Helm ab zum Gebet!

... und heute waten wir mal knietief in Nationalstolz

  "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein."
"Worauf bist du da z.B. stolz?"
"Z.B. auf Goethe."
"Hast du irgendwas von Goethe gelesen, möchtest du Texte von ihm kennenlernen?"
"Nö."
 

Ein bisschen kosmopolitischer gefällig?:


"a larger-than-life scientific heroe"
( über Galilei)


"Was immer man auch sonst über Kurt Gödel sagen kann, jedenfalls war er in dem einzig wahren platonischen Himmel absolute Spitze [...] Gödel war [...] in der einzigen Weise Spitze, auf die es am Institute of Advanced Study ankommt: durch seinen Verstand - wobei der Grad an Abstraktion das Kriterium des Ranges ist. Das Institut ist schließlich der Himmel der Therorie, und die ist um so besser, je abstrakter sie ist. [...] [Gödel war] der hohe[...], einsame[...], allmächtige[...] Gott der Logik."
(Quelle: )


Das waren noch Zeiten:



(Gauß und Planck waren beide mal Bewohner Göttingens)

Aus dem ursprünglichen Max-Planck-2-Mark-Stück wurden dann später allerdings hübsch partei- und proporzpolitisch u.a.


Wer wie ich aus Münster kommt, darf allemal über Göttingen lästern: beide Orte (Städte?) sind zwar schnuckelig, wären aber ohne Universität immer schon und bis heute sehr verschlafen (gewesen).

Ich habe nie verstanden, weshalb Göttingen rein gar nichts aus seiner grandiosen Geschichte macht. Denn schließlich war Göttingen doch lange Zeit mathematisch-naturwissenschaftlich geradezu das Zentrum der Welt

(in einem amerikanischen Buch, das ich letztens gelesen habe, wurden einige lange Zeit mathematisch-naturwissenschaftlich führende Nationen genannt, aber für Deutschland wurde pars pro toto nur Göttingen erwähnt).

Es gibt in Göttingen kein zentrales Museum zu diesem Thema, und im "Gauß-Jahr 2005" fand zwar - nur vier Monate lang - eine Gauß-Ausstellung im Rathaus statt, die allerdings mit all ihren lateinischen Büchern zwar für Fachleute (mich :-) interessant war, auf  Laien aber nur abstoßend wirken konnte

(und es gibt nicht mal - ein echter Skandal! - "richtige" Biografien vieler berühmter göttinger Größen, also z.B. über den Spiritus Rector Göttingens und Fürsten der Mathematik, nämlich Gauß).


Jüngst hatte ich aber Gelegenheit, an einer (auch für Laien!) exzellenten Gauß-Führung durch Göttingen teilzunehmen, und als wir danach nach Hause fuhren, kamen wir mit dem Auto rein zufällig durch ein feines Villenviertel und dort durch die

An einigen Häusern waren (immerhin!) Gedenktafeln angebracht:

Und all diese gigantischen Namen in einer einzigen Straße!

(Einen Überblick, wer noch so alles [in anderen Straßen] in Göttingen gelebt und gewirkt hat, findet man unter .)

Da erschauerte ich doch vor Ehrfurcht!


"Wir (?) Deutschen" haben ein echtes Problem:

wir können nicht mehr "anbeten",

sondern finden

(regelrecht masochistisch und in vorauseilendem Gehorsam - wem gegenüber eigentlich?)

garantiert immer etwas zum Rummäkeln. Also z.B. die dubiose Beteiligung Heisenbergs an der Atombombenentwicklung der Nazis. Oder es wird "uns" doch glatt gelingen, sogar meinem Säulenheiligen Planck (vgl.   ) was ans Zeug zu flicken.

(Vgl. etwa

"[...] daß Max Planck, trotz seines zweifelsfreien Bemühens um die Bewahrung der deutschen Wissenschaft vor dem totalen Zugriff der Nationalsozialisten, als einer der führenden Repräsentanten dieser Wissenschaft eben diese durch seine Politik dem NS-Staat dienstbar gemacht hat. Auch wenn es ihm dabei vielleicht nur um das Überleben dieser Wissenschaft für eine bessere Zeit gegangen ist, so hat er sich um dieses zweifelhaften Zieles willen einem zutiefst inhumanen System angepaßt und dieses damit letztendlich gefördert und stabilisiert. [...]"

Oder ein Zitat von Planck selbst:

"[...] daß es doch verschiedenartige Juden gäbe, für die Menschheit wertvolle und wertlose, unter ersteren alte Familien mit bester deutscher Kultur [...]"

[beide Zitate nach  ]

Und James Francks Position im Nationalsozialismus war ja auch - gelinde gesagt - nicht ganz koscher.)

Wohlgemerkt: es geht mir


Sofort möchte ich mich allerdings meilenweit von Roman Herzogs symptomatischen Vorwurf "Bedenkenträger" distanzieren, denn "BeDENKENträger" können immerhin noch DENKEN!


Ein durch und durch typisch "deutsches" Beispiel ist

Ich habe dieses Buch gelesen, als es gerade herauskam und noch ziemlich unbekannt war, also lange bevor es (bezeichnenderweise?!) jetzt (März 2006) auf Platz 1 der Spiegel-Bestseller-Liste landete.

Ein Buch (wenn auch nur [!] einen "historischen" Roman) über eine (fiktive) Begegnung der Heroen Gauß und Alexander von Humboldt konnte ich beim besten Willen nicht ungelesen lassen!

Weil Kehlmann einen Roman geschrieben hat, sei ihm selbstverständlich allerlei historische Freiheit zugestanden

(u.a. die, dass er nicht im mindesten zeigt, was eigentlich wissenschaftlich an Gauß so bedeutsam war).

Und dennoch ...!

Kehlmann lässt keinen Zweifel an der wissenschaftlichen Größe seiner beiden Protagonisten

(da ist seine künstlerische Freiheit durch das Vorwissen der Leser dennoch arg eingeschränkt),

aber er nutzt (ohne Not!) jede Chance, die Privatpersonen als miese kleine Wichte darzustellen.

Das Buch ist ein mieses kleines populistisches Machwerk, nämlich die typische Rache der Kleingeister an Genies - und dementsprechend habe ich es nach der Lektüre seinerzeit umgehend entsorgt

(und ich höre schon die auch wieder nur typisch deutschen Entsetzensrufe "Bücherverbrennung - igitt!").

Eine nette kleine Antwort auf Kehlmanns Buch ist nebenbei der Mini-Krimi

.


Wohlgemerkt: es geht mir nicht darum, eventuell oder sogar fast sicher vorhandene "Schwächen" bzw. einfach nur das "Menschliche, Allzumenschliche" der "Großen" wegzumythologisieren

(vgl. etwa oben Plancks Verhalten gegenüber den Nazis),

also die "Großen" unnahbar zu machen bzw. zu halten.

Aber vor lauter voyeuristisch betrachteter Schwächen werden doch oftmals die Stärken (wissenschaftlich-kulturellen Leistungen) der "Großen" verschwiegen, ja, es kommt mir so vor, als wolle man sich für die einem selbst unerreichbaren Stärken der "Großen" durch permanentes Rumtrampeln auf den Schwächen eben dieser "Großen" rächen

(nun ja, so neu ist das nicht: vielleicht schon die griechische Tragödie, aber allemal die heutige Regenbogenpresse zieht ihren "Nährwert" immer auch daraus, den beneideten "Großen" genüsslich beim "Fall" zuzusehen - und damit zu beweisen, dass man´s letztlich doch besser hat

[wer bereits am Boden liegt, kann immerhin nicht mehr fallen?]

oder sogar besser ist?).

Mein Ideal wäre vielmehr zu zeigen, wie aus dem "menschlich-allzumenschlichen" Leben der "Großen" ihre besonderen Leistungen entstehen konnten. Fast hätte ich gesagt: wie trotz des "kleinen" Lebens Großes entstehen konnte.

Für uns Laien vielleicht noch der beste Zugang ist, wenn gezeigt wird, dass den "Großen" auch nicht alles zugeflogen ist, sondern sie oftmals hart gearbeitet haben und auch ihre lieben Misserfolgserlebnisse hatten (nebenbei: vgl. ).

Und dennoch bleibt der Schritt (das "Heureka!") vom "kleinen" Leben zur "großen" Erkenntnis vermutlich meistens (sogar für die "Großen" selbst) unerklärlich, also "mythisch".

Dabei gilt es nichts künstlich zu harmonisieren, aber darf auch nicht das Eine (beispielsweise Picassos manchmal zweifelhafter Umgang mit Frauen?) gegen das Andere (Picassos künstlerische Leistung) ausgespielt werden.

Weshalb denn ist etwa das Liebesleben der "Großen" heute noch von Interesse bzw. überhaupt noch bekannt?: doch wohl wegen ihrer eigentlichen "großen" Leistungen.


Ein Volk (was immer das sei), das aber nicht mehr "anbeten" kann, hat sowas nötig:

  1. "Die größten Deutschen"  und dann

  1.   "Du bist Deutschland" (vgl. "Du bist Bertelsmann")

  2.   Mein Gesicht ? Armes Deutschland!


Weil wir (?) uns nicht mehr "anzubeten" trauen, fällt uns sogar die Benennung neuer Schulen schwer:

(außer vielleicht "Gesamtschule 3 Pusemuckel");


Ich spare mir hier mal die Frage, aus welchen "guten" Gründen die (?) Deutschen nicht mehr "anbeten" können - und man muss ja nicht gleich ins gänzlich ungebrochene Nationalbewusstsein "des" Franzosen oder Amerikaners verfallen.


Von wegen eines göttinger Museums zur Mathematik- und Naturwissenschaftsgeschichte: ich wäre auch gegen ein solches Museum, wenn Göttingen sich damit völlig unkritisch nur in seiner längst verflossenen Vergangenheit suhlen würde.

Dabei hat Göttingen ja trotz des Bruchs 1933

(vgl. )

durchaus auch heute wissenschaftlich etwas zu bieten, und Einblicke ins "Heutige" würde ich ja allemal auch in dieses "Museum" aufnehmen, ja, die Vergangenheit geradezu als Einstieg in die Gegenwart nutzen.

Schließlich steht in Göttingen heute ein Max-Planck(!)-Institut neben dem anderen.

Allerdings setzt es da einige Probleme:

  1. gibt es wohl nicht mehr die (wenn auch miteinander kommunizierenden) Einzelwissenschaftler, sondern finden Entdeckungen in Teams (s. 3.) statt.

  2. läuft all das inzwischen passend im ebenso anonymen wie potthässlichen Zentrum Nord.

  3. ist - auch ohne Ablehnung der Gentechnik - eine Forschung an den Hoden (!) von Mäusen (!) ja nicht gerade sexy: