ein grafischer Hoffnungsschimmer 

  Nachtrag 3/2021:

"Der Anstieg der Weltbevölkerung ist offenbar gestoppt." (?)

Was an dieser (noch unbeschrifteten) Grafik ist denn angeblich so hoffnungsspendend bzw. überhaupt  auffällig und bemerkenswert?

Auf den ersten Blick sieht man darin vielleicht nur (annähernd) eine Gerade, also einen verlässlichen bzw. langweiligen, ewig gleichen Verlauf.

Auf den zweiten Blick erkennt man aber vielleicht doch die (wenn auch geringen) Abweichungen von einer Geraden

(man muss sie ja nicht wirklich einzeichnen, sondern es reicht

[aber das sagt sich so leicht!],

sie "hinein zu sehen"):

(Nebenbei: man hat sich darauf geeinigt, dass Graphen - wie unsere Schrift - immer von links nach rechts und nie umgekehrt "gelesen" werden.)

(wenn auch nur knapp)

unterhalb der Geraden,

Oder anders gesagt:

(wenn auch nur mäßig )

immer steiler,

(wenn der Graph auch weiterhin steigt).

(Nebenbei: dahinter steckt schon allerhand Mathematik: dass nicht nur die Steigung [erste Ableitung]

[im vorliegenden Fall steigt der Graph ausnahmslos],

sondern auch, ja vielleicht noch mehr die Zu- und Abnahme der Steigung [zweite Ableitung] interessiert.

Und noch ein kleiner Exkurs: es ist immer zu empfehlen, Graphen mit "Wirklichkeit" aufzufüllen, also beispielsweise mit einem zu besteigenden Berg. Im vorliegenden Fall wird er anfangs zunehmend steiler [wird das Wandern immer beschwerlicher], während die Steigung später wieder nachlässt [das Wandern also wieder einfacher wird].)

Schon ein bisschen mathematischer (und doch in Alltagssprache) gesagt:

(Nebenbei: natürlich liegt nicht bei jedem Funktionsgraphen links eine Linkskurve und rechts eine Rechtskurve.)

Nun nennt man einen Punkt, bei dem eine Links- in eine Rechtskurve übergeht (oder umgekehrt), " Wendepunkt", und

das entscheidende an einem Wendepunkt ist, dass da eine Trendumkehr bzw. eben Trend wende stattfindet:

zwar steigt der Graph im vorliegenden Beispiel permanent, also

aber

(Nebenbei: wenn man genau hinsieht, liegt der Wendepunkt in

nicht genau im Schnittpunkt des Graphen mit der Hilfsgeraden, sondern etwas weiter rechts; wo genau, kann in der Tat nur eine algebraische Rechnung zeigen.)


Bislang ist der Graph

völlig abstrakt (abgenagt), also bedeutungslos - und damit ist auch der Wendepunkt/die Trendwende völlig undramatisch.

  Menetekel

(aramäisch Mene tekel ufarsin), nach Daniel 5,ÿ25-28 Orakelworte, die während des Gastmahls des babylonischen Königs Belsazar von einer Menschenhand an die Palastwand geschrieben und von Daniel im Sinne des Endes seiner Herrschaft und seines Reiches gedeutet wurden (»Er [Gott] hat [das Reich] gezählt, gewogen, zerteilt«); danach übertragen: Ankündigung baldigen Unheils; ernster Warnruf.ÿ[...]

(Brockhaus multimedial 2002)

Aber es fällt nicht schwer, sich probeweise eine Bedeutung auszudenken, also beispielsweise, dass der Graph die Gewinne eines Unternehmens  im Verlaufe einiger Jahre zeigt:

(und auf den ersten Blick sogar wie eine Gerade, also sehr verlässlich),

ab dem Wendepunkt wird die Steigerung immer geringer, was doch immerhin darauf hin deuten könnte, dass bald das Maximum erreicht ist; und "Maximum" hört sich zwar immer schön an, birgt aber doch die Gefahr, dass direkt danach (nach dem "Bergfest") ein Abschwung (bis hin zur Pleite des Unternehmens?) erfolgt.

Beim Beispiel "Unternehmensgewinne" ist der Wendepunkt

(hier der Übergang von einer Links- in eine Rechtskurve)

also ein Menetekel und daher eine eher schlechte Nachricht.


Nun aber der Originalzusammenhang, in dem der Graph auftauchte:


(Quelle: , wobei der Wendepunkt von mir ergänzt wurde)

Thema ist also die "Bevölkerung in Mrd.", d.h. die Größe der Erdbevölkerung in verschiedenen Jahren sowie ihre Entwicklung über die Jahre hinweg.

Und hier hat der Wendepunkt eine ganz andere und viel dramatischere Bedeutung als eben bei den Gewinnen eines (einzigen) Unternehmens

(wobei hier von einer positiven Dramatik die Rede ist):

der Wendepunkt ist hier (zumindest auf den ersten Blick) nicht mehr alarmierend, sondern ein

Hoffnungsschimmer:

  • zwar steigt die Erdbevölkerung in absehbarer Zukunft auch weiterhin

(es ist also noch nicht klar, ob sie auch mal wieder fallen wird),

  • aber die Steigung nimmt doch langsam ab.

Wenn man das mit früheren Hochrechnungen vergleicht, die ein "exponentielles", also immer rasanter steigendes Wachstum (eine permanente Linkskurve) vorausgesagt haben


( Bevölkerungswachstum
[Säule in einer Ausstellung des Deutschen Museums in München]),

so kann einem da wirklich ein Stein vom Herzen fallen.

Aus der Grafik

geht allerdings nicht hervor, warum die Trendwende stattfindet.

(Bevölkerungswachstum und -rückgang sind ja nicht [Negativ-]Werte an sich; so könnte ein Rückgang der Bevölkerung oder auch ein langsameres Wachstum ja auch durch Katastrophen wie etwa die Aids-Epidemie, also durch ungeheuerliches menschliches Elend bedingt sein.)


Der linke Teil der Grafik betrifft offensichtlich die Vergangenheit ("Erhobene Daten"), der rechte die Zukunft ("Prognostizierte Daten").

Da bleibt erstmal unklar, wie die vergangenen Daten gewonnen wurden, vor allem aber, wie die Prognose "konstruiert" wurde

(denn offensichtlich wurde ja nicht die bisherige Linkskurve einfach in die Zukunft verlängert).

Für ein genaueres (fast hätte ich gesagt: verantwortliches) Verständnis der Grafik bedürfte es also eines vermutlich ellenlangen Textes.

(Zwar gilt oftmals Bild "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte", und dennoch sind viele Grafiken unverständlich bzw. grob verkürzend, wenn ihre Details nicht - in einem zusätzlichen, längeren Text - erklärt und begründet werden.)

Bemerkenswert ist aber auch, dass der Wendepunkt genau in unserer Gegenwart liegt. Nun kann man von einem Wendepunkt ja wohl überhaupt erst reden, wenn er bereits stattgefunden hat (Vergangenheit) oder gerade stattfindet (Gegenwart):

Wir sind - wenn die Prognose denn überhaupt stimmt - Zeitzeugen eines wahrhaft dramatischen Wandels.

Dennoch ist das kein Anlass, nun beruhigt die Hände in den Schoß zu legen, denn der "Bevölkerungsoverkill" ist trotz Wendepunkts noch lange nicht abgewendet: jedeR MathematikerIn weiß,

dass selbst bei abnehmendem Wachstum die Bevölkerung dennoch in alle Ewigkeit (?) zunehmen kann

(z.B. "asymptotischer" Verlauf).

Weil die Erde weder endlos Platz noch endlos Ressourcen bietet, kann kann die Weltbevölkerung natürlich nicht in alle Ewigkeiten zunehmen, sondern das Wachstum müsste früher oder später entweder durch Vernunft (Familienplanung) oder durch eine Katastrophe gestoppt werden.

Bzw. mag ja sein, dass die Steigung langsam abnimmt, aber nimmt sie auch schnell genug (vor einer Katastrophe) ab?

Und sowieso ist der ganze rechte Teil der Grafik "nur" Prognose.


Es gibt gute Gründe für die Skalierung der Grafik

Bemerkenswert ist aber, dass die Werte der x-Achse (Jahre) und die der y-Achse (Bevölkerungszahl in Milliarden) rein gar nichts miteinander zu tun haben, was man auch daran erkennt, dass

(und überhaupt

(Notgedrungen) verharmlosend ist also insbesondere die Skalierung der y-Achse: eine Einheit bedeutet da nicht - wie sonst in der Mathematik - "eins", sonder "eine Milliarden".

Um diesen irreführenden Effekt ein wenig auszugleichen und um zudem zu berücksichtigen, dass der Zeitraum 1950 - 2050 ja nur ein minimaler Ausschnitt der (dokumentierten) Menschheitsgeschichte ist, stauchen wir mit einem Bildbearbeitungsprogramm mal die obige Grafik horizontal:

Überhaupt erst dadurch wird die

(trotz abnehmender Steigung)

rasante Entwicklung des Bevölkerungswachstums deutlich und ähnelt unsere Grafik ein wenig der erheblich dramatischeren Kurve

.


Nebenbei: anhand von

wäre gleich zu Anfang viel deutlicher geworden, dass keine hübsch verlässlich-sorglose Gerade vorliegt.


Wie oben schon kurz angedeutet, sollte man natürlich auch nach der Quelle und ihrer Seriosität fragen. Sowohl das Deutsche Museum als auch das Statistische Bundesamt scheinen mir nun aber über jeden (?) Zweifel erhaben zu sein.


Vgl. allerdings auch

PS: Kurz drauf lese ich in dem Buch :

"Wenn sich bis zum Jahr 2050 die Population bis rund neun Milliarden einpendelt - was man annimmt - [....]"
(S 102f)

Allerdings hält der Autor Flannery die Erde schon derzeit - im Hinblick auf die Ressourcen - für überbevölkert.