Kongruenz, Ähnlichkeit und Homöomorphie
in Comics
Schon allein diese Namen:
Aus "Kongruenz" und "Ähnlichkeit" wird in der üblichen Schulmathematik ein regelrechtes Glaubensbekenntnis gemacht, wobei ich befürchte, dass da die Sache, um die es geht, solange totproblematisiert wird, bis das Selbstverständliche garantiert unverständlich geworden ist:
wie banal, bleibt das Ding doch bei Verschiebung, Drehung und Spiegelung es selbst bzw. dasselbe. Bzw. das wäre ja noch schöner, dass ich ein Ding ein wenig verschiebe, drehe oder spiegele und sich dabei Form und/oder Größe verändern!
Nun kann man ein (erstes) Ding natürlich auch solange verschieben, drehen oder spiegeln, bis es genau dort liegt, wo schon vorher ein anderes (zweites) Ding mit derselben Form und Größe lag.
Beispiel:
ich lege (mittels Verschiebung, Drehung und Spiegelung) ein erstes Exemplar von auf ein zweites, gleichartiges Exemplar von .
Wohlgemerkt: die zweite Bibel ist hier nicht mehr dieselbe (wie die erste), sondern nur noch "gleichartig" - ein doch arg schwammiges Wort.
Z.B. gibt es doch deutliche, uns hier aber nicht interessierende Unterschiede:
Gleich, ja sogar identisch sind hingegen Form und Größe der beiden Bibeln, und wenn das der Fall ist, sagt man auch, die beiden Bibeln seien "kongruent". |
So gesehen sind auch und kongruent, Hauptsache eben, Form und Größe sind identisch.
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Alle Klarheiten beseitigt? Widersprechen sich da nicht sogar die beiden Definitionen aus ein und demselben Lexikon, nämlich "Der Brockhaus in Text und Bild Edition 2002"?:
Herrscht also nichtmal bei den Kongruenzdefinitionen Kongruenz?
Die Erklärung für solch unterschiedliche Definitionen liegt wohl darin, dass es einerseits umgangssprachliche und andererseits streng mathematische Bedeutungen gibt:
(Und doch: "Wenn zwei Menschen immer dasselbe denken, ist einer von ihnen überflüssig." [Sir Winston Spencer Churchill])
Und sicherlich sind die Bibel und der Koran (inhaltlich!) nicht in allen "Punkten" kongruent - also "disgruent".
Das allein würde aber nicht reichen, denn die Bibel würde ja auch dann den Koran verdecken, wenn letzterer kleiner wäre:
Und genauso könnte der Koran ja eine andere Form haben:
Deshalb muss umgekehrt auch gelten:
Oder kurz gesagt:
Aber vermutlich habe ich jetzt selbst unnötig verkompliziert, was doch so einfach ist - und sich wunderbar z.B. anhand von
Affen
verstehen lässt.
Zu allererst war ich doch erstaunt, dass diese drei altbekannten Affen, die sich Ohren, Mund bzw. Augen zuhalten und heute bei "uns" für feiges Nicht-wahrhaben-Wollen stehen, ursprünglich in Japan für "für den vorbildlichen Umgang mit Schlechtem" stehen/standen standen (vgl. ).
Die drei Affen sind ganz offensichtlich nicht kongruent, weil sie zwar alle drei etwa die gleiche Größe haben, aber doch völlig unterschiedliche Formen (Körperhaltungen).
Hübsch kongruent hingegen sind hingegen die Affen aus einer irrwitzigen "Dschungelbuch"-Szene:
Diese vier Affen wirken ja gerade so komisch, weil sie völlig synchron tanzen und kongruent sind. Ich wette zudem, dass umgekehrt ein "Schuh" draus wird: in den Frühzeiten des Trickfilms hatte man gar keine Zeit, andauernd neue Bilder zu zeichnen, sondern war gezwungen, aufwändig hergestellte Bilder mehrfach zu benutzen. Bei der vorliegenden Szene hat man also wohl aus der (Zeit-)Not eine (künstlerische) Tugend gemacht, d.h. einen Affen gezeichnet und daneben dann drei kongruente Kopien.
Der Vorteil dieser Affensequenz ist aber ein dreifacher:
Die - zudem synchrone - Kongruenz hat durchaus ihren (zweifelhaften) Reiz. Vgl. etwa
("Köpfchen unter Wasser, Schwänzchen in die Höh"),
(Es ist mir zwar sonst zu pauschal, passt hier aber eben doch:
"Soldat Soldat in grauer Norm
Soldat Soldat in Uniform
Soldat Soldat, ihr seid so viel
Soldat Soldat, das ist kein Spiel
Soldat Soldat, ich finde nicht
Soldat Soldat, dein Angesicht
Soldaten sehn sich alle gleich
Lebendig und als Leich"
[Wolf Biermann]
Und überhaupt: woher kommt eigentlich dieser Wunsch, kongruent und somit verwechselbar zu sein?)
Genauso kongruent wie die vier Affen oben sind auch die
Panzerknacker
(oder da doch zumindest die mittleren drei, wenn man mal von ihren verschiedenen Sträflingsnummern absieht).
Bleiben wir also bei der Form - und schauen nochmal zurück zur Kongruenz, bei der zwei Bedingungen gelten, nämlich Form und Größe zweier Gegenstände übereinstimmen mussten.
Man könnte auch sagen: man erhält einen zweiten, zum ersten Gegenstand kongruenten, wenn man den ersten auf einen Kopierer legt und das Abbildungsverhältnis 1:1, also weder eine Vergrößerung noch eine Verkleinerung wählt:
Für die Ähnlichkeit lassen wir nun die zweite Bedingung, also die gleiche Größe, weg, womit dann nur noch die erste Bedingung, also die gleiche Form, übrig bleibt.
Oder anders gesagt: man erhält einen zweiten, zum ersten Gegenstand ähnlichen Gegenstand, wenn man den ersten auf einen Kopierer legt und entweder eine Vergrößerung
oder eine Verkleinerung wählt:
Ziemlich banal dabei und doch ungeheuer wichtig ist, dass das jeweilige Originalbild gleichmäßig vergrößert oder verkleinert wird, also beispielsweise der erste Affe genauso wie der zweite.
Was das bedeutet, lässt sich besonders einfach anhand der Ähnlichkeit von Dreiecken verdeutlichen
(einer der Hauptgründe, meistens anhand dieser die Kongruenz bzw. Ähnlichkeit zu zeigen):
Hier sind alle Dreiecksseiten mit demselben Faktor vergrößert, d.h.
Man kann auch sagen: die ähnliche Vergrößerung bzw. Verkleinerung ist eine zentrische Streckung von einem Punkt P aus:
Und damit stellt sich der ähnliche Affentanz so dar:
Hier sind die Affen nicht mehr alle gleich groß, sondern jeder ist eine ähnliche Vergrößerung des links von ihm tanzenden.
Ein Musterbeispiel für Ähnlichkeit sind die Daltons aus den Lucky-Luke-Heften bzw. -Filmen
(die vier Daltons sind ähnlich, denn sie sind zwar verschieden groß, haben aber alle dieselbe Form, was den Zeichnern vermutlich viel Arbeit erspart hat: sie brauchten oftmals nur eine Figur zu zeichnen und diese dann nur noch zu vergrößern bzw. verkleinern).
Und die schönsten Gags ergeben sich in den Filmen gerade aus der bewegten Ähnlichkeit:
Nun ist aber der umgangssprachliche Begriff der "Ähnlichkeit" viel umfassender als der soeben dargelegte mathematische. Und dieser umgangssprachliche Begriff ist durchaus hilfreich, um auch mathematisch weiter zu kommen.
Beispielsweise werden umgangssprachlich keineswegs nur die beiden Dreiecke in
als ähnlich angesehen, sondern durchaus auch folgende beiden Dreiecke:
Diese beiden Dreiecke sind
Nun kann man sich natürlich fragen, wie in dem vorliegenden Fall das rechte aus dem linken Dreieck entstanden ist. Dazu stellen wir uns vor, dass
Ausgehend von diesem Gummituchtrick gehen die Mathematiker nun aber noch einen Schritt weiter und stellen beispielsweise Gemeinsamkeiten beispielsweise zwischen
und
fest: wenn man den blauen, auf ein Gummituch gemalten Kreis an den Punkten A, B, C und D anfasst und diese nach außen zieht, erhält man die Form des gelben Quadrats:
Man sagt dann auch mangels eines einfacheren Begriffs, der blaue Kreis und das gelbe Quadrat seien "homöomorph":
"Ein Homöomorphismus [...] ist ein zentraler Begriff im mathematischen Teilgebiet Topologie. Er bezeichnet eine bijektive, stetige Abbildung zwischen zwei Objekten, deren Umkehrabbildung ebenfalls stetig ist.
Zwei Objekte heißen homöomorph (auch "topologisch äquivalent"), wenn sie durch einen Homöomorphismus (auch "topologische Abbildung") ineinander überführt werden können; sie liegen in der gleichen Homöomorphieklasse, sind, unter topologischen Gesichtspunkten, gleichartig.
[Alle Klarheiten beseitigt? Na, da ist Folgendes schon verständlicher:]
Anschaulich kann man sich einen Homöomorphismus als Dehnen, Stauchen, Verbiegen, Verzerren, Verdrillen eines Gegenstands vorstellen; Zerschneiden ist nur erlaubt, wenn man die Teile später genau an der Schnittfläche wieder zusammenfügt."
(Quelle: )
Und das mathematische Teilgebiet der "Topologie" nennt man manchmal auch schnoddrig einfach nur "Gummituchmathematik".
Das dreidimensionale äquivalent zur "Gummituchmathematik" könnte man auch "Knete-Mathematik" nennen. Dann ist beispielsweise eine Tasse homöomorph zu einem Donut bzw. Torus
Hauptsache, man stopft vorhandene Löcher nicht zu, macht keine neuen Löcher und zerschneidet das Knetgummi nicht.
Nebenbei: es gibt halt Vorgänge, die man kaum an einem realen Modell, sondern nur mit einer Computersimulation zeigen kann.
Das einzige reale Modell, das mir zur Homöomorphie einfällt, sind Arzthandschuhe, die man aufpustet:
→
Größe und Form verändern sich
(die Form, weil die Finger nicht gleichschnell mitwachsen),
aber Ausgangs- und End-Handschuh sind homöomorph, und zwar selbst dann, wenn man die Finger nach innen stülpt.
Hier soll nicht ausführlich auf das mathematische Teilgebiet der "Topologie" eingegangen, aber doch kurz bedauert werden, dass es in der Schule üblicherweise gar nicht vorkommt. Dabei wäre das durchaus möglich:
Und das würde allemal dazu beitragen, geometrisch-räumliches Denken zu üben, zumal es handgreiflich geübt würde.
Nein, hier soll nur ein Comic-Beispiel für Homöomorphie gezeigt werden, nämlich Cäsars ebenso farblich wie plastisch chamäleonhafter Spion in dem Film "Asterix und Kleopatra":
(Und hier nebenbei kann man sehen, weshalb es aussichtslos ist, Zeichentrickfilme in Filme mit Schauspielern umzuwandeln.)
Erst viel später fällt mir auf, wie sehr die Homöomorphie Zeichentrickfilme beherrscht: ein Wesen (Mensch, Tier) ist solange nicht tot, wie es "nur" beliebig verformt, aber nicht zerrissen wird: