oder
richtige (= meine) Mathematik

Es ist wohl

(zumindest auf den ersten Blick)

sexistisch, eine schöne Frau als Eyecatcher für meine Vorstellungen von richtiger = meiner Mathematik zu benutzen

(sexistisch und somit schlichtweg obszön ist es zumindest solange, wie - typisch für die meiste Werbung - die Frau nichts mit dem Produkt [hier Mathematik] zu tun hat;

nebenbei:

Es sei noch zusätzlich erwähnt, dass die Frau Mathematikerin und damit ein in den Augen der meisten Menschen vermutlich höchst erstaunliches Gegenbeispiel zum Klischee vom


pickligen Mathematiker-Nerd

ist

(Ausnahmen bestätigen nur die Regel?).

Nun ist es zwar gängige Praxis, wohl bei Frauen, nicht aber bei Männer permanent aufs Aussehen zu achten

(vgl., wie seinerzeit auf Angela Merkels Frisur rumgehackt wurde, während kaum einer das halbseidene Aussehen Gerhard Schröders erwähnte:

"Männer sehen, Frauen werden [auch von Frauen] gesehen." [John Berger, also ein Mann]).

Aber widerspräche es nicht genauso jedem gängigen Klischee, wenn ein (männlicher) Mathematiker so aussähe?!:

Nun ist die oben abgebildete Frau aber nicht nur irgendeine (Quoten-?)Mathematikerin, sondern hat es (als Mathematikerin!) immerhin in die direkt nach dem Inhaltsverzeichnis stehende, also besonders prominente Rubrik "Die Stunde der Frauen" des Gynäkologiefachblattes

(zusagen der "Spiegel" unter den Frauen-"Bild"-Zeitungen)

geschafft

(in der Rubrik "Die Stunde der Frauen" werden Frauen gewürdigt, "die mit ihren Visionen die Welt verändern").

Und in diese Rubrik hat die Frau

(jetzt endlich sei auch ihr Name verraten: Maryam Mirzakhani)

es aus zweieinhalb Gründen geschafft:

  1. , weil sie die erste (weibliche) Trägerin der


Fields-Medaille

ist, die als Nobelpreis der Mathematik gilt

(wo es schon keinen echten Nobelpreis für Mathematik gibt),

  1. vielleicht doch, weil sie zusätzlich auch noch ganz unmathematisch schön aussieht

(denn die "Brigitte" ist letztlich ja auch nur genau solch ein Schönheitsfachblatt wie der "Playboy"),

  1. , weil sie laut "Brigitte" Phantasie

(die "Brigitte" schreibt allerdings "Fantasie", als wenn Mathematik etwas mit - igitt! - Fantasy zu tun hätte)

in die Mathematik gebracht hat 

(womit wohl indirekt unterstellt wird, dass es in der Männerdomäne Mathematik bislang keine Phantasie gab).


Kleines Intermezzo:

Mirzakhani ist gebürtige Iranerin, und nach Verleihung der Fields-Medaille hat ihr "sogar" der doch immerhin als "gemäßigt" geltende iranische Präsident Rohani gratuliert. Allerdings war das eine vergiftete Gratulation, weil Rohani zwei Bilder Mirzakhanis hinzufügte

(wohl eher hinzufügen ließ) 


eines ohne und eines mit Schleier,

woraufhin Mirzakhani prompt Morddrohungen islamischer Fanatiker bekam.


Die Fields-Medaille wird für überragende Leistungen in allermodernster Mathematik vergeben, womit impliziert ist, dass ich als "kleiner" Lehrer, der schon ein viertel Jahrhundert von der Universität runter ist, nicht die geringste Chance habe, Mirzakhanis Leistung auch nur ansatzweise zu verstehen

("Mirzakhani befasst sich mit hyperbolischer Geometrie, symplektischer Geometrie, Teichmüllertheorie und Ergodentheorie. Ihr zentrales Forschungsgebiet ist die Theorie der Modulräume (Parameterräume) Riemannscher Flächen. Dieses Gebiet ist für seine Verbindung zahlreicher anderer mathematischer Teilgebiete bekannt, da sowohl die geometrischen (als hyperbolische Flächen, symplektische Strukturen), komplex-analytischen und algebraischen Aspekte (als algebraische Kurven) untersucht werden."
[Quelle: Wikipedia]
)

Um Mirzakhanis welt(?)bewegende Leistungen (!) geht es mir hier aber auch gar nicht, sondern um die (genauso wichtigen!) "Grundlagen" dieser Leistung:

  1. allgemeine Grundlagen, die Mirzakhani mal selbst in einem Interview erwähnt hat:
  1. ihr mathematischer Werdegang:

dass sie Lehrer hatte, die mehr Wert aufs Problemlösen als aufs Formale legten 

(... womit ich schon an Einstein denke, der mal gesagt hat: 

"Ich hatte das Glück, auf Bücher zu treffen, die es nicht allzu genau nahmen mit der logischen Strenge [...]").

  1. ihre Vorgehensweise (laut "Brigitte"):

(in solcher Langsamkeit erkenne ich mich selbst wieder, aber auch schnelle Mathematiker brauchen viel "Sitzfleisch" - das wohl so einigen Schülern fehlt bzw. das ja überhaupt erst angeübt werden und erstrebenswert scheinen muss),

"[...] stellt sie sich zum Beispiel ein Universum voller Billardtische vor: Was wäre, wenn sich nicht nur die Kugel auf dem Tisch, sondern der Tisch selbst bewegt?"

Dieses Zitat enthält aber (fast) alles, was meiner Meinung nach richtige Mathematik ausmacht

(und in Schulen viel zu kurz kommt)   :

  1. das Denken in (inneren) Bildern:

Nun ist das Spezialgebiet Mirzakhanis zwar (höchst abstrakte!) Geometrie, so dass das Denken in (geometrischen) Bildern natürlich naheliegend ist. Aber - so behaupte ich einfach - gerade bei den abstrakten Ausläufern hat nur eine Chance auf Erfolg, wer sich auch da noch mit sehr einfachen Bildern (einem Billardtisch) zu helfen weiß.

Kommt hinzu, dass Mirzakhanis Fachgebiet laut Wikipedia bis in die Analysis und Algebra, also grob gesagt bis ins ("ungeometrische") Rechnen reicht.

Nun ist es ja sowieso ein Hauptansatz der Mathematik (u.a. in der Analysis), Geometrie und Rechnen zu verbinden (s.o. "algebraische Kurven"), und zwar doch wohl, um sich das "Rechnen" halbwegs zu veranschaulichen und damit überhaupt verstehen zu können.

Mehr noch: es scheint erwiesen zu sein, dass man zum simplen Rechnen dennoch unbedingt räumlich (= geometrisch), also in Bildern und anschaulich denken können muss.

Mirzakhanis Denken in Bildern scheint mir deshalb Grundvoraussetzung aller großer Mathematiker(innen) zu sein, also auch solcher, die nicht auf geometrischem Gebiet forschen.

Man könnte auch sagen: wirklich groß in der Mathematik wird nur, wer noch einfach (anschaulich) denken kann!

(Wenn aber alle großen [auch männlichen] Mathematiker anschaulich denken können, so hat nicht erst Mirzakhani Phantasie in die Mathematik gebracht.)

Interessant ist auch, welches Bild Mirzakhani benutzt hat, um zu mathematischen Erkenntnissen zu kommen

(oder zumindest, um sie Laien halbwegs zu veranschaulichen):

einen Billardtisch, also etwas völlig Unmathematisches!

Genau das scheint mir eine weitere Voraussetzung großer Mathematiker(innen) zu sein: dass ihnen die gesamte Alltagswelt

(mir z.B. oftmals Gegenstände aus dem Baumarkt)

als Bildreservoir zur Verfügung steht und ihnen zu jedem bedeutenden mathematischen Thema irgendein hilfreicher alltäglicher Gegenstand oder Vorgang einfällt

(da sind Mathematiker wie Schriftsteller, die auch aus einem gewaltigen Erlebnis- und Lektürereservoir schöpfen).

Man darf sich eben nur nicht zu schade sein, andauernd aus dem "trivialen" Alltag zu schöpfen.

Es ist doch allemal ermutigend, dass auch (und gerade!) die großen Geister sehr anschaulich denken, also auch nicht schlauer sind als wir. Um wieviel wichtiger ist Anschauung dann im Mathematikunterricht für Anfänger!

Bemerkenswert ist auch noch, dass Mirzakhani den alltäglichen Billardtisch im Kopf souverän von aller Erdenschwere befreit

und sich ein "Universum voller Billardtische"

("Richtung Norden und dann immer geradeaus: Bommerlunder.")

erschafft: da ist sie wie ein Modelleisenbahnbauer, der, wenn er lustig ist, sogar surrealistische Landschaften erbauen, die Eisenbahnlandschaft falschrum an die Decke hängen und ein (harmloses) Zugunglück nach dem anderen veranstalten kann.

Mirzakhani benutzt also einen Alltagsgegenstand nur als Startrampe.

  1. hypothetisches Denken:

ich halte das

-Denken

(also die souveräne Überwindung aller platt vordergründigen "Realität")

ja sowieso für ein Intelligenzkriterium

(und zentralen Ansatz aller Literatur).

"Was wäre, wenn sich nicht nur die Kugel auf dem Tisch, sondern der Tisch selbst bewegt?"

erinnert mich aber vor allem an die "Grundfrage" Albert Einsteins, die

nämlich die Kinderfrage

"Was wäre, wenn ich mich auf einen Lichtstrahl setzen und auf ihm reiten könnte?"

Und ich wette, dass Einstein sich das ungefähr so vorgestellt hat:


Ich zitiere den "Brigitte"-Artikel über Mirzakhani nur, weil er mir in einer mutlosen Phase wieder Mut gemacht hat, dass ich mit meinem Verständnis von (Schul-)Mathematik doch richtig liege.