ein missglücktes Modell:

Das Modellsieht auf den ersten Blick aus wie ein transparenter Mülleimer, in den jemand achtlos eine Papier-„Schleife“ geworfen hat.

(Es gibt tatsächlich transparente Mülleimer zu kaufen, die ihren Inhalt nicht verbergen, sondern ausstellen, und sei‘s nur, damit man sofort erkennt, ob bzw. wann sie geleert werden müssen:  .)

Bei einem Mülleimer assoziiert man aber wohl sofort „Abfall“.

Nun könnte man allerdings auch mit einem Mülleimer wunderbar anschauliche und durchaus anspruchsvolle Mathematik betreiben!

Z.B.: wie muss die Papierschleife denn aussehen, damit sie so elegant in dem Mülleimer landen kann?

(Wir werden unten noch sehen, dass die Papierschleife ganz schön kompliziert sein muss, um einfach zu wirken, und dass sie deshalb wohl kaum ein unbeabsichtigter Zufall ist.)


In Wirklichkeit war aber


In den Großstädten der Welt gibt es unendlich viel hässliche oder einfach nichtssagende Architektur, und viele Menschen merken wahrscheinlich nichtmal mehr, wie diese Architektur aufs Gemüt drückt.

Ein Beispiel ist die hmpg in Washington D.C.  , die berühmt-berüchtigt ist als Sitz vieler Lobbyisten :

 

Wenn man mal von ausgeschnittenen Ecken und einem schrägen Dach absieht, ist das alles

(zu Lobbyisten passend)

nichtssagende Investorenarchitektur

(möglichst billige Bauweise)

und auch mathematisch völlig uninteressant, nämlich alles nach dem Muster gestrickt

(vgl. ).

Dafür braucht man keine Architekten mehr, und im Grunde ist es ja auch ehrlich, weil all diese Bauten einfach nur Legebatterien für Angestellte sind, und wer sorgt sich schon um die Schönheit von Legebatterien?!

Um all die Ödnis zu überwinden, wird ab und zu spektakuläre Viagra-Architektur für CEOs dazwischengesetzt wie z.B.

(jetzt aus verschiedenen Metropolen der Welt)

 

Bemerkenswert sind da insbesondere

  1. der Hochhausbau in London (drittes, viertes und fünftes Bild):

 
  • hmpg ,
  • zum Hochhaus :
    • hmpg (vgl. auch die hmpg Fotostrecke),

    • hmpg .
  • Nebenbei: die Skyline von Manhattan ist doch nur bei Nacht schön:

 

Ansonsten ist Manhattan aber am schönsten (und lebendigsten) in Vierteln mit niedrigeren Häusern:



  1. : die spektakulären Hochhäuser spielen oftmals mit einfachsten geometrischen Figuren (Dreiecken, Kreisen …)

(Ausnahmen sind da viele Bauten von hmpg Zaha Hadid, z.B. )

und sind doch mathematisch anspruchsvoller als o.g. einfallslose Investorenarchitektur, weshalb ich schon mal eine Unterrichtsreihe zum Thema „die Geometrie von Hochhäusern“ angedacht habe, in der nur eines von vielen Beispielen sein würde.

Bei „die Geometrie von Hochhäusern“ ginge es nur um deren äußere Formen.

Anhand von Hochhäusern könnte man große Teile der üblichen Schulgeometrie (und mehr!) erarbeiten und anwenden.

  1. als Vorbild des Modells :

:

„Danish architecture studio hmpg BIG has designed a research and development building named the O-Tower for Chinese smartphone manufacturer OPPO in hmpg Hangzhou . Described by BIG as being infinity-loop shaped, the skyscraper was designed to »connect ground to sky in a continouos loop of collabroration«.“
(Quelle: hmpg )

An diesen Sätzen soll uns nicht die sogar für Architekten arg dick aufgetragene Passage „connect ground to sky in a continuous loop of collabroration“ interessieren, sondern nur

  1. der Name „O-Tower“,

  2. „infinity-loop shaped“,

  3. „continouos“.

Zu 1., also „O-Tower“

Wenn der Bauherr OPPO heißt, ist es ja vielleicht sogar naheliegend, sein Gebäude wie den Großbuchstaben “O“ zu gestalten:

  

(Ich könnte mir vorstellen, dass der Lehrer am Anfang der Unterrichtseinheit noch gar nicht ein Bild zeigt, sondern nur die Aufgabe stellt: „Entwerft für die Firma OPPO eine Firmenzentrale, die von der Seite gesehen  O-förmig ist.“ Der Zusatz „von der Seite gesehen“ soll vermeiden, dass ein Gebäude entworfen wird, das einen O-förmigen Grundriss hat, was nur aus der Vogelperspektive sichtbar wäre.)

Zu 3., also „continuous“:

der Buchstabe wie auch die Ziffer ist in sich geschlossen („continuous“) und in diesem Sinne unendlich („infinite“) wie sonst nur die Ziffer .

Zu 2., also „infinite loop“ („unendliche[r] Schlaufe / Schlinge / Zyklus“)

(vgl. und  „looping“ , wobei der Ring in sich geschlossen ist, der Achterbahnlooping hingegen nicht):

das übliche Zeichen für Unendlichkeit ist eine quergelegte , also .

Dieses Symbol ist wohl zum Zeichen für Unendlichkeit geworden, weil es in sich geschlossen („continuous“) ist: : man kann unendlich lange darauf herumfahren.

Dabei gibt es nun zwei Möglichkeiten:

Diese dreidimensionale Variante hat nun den Nachteil, dass sie sehr ungleichmäßig ist:

Das lässt sich gleichmäßiger und damit auch eleganter gestalten:

(für Schüler

[denn am besten tut es doch jeder selbst]

ersatzweise dünnwandige Kunststoff-Flaschen wie z.B.   , und zwar am besten mit entfernbarer Banderole statt Aufdruck),

(wenn auch leicht perspektivisch verzerrt)!

Oder deutlicher

und darin

 .

Womit sich die Frage stellt: hat die Schleife vielleicht die Form ?


Zentrales Merkmal des Kapitalismus ist ewig nötiges Wachstum, und entsprechend muss Reklame sich mit immer neuen Superlativen überschlagen.

Wenn also "Galaxy" und "Universal" schon vergeben sind, bleiben nur noch "infinite" und "infinity":

 

 

Und danach?


„infinite“, weil „continuous“ ist auch das Möbius-Band:
(wobei die rollende Kugel nur zeigt, dass das Möbius-Band merkwürdigerweise nicht zwei Seitenflächen, sondern nur eine Seitenfläche
[und nebenbei: auch nur eine Seitenkante]

hat)
.
Das Möbius-Band entsteht, wenn man die Enden eines Papierstreifens gegeneinander verdreht und dann zusammenklebt: hmpg .
In unserem Zusammenhang bemerkenswert ist auch, dass das Moebius-Band O-förmig ist.
Hingegen sehen aus Papierstreifen gedrehte Möbius-Bänder von der Seite gesehen 8-förmig (s.o.) aus:

Ist also ein Möbius-Band?


Warum ausgerechnet ?

  1. , weil vermutlich auch viele Schüler dieses Gebäude besonders schön finden würden

(oder genauer: von vorne hui , von [schräg] hinten naja);

  1. , weil hier Schönheit & Mathematik Hand in Hand gehen

(die Ellipse ist immer wieder reizvoll in der Architektur: );

  1. , weil nicht simpel rechteckig, sondern "harmonisch" gebogen ist;

  2. , weil die Ursache für die Schönheit vielleicht überhaupt erst durch ein Modell deutlich wird (s.u.).


Es gibt, grob gesagt, zwei Arten Architekturmodelle:

  1. solche, die während der Planung eines (evtl. sogar nie gebauten) Gebäudes angefertigt werden, um eine Vorstellung von dem geplanten Gebäude zu bekommen:

  1. für die Architekten, die sogar selbst eine dreidimensionale Vorstellung von den zweidimensionalen Plänen brauchen,
  1. für die Bauherren

(seitdem allerdings mit Computerprogrammen geplant wird, lässt sich mühelos auch ohne materielles Modell ein virtuelles [Pseudo-]3D-Modell anzeigen),

  1. Modelle bereits fertiger Gebäude, also z.B. .

Was waren das für goldene Zeiten,
als in Schulen noch "projektive Geometrie" betrieben wurde!

1.a., 1.b und 2. könnten zwecks Training des geometrischen Vorstellungsvermögens im Schulunterricht vorkommen, aber im Folgenden geht es um 2.: steht bereits fertig gebaut (?) in Hanghzou, aber hat für uns in Deutschland sowohl den Nach- als auch den Vorteil, dass es davon nur zweidimensionale Bilder ("Projektionen") gibt.

Dabei ist der Nach- gleichzeitig auch der Vorteil: dass die Baugeometrie überhaupt erst aus den Bildern rekonstruiert werden muss.


Mag sein, dass einige Schüler bereits in dem einen Bild  die grundlegende Geometrie entdecken

(und es wäre zu überlegen, wie diese Schüler sinnvoll beschäftigt werden, ohne dass sie den anderen gleich zu Anfang alles verraten;

nebenbei: das ist keine Angeberei, sondern nur ehrlich: abgesehen von der genauen Dachform [s.u.] habe ich die Geometrie des O-Towers sofort anhand des Fotos durchschaut; dennoch sollte ein Lehrer aber möglichst "selbstentdeckende" Zugänge für Schüler andenken, die diese Geometrie nicht sofort erkennen).

Für die anderen Schüler gibt es glücklicherweise noch Bilder aus anderen Perspektiven:

Um die Geometrie des Gebäudes besser zu verstehen, könnte man all die nun insgesamt sechs Fotos

und einen Styropor- oder Holzwürfel an jeden Schüler verteilen und die Schüler bitten, sich erst allein und danach in Kleingruppen zu überlegen, wie die Fotos sinnvoll auf dem Würfel verteilt werden können

(oder genauer: halbwegs sinnvoll, da mehrere Fotos nicht exakt von den Seiten aus aufgenommen wurden):

 →

Ein Problem beim Verständnis der Grundformen könnte dabei die Vogelperspektive sein: das Foto wurde nicht exakt von oben aufgenommen und lässt deshalb fälschlich vermuten, dass der Gebäudegrundriss elliptisch (statt korrekt kreisförmig) ist. Da wäre es hilfreich, auf den inneren Ring hinzuweisen: .

Dieses Problem könnte insbesondere deshalb aufkommen, weil

(und umgekehrt)


Die beiden Ansichten und  scheinen geradezu widersprüchlich zu sein:

Und

Oben war bereits angedeutet worden, dass das  Foto das Gebäude „leider“ nicht exakt von der Seite

(sondern von schräg vorne)

zeigt - was sich nun als Vorteil herausstellt, denn damit lässt sich das Rätsel des Rings besonders gut (teilweise) lösen. Dieser sieht am Beispiel des Fotos nun so aus.

Daran ist zweierlei bemerkenswert:

  1.  , dass zwei (wenn auch nicht vollständige) Ellipsen zu erkennen sind: .

 

 

(Nebenbei:

  1. kann man jetzt den Ring vervollständigen:: er ist offensichtlich "irgendwie" in sich verdreht (s.o.).

  2. kann man nun auch herausfinden, wie die beiden Ellipsen entstehen:


Mit diesen Erkenntnissen soll nun ein dreidimensionales Modell des O-Towers gebaut werden:

  1. erste Möglichkeit:

"Früher war alles noch aus Holz [statt Billigplastik] und sowieso besser."

Hier sei nur angedacht, wie das Modell aus Holz erstellt werden könnte.

(was allerdings nicht ganz einfach ist: ein üblicher Holzbohrer schneidet den roten Zylinder ja nicht aus, sondern zermahlt ihn zu Sägemehl: ; wir brauchen den roten Zylinder aber gleich noch ganz und unversehrt, weshalb wir einen hohlen Loch- bzw. Kernbohrer benutzen müssen, bei dem der rote Zylinder erhalten bleibt);

(was allerdings gar nicht so einfach ist)

die beiden Zylinder elliptisch ab und erhalten dadurch und ;

um beide Probleme zu lösen,

An diesem Modell ist nun insbesondere die Dachform interessant

(und, wie wir unten noch sehen werden, problematisch),

denn mit ihr haben wir das bereits am Anfang gezeigte .

(Das Salz- und Pfefferstreuer-Set

+ =

bietet eine schöne Analogie zu unserem Holzmodell, obwohl doch eine ganz andere [flache] "Dach"-Form hat als .)

  1. zweite, technisch viel einfacher umsetzbare und deshalb auch tatsächlich von mir umgesetzte Möglichkeit aus dünnem Plexiglas :

(hier sei nicht erklärt, warum die farbigen Kartons diese Formen haben müssen);

(und verbinden die beiden Zylinder unten unsichtbar, so dass sie in dieser Position zueinander bleiben),


Aber jetzt kommt überhaupt erst das größte Problem, dessentwegen ich diesen Aufsatz überhaupt schreibe, nämlich das noch nicht vorhandene Dach.

Die vier Hülsen wurden wie oben beschrieben ineinander gesteckt, damit man

Rufen wir uns zudem ins Gedächtnis zurück: = ,

(vgl. oben und ).

Leider konnte ich keine mathematische Formel für die Dachfläche finden

(heute helfen den Architekten da Computerprogramme wie z.B. ),

und deshalb habe ich verschiedene Versuche gestartet, die Dachfläche am halbfertigen Modell herauszufinden

(Abdecken mit Papier und dann Beschneiden entlang der hellblauen und rosaroten Linie; beides anhand der Teilmodelle und ).

Meine bestes Ergebnis für die Dachfläche sah dann so aus: . An den Enden zusammengeklebt ergab sich dann der Ring bzw. in sich verdreht die Dachfläche .

Alle Einzelteile zusammengebaut ergaben

(jetzt ohne farbige Kartons)

Dieses Plexiglasmodell hat im Vergleich sowohl mit dem Holzmodell als auch dem Originalgebäude (!) den Vorteil, dass sowohl die grundlegenden Zylinder als auch die Schnittebenen viel deutlicher werden.


Schön und gut - oder genauer: nicht schön und schlecht!

Das fertige Modell entsprach nämlich keineswegs meinen Ansprüchen an ein schönes Modell: wenn man auch nur ein wenig genauer hinsah, hatte es mehrere "Macken":

(was daran liegt, dass sich, wenn man die Kanten der gebogenen Plexiglasplatten mit Tesafilm zusammenklebt, von oben gesehen ergibt;

man müsste also mit perfekt und stabil runden Plexiglasrohren  arbeiten, die aber bei halbwegs ansehnlichen Durchmessern enorm teuer sind).

Trotz diverser Versuche ist es mir aber nicht gelungen, diese "Macken" zu beseitigen, und irgendwann habe ich's dann aufgegeben - und das Modell in entsorgt.


PS: ist

  • weder ein Möbius-Band
( hat zwei Seitenflächen und zwei Seitenkanten)
  • noch ein dreidimensionales Unendlich-Zeichen
( ist aus keiner Perspektive -förmig).

Schön war's aber doch, oben derart abzuschweifen!

PPS: die Konstruktion des O-Towers hat zwei Vorteile, die vielleicht überhaupt erst durch die Modellerstellung klar werden:

  • während der O-Tower von hinten leider sehr wuchtig wirkt, wirkt er von vorne sehr leicht, was insbesondere durch die elegant geschwungene Dachfläche zustande kommt,
  • durch den elliptisch angeschnittenen Innenschacht kommt auch von dort Tageslicht in die Büroräume.
PPPS: in einer Unterrichtseinheit zu müssen die Schüler weder wissen noch erfahren, was eine Ellipse ist.
Dennoch könnte solch eine Unterrichtseinheit dazu motivieren, den Ellipsen doch mal genauer nachzugehen:
  • anschaulich:
    • ,
    • ,
    • ,
    • ,
  • algebraisch:

(vgl. die Kreisgleichung ; und überhaupt ist der Kreis ja "nur" ein Spezialfall der Ellipse).