] wird gehaue [werden Bäume gefällt]"),

    1. steht man kurz vor der Pensionierung, gehört man also schon fast zum "alten Eisen". Oder wie Oliver Welke mal sagte: man ist kurz vor der „Kompostierungsphase“.
  1. Wenn man auf einer Internetseite aus einer Liste sein Geburtsjahr auswählen muss, ist das für einen 60jährigen ziemlich mühsam, muss er nämlich eine gefühlte Ewigkeit lang nach unten scrollen: 

Durch dieses Scrollen wird der Rückblick auf die Lebenszeit also von einer statischen Liste zu einer sehr langen Tätigkeit - und genau das geschieht eben auch bei

.

Die Tätigkeit besteht hier aber eben im Rechnen bzw. in einem ewig langen Stapeln von Einsen

("noch ein Jahr ... und noch ein Jahr ... und noch ein Jahr ... : wo sind all die [eigentlich doch langen] Jahre nur geblieben? Und es ist doch gar nicht möglich, dass ich schon zum sechzigsten Mal mit Freunden meinen Geburtstag feiere!"):

1+ 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1+ 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1+ 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1+ 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1+ 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1+ 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 =

(Vgl. unten ist eine große Zahl?)

Da wird also nicht (wie es einem ja oft erscheinen mag) sehr kurz das Ergebnis (60) des Alterns gezeigt, sondern sein langer Prozess spürbar - und entsprechend voll ist dann auch die Vorderseite der Geburtstagskarte.

(Aber dennoch gibt es einen guten Grund, seinen 60. Geburtstag zu feiern: es ist vermutlich der letzte "runde" Geburtstag, auf dem man noch ohne Rollator  selig zur Musik seiner Jugend tanzen kann.)


Obwohl also auf der Faltkarte durchaus richtig ist, ist es mir dennoch willkommener Anlass für mathematische Überlegungen:

Aus   folgt

 

Oder kurz

Wenn   aber richtig wäre, wäre das die Katastrophe der Mathematik, denn dann wären alle (natürlichen) Zahlen gleich:

0 = 1 = 2 = 3 = 4 = 5 = 6 = 7 = 8 = 9 = 10 = 11 = ... = 59 = 60 = 61 = ... ,

und da letztlich alles 0

(also der Große Gleichmacher)

ist, verschwindet die Mathematik einfach

(was viele Schüler sicherlich freuen würde).

wäre aber auch der ewige Jungbrunnen : man bliebe immer gleich alt, also z.B. ach so süße 17:

0 = 1 = 2 = 3 = ... = 16 = 17 =  18 = ... = 59 = 60 = 61 = ...

  

(Als wenn ausgerechnet mit 17 die Welt [noch] in Ordnung wäre.
Und außerdem habe ich nie begriffen, weshalb Blondinen angeblich besonders schön und - als ausgleichende Gerechtigkeit - doof sind)

ist aber zu schön, um wahr zu sein - und damit stellt sich die Frage:

 was ist in schiefgelaufen?:

Und dieser Widerspruch hat zur Folge, dass alle Alter gleich sind , also : das Baby ist gleichzeitig ein Teenager und ein Greis.

… was ja so unsinnig gar nicht ist; vgl.

So gesehen ist also durchaus richtig.


Wenn man derart zwischen Mathematik und „Leben“ hin- und herspringt, kann man

(insbesondere mit )

arg in heilloses Grübeln geraten

(ist ein Greis wirklich noch der[selbe] Mensch, der er als Baby war, oder ist auch diese Identität  [wie jede lineare Biografie] eine Illusion?: ).

Aber dieses Grübeln bringt uns mathematisch kein Stück weiter.

Also und ab jetzt nur noch wohltuend :


So viel wissen wir schon: der Fehler in bestand darin, dass

Das aber ist ein klassischer Widerspruch in sich, denn beides (alles verändert / alles gleich) ist ja nicht gleichzeitig möglich.

Da gibt es nur den Ausweg, dass wir an der einen Stellschraube drehen, die andere hingegen festhalten

Damit ergibt sich aber die witzlose Gleichungskette

              … 

(Um doch nochmal kurz rückfällig zu werden: die Gleichungskette               …ist nicht nur mathematisch uninteressant, sondern auch im Hinblick aufs Altern, es sei denn, man hält die Interpretation für tiefsinnig, dass der Mensch letztlich immer ein Neugeborenes bleibt.)

(wie so oft in der Mathematik)

Damit ergibt sich dann

(Nebenbei: für jemanden, der 60 Jahre alt ist, ergibt das eine ellenlange "Zahlentreppe", die gar nicht auf die Faltkarte passen würde;

sinnig wäre aber an dieser Zahlentreppe, dass es permanent bergab geht:

Die gezeigte Zahlentreppe geht diagonal übers Papier - und wird irgendwann zu breit für das übliche Schreibpapier oder einen Computerbildschirm.

Deshalb schreibt man die Gleichungen untereinander

(und zwar am besten so, dass die Gleichheitszeichen immer hübsch unter einander stehen):

(Ein kleiner Nachteil ist nun allerdings, dass die Zwischenergebnisse, zu denen im nächsten Schritt eine 1 addiert wird, nun nicht mehr direkt übereinander stehen, sondern immer nach vorne rücken: .)

Einheitlicher geschrieben und ohne die letzte Zeile , in der ja gar kein Gleichheitszeichen vorkommt:

 

Das sieht sicherlich ein bisschen dröge aus, ist aber nun endlich bildschöne Gleichungsmathematik

(und die Geburtstagkarte haben wir inzwischen längst vergessen).

  Entscheidend daran ist, dass in jedem Schnipsel bzw. jeder Zeile nur EIN Gleichheitszeichen auftaucht

(also nicht - wie in - MEHRERE Gleichheitszeichen).

Nun stehen in den Zeilen des Gleichungsstapels 

zwar nicht dieselben Gleichungen

(dann würde ja wie auf der Geburtstagskarte doch wieder gelten),

aber man kann dennoch mit einem netten kleinen Trick aus jeder Zeile die nächstfolgende machen:

                   

Dabei bedeutet | + 1, dass


Ein alter Lehrer kennt alle gängigen Schülerfehler

(vgl. )

und kann ihnen deshalb vielleicht besonders gut vorbeugen.

Dazu könnte er diese Fehler sogar bewusst provozieren - die Schüler also gezielt reinlegen bzw. „ins Messer laufen“ lassen, was aber doch bei empfindlichen Pflänzchen unter den Schülern auf Scham und bei einem sadistisch veranlagten Lehrer auf Schadenfreude hinauslaufen würde

("die Jugend von heute ist sowieso komplett verblödet!").

Da ist es doch wohl besser, wenn man Schüler auf die Fehler anonymer Dritter ansetzt.

Die Kunst dabei bestünde dann darin,


Ein allseits beliebter Schülerfehler ist eben   .

Ein einziges Beispiel:

gesucht ist (sind) die (falls vorhanden) Nullstelle(n) der Funktion f: y = .

Mögliche Problem (abgesehen von reinen Rechenfehlern):

    1. : unser Schüler erkennt nicht, dass also für y eine 0 eingesetzt werden muss und sich somit 0 = bzw. = 0 ergibt;
  1. : er formt

(unter der Voraussetzung, dass er die quadratische Ergänzung durchaus begriffen hat)

erstmal richtig ergibt:

Unser Schüler weiß nun auch noch, dass er aus die Wurzel ziehen muss - und er zieht (jetzt falsch) in aus  jedem Summanden die Wurzel

(oder er zieht - genauso falsch - nur aus die Wurzel),

und das zudem ohne Fallunterscheidung:

= =

Insgesamt also:

=

  =

Oder kurz

= ...

und noch kürzer

Damit ist unser Schüler zwar trotzdem noch ziemlich nah an der einen richtigen Lösung, nämlich (s.u.), aber

        1. kann er mit dem einzelnen Term nicht mehr weiterrechnen (die Lösung 7 erhalten),
        2. hat er die zweite Lösung (s.u.) zwischenzeitlich verloren.

Das lag daran, dass er

(was ihm bei Gleichungen vermutlich nicht passiert wäre, da er dann die 16 "auf die andere Seite" hätte bringen und dann aus 16 sehr wohl die Wurzel hätte ziehen können),

(Eine nette Dreingabe wäre es auch noch gewesen, wenn der Kandidat

Letztlich hat unser Schüler also

(u.a. aufgrund unklaren Vorunterrichts)

nicht den Unterschied begriffen zwischen


(ca. 2 m lang)

die Kette kann zusammengefaltet werden

,

so dass am Ende der schwierigste (Anfangs-)Term und der einfachste (End-)Term
nebeneinander liegen:


 


PS: ist eine große Zahl?

+ + + +

+ + + +

+ + + +

+ + + +

+ + + +

+ + + +

+ + + +

+ + + +

+ + + +

+ + + +

+ + + +

+ + + +

+ + + +

+ + + +

+ + +

Das ist enorm viel (ca. 22 000 Tage), aber deshalb auch so abstrakt wie das Vermögen von Bill Gates.

Aber im Nachhinein ist es sehr wenig, nämlich bloß bzw. ……….……….……….……….……….……….

.        (Mir scheint sowieso, dass alle Vergangenheit nur ein Schatten ist, weil wir Gefangene im sind.)

 
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