beim gesunden Menschenverstand anfangen

"... und die Erde ist eine Scheibe"

10 Beweise, dass die Erde eine Scheibe ist:

  1. Es ist halt so. Wie kann es eigentlich anders sein?
  2. Wenn man ca. 5 km westlich von Europa aufs Meer rausschwimmt, fällt man über den Rand der Platte und verbrennt (brutzel), wie ihr ja sicher wisst. ( Amerika ist selbstverständlich schon ein Teil der Hölle.)

  3. Die NASA täuschte nur vor, dass Armstrong den Mond betreten hat. Das kann man natürlich nicht! Oder haben sie schon mal ein Poster betreten, das an ihrer Zimmerdecke hängt?

  4. Jerusalem ist der Mittelpunkt der Erdscheibe. Wäre die Erde nun eine Kugel (das ist sie nicht), wäre der Mittelpunkt ja in der Kugel, und dort gibt es kein Jerusalem. Demnach muss die Erde also eine Scheibe sein.

  5. Die Astronauten, die die Erde von oben aus sahen und sie für eine Kugel hielten (!!!!), wurden Zeuge eines psychologischen Phänomens: Paranoia. Davon abgesehen hat niemals ein Mensch die Scheibe in so etwas wie einen "Weltraum" verlassen (Das gibt es natürlich nicht, mein Gott!). Es handelt sich um ein geheimes, großes Komplott der Regierungen gegen uns, waahaaa!

  6. siehe Punkt 1

  7. Wenn man sich wie blöd in die Erde hineinbohrt, wird es bekanntlich irgendwann sehr warm. Das hat nichts mit dem runden, heißen Erdkern zu tun (Propaganda!) sondern damit, dass man sich der Hölle nähert, in der es natürlich sehr heiß ist. Beweis: Bohren Sie ruhig mal, Sie werden es sehen bzw. verbrennen.

  8. Es wird oft von der sogenannten "Erdkrümmung" geredet - alles Schwachsinn. Zwar beteuern beispielsweise Bergsteiger, Zeugen ebendieser Krümmung der Erdoberfläche gewesen zu sein, doch dies wird hiermit dementiert. Basta.

  9. Auch die Erdrotation als Kugel (das gibt es nicht) oder als Scheibe, ist völlig aus der Luft gegriffen, da die auf ihnen vorhandenen großen Hügel und Berge die Erde unförmig machen. Ein wichtiges Indiz, das bisher offenbar übersehen wurde! Die Erde würde bei einer Drehung aus den Fugen geraten und kaputt gehen. Man könnte sie dann nicht mehr reparieren.

  10. Leute, die behaupten, die Welt umrundet zu haben, sind paranoid, ketzerisch und unglaubwürdig. Anhand dieser Charaktereigenschaften wird klar, das jede Aussage dieser Menschen ziemlich sicher paranoid, ketzerisch und unglaubwürdig ist und deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Lüge darstellt.

(zitiert nach )

 

Ansonsten aber werde ich hier den Teufel tun, die überhebliche Abwertung  des "gesunden Menschenverstands" (nicht zu verwechseln mit der "[im]moral majority") mitzumachen:

"Wenn Einsicht und Wissenschaft auf die Neige gehen, alsdenn und nicht eher, sich auf den gemeinen Menschenverstand zu berufen, das ist eine von den subtilen Erfindungen neuerer Zeiten, dabei es der schalste Schwätzer mit dem gründlichsten Kopfe getrost aufnehmen, und es mit ihm aushalten kann. Solange aber noch ein kleiner Rest von Einsicht da ist, wird man sich wohl hüten, diese Nothilfe zu ergreifen. Und, beim Lichte besehen, ist diese Appellation nichts anders, als eine Berufung auf das Urteil der Menge; ein Zuklatschen, über das der Philosoph errötet, der populäre Witzling aber triumphiert und trotzig tut."
(Immanuel Kant)

 

vgl. auch

In seinem Buch "Das All, das Nichts und Achterbahn; Physik und Grenzerfahrungen" erzählt Hans Christian von Baeyer folgende Anekdote:

 

"

Während meiner Jugend in Ottawa war neben der Freigabe des Rideau Canal für Schlittschuhlaufen und Eishockey das aufregendste Ereignis des Jahres die Eröffnung der «Ex». Vermutlich diente die Central Canada Exhibition - eine Bezeichnung, auf die einige Leute hartnäckig bestanden - ernsthaften kommerziellen und landwirtschaftlichen Zielen, doch für uns Kinder war sie ein Jahrmarkt und bedeutete vor allem Karussellfahren. Ich weiß nicht mehr, ob ich mit der «Todeswand» gefahren bin, nachdem ich bereits den ersten Physikunterricht in der Highschool bekommen hatte, oder ob es im selben Jahr war, aber in meiner Vorstellung sind beide Ereignisse fest miteinander verknüpft. In der «Todeswand» hatte ich meine erste bewußte Begegnung mit einer fiktiven Kraft.
In Wirklichkeit war die Wand ein Zylinder mit einem Durchmesser von drei bis vier Metern und etwa der gleichen Höhe, mit einem Fußboden, aber ohne Dach. Wir standen im Innern, am Rand des kreisförmigen Fußbodens, hinter uns die Wand, und warteten. Wenn der Zylinder zu kreisen begann, wurden wir gegen die Wand gepreßt. Und dann sank der Fußboden langsam nach unten, bis wir wie Fliegen am Leimpapier auf halbem Weg über dem infernalischen Abgrund klebten. Es war herrlich.
Mir war klar: Wir verdankten unseren Halt an der Wand einer Kombination aus Reibung und etwas, das man als Fliehkraft bezeichnet. Dabei störte mich allerdings, daß unser Physiklehrer mit einer Begeisterung, die schon an fundamentalistischen Eifer grenzte, verkündet hatte, die Fliehkraft sei «fiktiv». Da befand ich mich also in meiner prekären Lage, an der Wand klebend, und gehalten wurde ich durch eine Kraft, die angeblich noch nicht einmal real war."

Was mich an diesem Zitat natürlich besonders freut, ist die schnoddrige Häme, die von Baeyer da über Puristen und Besserwissern ausgießt:

Genau mit solch fundamentalistischem Eifer, der Primärerfahrungen schlichtweg leugnet, sorgt man dafür, dass Laien sich durch Naturwissenschaft und Mathematik regelrecht betrogen, wenn nicht gar beschämt fühlen:

"Irgendwie verstehen wir diese Welt nicht mehr und wir fühlen uns im Grunde betrogen [und zwar, wie mir scheint, nicht durch die Welt, sondern durch die Naturwissenschaften]"
(Ernst Peter Fischer)

Merkwürdig, dass das sogar dem Wissenschaftshistoriker Fischer so geht.

Denn ich glaube kaum, dass es nur ein pädagogischer Trick ist, wenn Fischer sich da scheinbar mit dem "wir" einschließt, um "den dummen Laien" abzuholen

In seinem Buch 

zeigt Fischer ja

(und ebenfalls eine gewisse Häme gegenüber physikalischen Besserwissern: "Wer immer noch meint, sich über Aristoteles und seine sinnliche Physik amüsieren zu können, der muss dies von nun an genauer begründen [und sollte sich warm anziehen!]")

Ich will hier also auf keinen Fall Fischer mit auf die Anklagebank setzen. Gerade er versucht ja  in seinen Büchern besonders verdienstvoll, dem Laien die Naturwissenschaften zugänglich zu machen. Sondern

es geht mir um eine implizite Denunziation des "gesunden Menschenverstands", die viele NaturwissenschaftlerInnen und MathematikerInnen drauf haben: sie nutzen ihr Wissen nicht, um dafür zu begeistern, sondern um elitär damit abzuschrecken. Sie sorgen überhaupt erst für die

Diesen Schlaumeiern kann geholfen werden:

Fischer zeigt in seinem Buch eben auch, wie durchaus physikalisch vorgebildete College-StundentInnEn einfachste physikalische Sachverhalte

(das Fallen-Lassen eines Steins beim Laufen, das Loslassen eines geschleuderten Steins)

systematisch falsch einschätzten.

Nun könnte man ja noch sagen:

Viel interessanter ist, was Fischer danach berichtet:

"Dass das oben beschriebene Ergebnis kein Artefakt der Versuchssituation war, konnte dadurch demonstriert werden, dass man anderen Studenten einen Ball in die Hand gab und sie anschließend bat, mit ihm loszulaufen und [ihn] so fallen zu lassen, dass er ein auf dem Boden liegendes Ziel traf. Wieder ließen die meisten den Ball erst in dem Moment los, als er sich über dem Ziel befand - wodurch er dieses dann natürlich verpasste -, und ab und zu liefen einige Probanden sogar erst über das Ziel hinaus, bevor sie den Ball losließen - wohl, weil sie vermuteten, dass er sich anschließend nach hinten begibt."

Man könnte also fast sagen: da mag jemand noch so (besserwisserisch) schlau und physikalisch vorgebildet sein: im entscheidenden Augenblick spielt ihm sein "Körper" einen Streich.

Solche "Realexperimente" sollte man mal mit all jenen naturwissenschaftlichen Besserwissern machen!


Ein entscheidender Fehler liegt in Schulen oftmals darin, dass sie

Man sollte "andersrum" anfangen:

  1. die (zunehmend bewegungslosen?) Kinder massenhaft tun lassen
    (und zwar noch gar nicht im eigentlichen Sinne Physikalisches),

  2. sie dadurch Körper- und (daraus folgend, also nicht durch Belehrung) kognitive Erfahrungen sammeln lassen - und zwar am besten erst mal solche, die der naturwissenschaftlichen Erklärung gar nicht widersprechen;

  3. mit ihnen (wie oben von Fischer berichtet) Experimente tun, bei denen Körper & Verstand "falsch" funktionieren,

  4. nach Erklärungen für den Irrtum suchen (Experimente erdenken, die die Abweichung verdeutlichen und erklären).

Denn natürlich sollen die SchülerInnen "richtige" Physik (Galilei, Newton ...) lernen. Aber doch erst am Ende.


Es ist so einfach:

(vgl. und ):

Motivation dafür, dann den Erkenntnissen auch systematisierend und abstrahierend im Klassenraum nachzugehen; die umgekehrte Reihenfolge aber (erst oder überhaupt nur tagsüber im Klassenraum) ist regelrecht "pervers";


All das gilt natürlich auch für die Mathematik: auch ihr Wissensgebäude ist ein sehr spätes, und deshalb sollten wir uns anschauen, wie

("Wenn überhaupt, dann [...] wiederholt die Wissenschaft die Entwicklung der Kinder [und nicht umgekehrt], das heißt, beide stoßen auf vergleichbare Schwierigkeiten."
[Ernst Peter Fischer]),