: keiner versteht mich (schnief!)

vgl. auch

  1. ein mathematisches Beispiel:

der genaue Anlass ist hier irrelevant; nur soviel: in einer Lehrerfortbildung wurde anfangs folgende Aufgabe gegeben:

Der Kursleiter sagte dazu noch, offensichtlich seien für die populäre Darstellung die Daten verkürzt worden, was wohl hieß: statt der Absolutbeträge der Originalerhebung

(z.B. 8400 Jungen ohne Abschluss)

werden in der Zeitung nur die relativen Anteile gegeben, die also wohl rekonstruiert werden sollten.

Die anwesenden LehrerInnen (außer mir, s.u.) rechneten daraufhin sofort hübsch brav drauflos und erhielten z.B. folgende Lösungsergebnisse:

Ich aber habe, wie bereits gesagt, als Einziger nicht prompt losgerechnet, und zwar aus drei Gründen:

  1. : da alle anderen sofort brav losrechneten, konnte ich mir das ja sparen - und seelenruhig auf die Ergebnisse der anderen warten

  ("mathematisches Faulheitsprinzip");
  1. : ich neige (zumindest in der Mathematik) sowieso dazu, erstmal gründlich nach(?)zudenken - und erst danach (!) zu handeln/rechnen

  (in einer späteren Aufgabe auf der Lehrerfortbildung hatte ich dann längst einen wichtigen Spezialfall erkannt, den ein "nur" rechnender Nachbar [vor lauter Rechnen?] gar nicht gesehen hatte);
  1. und vor allem aber habe ich mich gefragt: "was soll das?", d.h.: "in welchem Unterrichtskontext erscheint diese Aufgabe - und ist sie da »sinnvoll«?":

Baumdiagramme und Vierfeldertafeln sind doch nur dann sinnvoll, wenn nur durch sie Ergebnisse erreichbar sind, die mit der simplen Anschauung nicht zu erhalten sind

(wobei allerdings die simple Anschauung einen oftmals auch trügen kann, was man ja vor Erstellung eines Baumdiagramms bzw. einer Vierfeldertafel gar nicht bemerkt, so dass diese eben doch nötig sind).

Zu einem Beispiel dafür, dass es ohne ein Baumdiagramm nicht geht, siehe

.

Aber was an der Mädchen-/Jungenaufgabe sieht man ohne Baumdiagramm bzw. Vierfeldertafel nicht?

Schauen wir uns dazu die Aufgabenstellung genauer an:

 
  • sagt schon die Überschrift das einzig Wichtige: "Mädchen schneiden besser ab";
  • soll von dem Zeitungsartikel

ja nur der zweite Absatz mathematisch umgesetzt werden. Wozu ist dann der erste Absatz überhaupt mit abgedruckt? Um nicht verkürzt und damit oftmals sinnentstellend zu zitieren? Oder weil der erste Absatz "nur" aus anderer Perspektive dieselbe These bekräftigt, die auch der zweite enthält?: "Mädchen schneiden besser ab".

Die Zentralthese "Mädchen schneiden besser ab" ist also auch ohne jede Mathematik klar

("rund 60 Prozent von ihnen [= denen, die keinen Abschluss schafften] sind Jungen),

und da gibt es keine Notwendigkeit, noch irgendwas zu rechnen.

(Eine viel interessantere, außermathematische Frage wäre, warum Jungen

[wenn die Erhebung denn repräsentativ ist]

 so schlecht abschneiden. Um solche Fragen kann sich der Matheunterricht natürlich nicht immer kümmern, aber das ist keine Entschuldigung dafür, dass er es nie tut.)

In einem zweiten Teil folgte nun diese Anschluss-Aufgabe:

Ich möchte all diese Teilaufgaben hier nicht vorrechnen, sondern mir geht es nur darum, dass diese zweite Aufgabe nun tatsächlich nicht ohne Erstellung eines Baumdiagramms oder einer Vierfeldertafel lösbar ist.

Und da habe ich dann erst mich, dann meinen Nachbarn und danach den Fortbildungsleiter gefragt, warum man denn nicht im Unterricht mit dieser zweiten Aufgabe anfängt

(aus der sich die erste automatisch ergibt).

Mein Nachbar verstand meine Frage überhaupt nicht, sondern sagte nur zur ersten Aufgabe, dass SchülerInnen nun mal lernen müssten, (egal welche) Textaufgaben in Mathematik umzusetzen, also die mathematischen Details rauszudestillieren und damit dann innermathematisch weiterzurechnen.

Ich habe dann eingewandt, solch rein abstrahierendes Denken sei natürlich in einer späteren Unterrichtsphase auch wichtig

("destilliere aus 100 Sachaufgaben möglichst schnell die jeweilige Mathematik heraus"),

aber gerade am Anfang sei es doch auch wichtig, eine interessante Sachfrage zu haben und überhaupt erst zu erarbeiten, wie man daraus Mathematik machen und überhaupt erst mit dieser die Sachfrage klären könne.

Und der Kursleiter antwortete auf meine Frage nur, die zweite Aufgabe sei ohne die vorhergehende erste schlichtweg zu kompliziert. Gleichzeitig aber räumte er ein, dass die SchülerInnen natürlich schon vor Behandlung der beiden Aufgaben sowohl das Baumdiagramm als auch die Vierfeldertafel durchgenommen haben und diese ihnen also bereits zur Verfügung stehen müssten.

Damit war von beiden Seiten meine Frage abgewürgt - und ich fühlte mich mal wieder völlig unverstanden (schnief!).

(Überhaupt fühle ich mich immer vollends unverstanden [schnief!], wenn ich regelmäßig nach dem "Ort" von Aufgaben und Methoden im konkreten Unterricht und nach der konkreten Aufgabenstellung frage.)

Dabei ist die Handy-Aufgabe hier

[im Gegensatz zu den üblichen Handy-Tarif-Optimierungsaufgaben]

keineswegs aufgesetzt und anbiedernd, sondern - um es mal so zu sagen - immerhin "halb-realistisch":

 
  • wie oft wird man inzwischen doch auf Bahnreisen durch dümmstes und privatestes Handy-Gequatsche belästigt!

  • seien wir aber ehrlich: wenn man's nun partout nicht überhören kann, ist man ja auch ein wenig neugierig und versucht aus den Gesprächsanteilen des

(evtl. nicht sichtbarenden)

  Mitreisenden herauszufinden, was er für ein Mensch ist, aber auch, was sein weit entfernter Gesprächspartner für ein Mensch ist und jeweils gesagt haben mag.

 

Einzig die Teilaufgabe a) ist völlig uninteressant und wohl nur zur Datensammlung für die folgenden Teilaufgaben gedacht.

Und Aufgabenteil d) ist zwar interessant im Hinblick auf die Folgefragen

("dramatisieren, beschwichtigen"),

aber gleichzeitig doch völlig unrealistisch, weil man da ja auch die Antwort des Gesprächspartners "am anderen Ende" hört.

  1. ein erstes "kultuspolitisches" Beispiel:

auf derselben Fortbildung wurde eine Methode explizit für den Mathematikunterricht vorgestellt: an den beiden Enden eines langen Flurs wurden zwei einander widersprechende Plakate aufgehängt, und zwar so etwa sinngemäß mit den Texten "zentrale Klausuren helfen, den Unterricht zu verbessern / zentrale Klausuren helfen nicht, den Unterricht zu verbessern". Und nun wurden die Anwesenden gebeten, sich "stetig" den beiden Thesen zuzuordnen, also durch ihren wortwörtlichen Standpunkt mehr oder minder einer der beiden Thesen zuzustimmen.

Das Ergebnis sah etwa folgendermaßen aus:

 
  • einige wenige positionierten sich direkt am Plakat "zentrale Klausuren helfen, den Unterricht zu verbessern"

(und einer der dort Stehenden meinte, die LehrerInnen müssten halt zu anderen/neuen Aufgaben gezwungen werden)

  • wie regelrecht gausskurvenmäßig zu erwarten, hatten die meisten eine Wischiwaschi-Einstellung, drängelten sich also arg bedröppelt just in der Mitte zwischen beiden Plakaten,

  • nur ein weiterer Teilnehmer und ich standen direkt beim Plakat "zentrale Klausuren helfen nicht, den Unterricht zu verbessern".

Und ich fühlte mich (schnief!) natürlich wieder (fast) völlig unverstanden: wie kann denn einE LehrerIn, die/der halbwegs bei Verstand ist, irgendwas an zentralen Klausuren gut finden?! Aber es ist wohl schlichtweg ein Denkfehler, bei LehrerInnen, die es ja besser wissen müssten, jemals Einigkeit zu erwarten.

(Nebenbei: was soll die gezeigte Meinungs-Messmethode denn eigentlich im Matheunterricht?: sollen wir demnächst zwei Plakate mit den Aufschriften "die Wurzel aus 2 ist [ir-]rational" aufhängen, die SchülerInnen dann abstimmen lassen und dabei auch die Antwort "die Wurzel aus 2 ist ein bisschen irrational [= leicht meschugge]" zulassen?!)

  1. ein zweites "kultuspolitisches" Beispiel:

An der Schule eines Freundes, der ebenfalls Lehrer ist, steht die "Qualitätskontrolle" an, und da meinte der Freund doch glatt, "so ganz schlecht" sei diese ja "doch" nicht.

Und schon

 
  • fühlte ich mich (schnief!) mal wieder (von einem Freund!) völlig unverstanden,

  • schien mir, dass jetzt sogar dieser Freund noch einknickte

  • und - welch nagender Zweifel! - er vielleicht gar kein richtiger (?) Freund (!) ist.

  1. 78 Prozent verstehen mich!: