kund: Zu dem unter können behandelten Verb gehört die Partizipialbildung gemeingerm. kunpa - "gewusst, bekannt" [...] Das Adjektiv wird heute fast ausschließlich als Verbzusatz gebraucht, beachte z. B. kundgeben, dazu Kundgebung "Bekanntmachung, Demonstration" (19.Jh.), kundtun, kundwerden. [...] Die Substantivbildung Kunde (die) (mhd kunde, ahd chundi) wird heute gewöhnlich im Sinne von "Nachricht, Botschaft" verwendet. Der seit dem 17. Jh. übliche Gebrauch des Wortes im Sinne von "wissenschaftliche Kenntnis, Lehre" ist wahrscheinlich von niederl. kunde "Kenntnisse, Wissenschaft" beeinflußt, beachte dazu die Zusammensetzungen "Alterturnskunde, Erdkunde, Heilkunde" usw. - Das abgeleitete Verb künden (mhd. künden, kunden, ahd. kundan -bekanntmachen, [an]zeigen ) war im Nhd. lange Zeit ungebräuchlich und wurde erst durch die neuere Dichtersprache wiederbelebt. Beachte dazu die Bildungen ankünden und verkünden, daneben auch ankündigen und verkündigen. Neben "künden" existiert auch die umlautlose Form kunden (mitteld.), beachte bekunden "Zeugnisablegen, aussagen, zum Ausdruck bringen" (18.Jh.; aus der Rechtssprache Niedersachsens) und "erkunden, festzustellen suchen, auskundschaften" (spätmhd. erkunden, erkünden, Kunde zu erlangen suchen, auskundschaften), dazu Erkundung militärisch für "Untersuchung eines Geländes oder feindlicher Stellungen". Die jüngere Form erkundigen ist heute nur noch reflexiv im Sinne von "nachfragen" gebräuchlich, dazu Erkundigung. - Die Adjektivbildung kundig, älter auch "kündig" "erfahren, bewandert, gut unterrichtet, kenntnisreich" (mhd kündec, ahd. chundig "bekannt, klug, schlau") spielt heute hauptsächlich in der Zusammensetzung eine Rolle, beachte z. B. "offenkundig, ortskundig, sachkundig". Das davon abgeleitete Verb kündigen (mhd. kündigen) bedeutete früher "bekanntmachen, kundtun", beachte dazu ankündigen und verkündigen, die neben "ankünden, verkünden" (s. o.) gebräuchlich sind.
(Ich bin halt allergisch gegen die penetrante Selbsterniedrigung des Menschen [oft hautnah an der Selbstüberschätzung], sei´s in der Astronomie, sei´s bei der deutschen Geschichte [sprich Nazizeit], sei´s in Sachen "Dritte Welt" [wir fressen denen andauernd die Schnitzel weg; ja, verdammt noch mal, ist eigentlich je zuvor eine Generation derart in Sippenhaft und unter Kollektivschuld gestellt worden?]. Der Mensch ist immerhin der Wahrnehmende, der Theorien Aufstellende, der Verantwortliche sowie so recht im Sinne der antiken Dramatik [aber eben nicht des penetrant katholischen Schuldspruchs, der wirkungsmächtiger denn je ist und derzeit in archaischen Gottesvorstellungen wieder hochkommt] der unschuldig Schuldige!Hinter der penetranten "Selbst"[???]erniedrigung" des Menschen scheint mir Masche zu stecken: der kapitalistische Konsument ist nur herzustellen, wenn er sich einerseits schämt und all sein Glück als unverdiente Gunst erlebt und ihm andererseits - diametral entgegengesetzt - der Himmel auf Erden versprochen wird; wenn die Erfolge aufs Konto des Kapitalismus [oder gegebenenfalls auch der Naturwissenschaft] und die Misserfolge [Arbeitslosigkeit, Unglück, Einsamkeit] aufs Konto des Einzelnen, Wehrlosen gebucht werden.Ein erniedrigter Mensch ist immer ein potentiell bösartiger, verzweifelt um sich schlagender Mensch.)
Kein Wunder, dass das bei solch einem fähigen Musiker wie Nick Cave wieder auftaucht:
Und welch phantastische Vor- und Wirkungs- und Geistesgeschichte dahinter steckt!:
"Wer aber die Schau unternimmt mit einem durch Schlechtigkeit getrübten Auge, nicht gereinigt, oder kraftlos, der ist nicht Manns genug das ganz Helle zu sehen, und sieht auch dann nichts, wenn einer ihm das, was man sehen kann als anwesend zeigt. Man muß nämlich das Sehende dem Gesehenen verwandt und ähnlich machen, wenn man sich auf die Schau richtet; kein Auge könnte je die Sonne sehen, wäre es nicht sonnenhaft; so sieht auch keine Seele das Schöne, welche nicht schön geworden ist." Enneade 1.6.43; Zitat von Plotin, * um 205 in Lykopolis (in ägypten), † bei Minturnae (Kampanien) 270, griech. Philosoph. Hauptvertreter des Neuplatonismus. Kernstück seiner Philosophie ist die Lehre von dem unkörperlichen, völlig eigenschaftslosen Einen, aus dem alles Seiende durch Ausstrahlung oder Emanation hervorgeht. Ausbildung in Alexandria; 242 Teilnahme an einem Feldzug des Kaisers Gordianus gegen die Perser, um die indische und persische Philosophie kennenzulernen; 244/245 in Rom, dort Gründung seiner philosophischen Schule. Der Titel des Werks (Enneaden - Neunheiten: sechs mal neun Abhandlungen sind zusammengestellt) stammt von Plotins Schüler und Biographen Porphyrius.
Neuplatonismus, philos. Richtung der griech. Spätantike (3.-6. Jh.) mit dem Ziel der Wiederaufnahme der Philosophie Platons in Verbindung mit aristotelischen und stoischen Motiven. Der N. beginnt etwa mit Ammonios Sakkas (* um 175, † um 242; Lehrer Plotins) und hat seinen Höhepunkt im umfassenden Stufensystem der Welt Plotins. Einfluß auf die christliche Mystik und die Scholastik.
Lichtmetaphysik, jede Form der Metaphysik - zumeist dualistisch konzipiert -, die behauptet: Es gibt eine ‹eigentliche›, ‹höhere› oder ‹wahrere› Form des Seins, und dieses Sein muß als Lichtquelle (oder als das Licht selbst) verstanden werden, die die ‹uneigentlichen›, ‹niedrigeren› oder ‹unwahren› Formen des Seins ‹beleuchtet›. Ein Beispiel für L. ist die Ideenlehre Platons. - Vgl. Illuminationstheorie.
Zur breiten Wirkungsgeschichte der Gedanken Plotins seien einige Beispiele gegeben: Von seinen Gedanken rühren Goethes Verse in seinen Zahmen Xenien: "Wär nicht das Auge sonnenhaft,/ die Sonne könnt es nie erblicken;/ läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft,/ Wie könnt uns Göttliches entzücken?"
(Im übrigen ging aber Goethe nicht so weit wie einige mystische Zeitgenossen, die die Fähigkeiten des Subjekts übersteigern und die Rangfolge umkehren oder in Identitätssystemen unkenntlich machen, ja er wehrte sie sogar als ungemäß ab: "Goethe, der von sich selber sagte: Ich bin als ein beschauender Mensch ein Stockrealiste, so daß ich von allen den Dingen, die sich mir darstellen, nichts davon und nichts dazu zu wünschen imstande bin, machte eines Tages auf den jungen Schopenhauer mit der nachfolgenden Bemerkung einen frappierenden Eindruck, den Schopenhauer also wiedergibt: Dieser Goethe war so ganz Realist, daß es ihm durchaus nicht in den Sinn wollte, daß die Objekte als solche nur da seien, insofern sie von dem erkennenden Subjekt vorgestellt werden. Was!, sagte er mir einst, mit seinen Jupiteraugen mich anblickend, das Licht sollte nur da sein, insofern Sie es sehen? Nein! Sie wären nicht da, wenn das Licht Sie nicht sähe!"
Bereits zu Meister Eckhart liegt die Auffassung, daß er der Auffassung einer dialektischen Verschmelzung von Gott und Mensch in der ursprünglichen Beschauung das Wort geredet habe, nicht ganz fern: (Vergleiche Meister Eckhart - Die deutschen und die lateinischen Werke. Hrsg. im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die deutschen Werke. Hrsg. und übersetzt von J. Quint. Bd. 1. Predigten. Bd. 1, Stuttgart 1958, Predigt 12: Qui audit me. 201: "Daz ouge, dâ inne ich got sihe, daz ist daz selbe ouge, dâ inne mich got sihet; mîn ouge und gotes ouge daz ist éin ouge und éin gesiht und éin bekennen und éin minnen." [...]
Hegel zitiert Meister Eckhart in seinen Vorlesungen zur Philosophie der Religion in folgender Weise: "ältere Theologen haben diese Tiefe [des religiösen Begreifens; der Verf.] auf das Innigste gefaßt, besonders aber katholische; in der protestantischen Kirche sind Philosophie und diese Wissenschaft ganz auf die Seite gesetzt worden. Meister Eckhart, ein Dominikanermönch des 14. Jahrhunderts, sagt unter anderem in einer seiner Predigten über dies Innerste: "Das Auge, mit dem mich Gott sieht, ist das Auge mit dem ich ihn sehe; mein Auge und sein Auge ist [!] eins. In der Gerechtigkeit werde ich in Gott gewogen und er in mir. Wenn Gott nicht wäre, wäre ich nicht; wenn ich nicht wäre, so wäre er nicht. Dies ist jedoch nicht Not zu wissen, denn es sind Dinge, die leicht mißverstanden werden und die nur im Begriff erfaßt werden können." (Hervorhebung nicht im Original.) Der letzte Halbsatz wird durch Hegel Meister Eckhart wohl unterlegt.
Neben dem Motiv des Auges und der Gottursprünglichkeit des Sehens drängt sich also in der Rezeptionsgeschichte entsprechend der übrigen Wissenschaftsgeschichte das Interesse an der Kausalität in den Vordergrund. Es sollte nicht vergessen werden, daß nach der traditionellen Lehre von den Attributen Gottes - angesichts seiner Absolutheit und Vollkommenheit und unveränderlicher Ewigkeit - der aus menschlicher Sicht dominierende Unterschied zwischen (Schöpfungs-) Freiheit und kausaler Notwendigkeit keinen Widerspruch darstellen soll. Daher trifft der Vorwurf menschlicher Hybris des Endlichen auch die neuere Rezeption nicht: Über den einmal geschaffenen Menschen wird unter gedanklich höchstem Aspekt gesprochen, nämlich insofern er Teil des göttlichen Plans ist. Insofern ist er nicht mehr wegdenkbar. Übrigens muß aus diesem Grund bei Plotin auch das Denken über das Eine (besser: in dem Einen) mehr als nur emotional oder rational oder im endlichen Widerspruch befangen sein, sondern es muß darüber erhoben sein zu einem Sein höheren Grades [...].
Aus ähnlichen Gedanken schöpft wohl auch Angelus Silesius : (v. 1657) Gott lebt nicht ohne mich: "Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nun kann leben,/ Werd' ich zunicht', er muß von Not den Geist aufgeben." Das Bildnis Gottes: "Ich trage Gottes Bild: Wenn er sich will besehn,/ So kann es nur in mir, und wer mir gleicht, geschehn."
Nicht hier ausgeführt werden kann, aber angedeutet werden sollen hier die wichtigen, weiter verwandelnden Reflexe des Motivs in Sartres Theorie des Blicks in Lêtre et le Néant, Paris, Gallimard 1943, S. 310ff. Hier werden der Blick und seine Dialektik hinsichtlich der Erscheinungsformen des Zwischenmenschlichen ausgewertet.
(Hans-H. Fortmann, 1994)
HISTORIA NATURALIS
(lat.; Naturgeschichte). Naturwissenschaftliche Enzyklopädie in 37 Büchern von Plinius dem älteren, zuerst im Jahre 77 erschienen; eine erweiterte Fassung bald nach dem Tod des Autors von seinem Neffen Plinius dem Jüngeren, herausgegeben. - Das Riesenwerk des Plinius sollte eine Übersicht über den gesamten Wissensstand seiner Zeit in sämtlichen Disziplinen der Naturforschung vermitteln. Mit Ausnahme des ersten Buches, das neben einer kurzen Vorrede mit Widmung an den Flavierkaiser Titus detaillierte Inhalts- und Quellenverzeichnisse zu jedem einzelnen Buch gibt, folgen die Bücher im Aufbau den Wissensgebieten: Astronomie und Kosmologie (Buch 2), Geographie und Ethnologie (Buch 3-6), Anthropologie und menschliche Physiologie (Buch 7), Zoologie (Buch 8-11) Botanik (Buch 12-19), Pharmakologie (Buch 20) bis 32), Mineralogie, Metallurgie, Lithurgie sowie deren Nutzung für die bildende Kunst (Buch 33-37). Die Anordnung des Stoffs innerhalb der einzelnen Bücher ist von den jeweiligen Quellen abhängig: Sie ist entweder organisch, wenn sich die Übernahme einer vorgefundenen Gliederung anbot, oder additiv, indem einfach die Angaben der verschiedenen Vorlagen aneinander gereiht werden. Insgesamt wurden so nahezu 500 Autoren verarbeitet, und zwar rund 100 Primärquellen (sog. auctores exquisiti) und fast 400 Sekundärquellen. Im Gegensatz zur sonstigen antiken Praxis werden sie alle namentlich angegeben, denn die "Plagiatoren" und geistigen »Plünderer« sind dem Verfasser - man vergleiche die Vorrede - verhaßt.
Ehrgeiz und Leistung des Autors bekunden sich vor allem im Umfang des in seiner Art grandiosen Werks. Der Stolz auf die Einzigartigkeit seines Mammutunternehmens spricht aus Plinius, wenn er mit gewollt provozierender Bescheidenheit in der Vorrede gerade die bekannte Wendung »meas nugas« (»meine winzigen Kleinigkeiten«) seines Landsmannes Catull für das eigene Werk in Anspruch nimmt. So beschließt er es denn auch mit einem unüberhörbaren Stoßseufzer: »Sei mir gegrüßt, Natur, Ursprung aller Dinge, nachdem ich dich als einziger Römer in allen deinen Disziplinen verherrlicht habe« (37, 205). - Die Naturgeschichte ist aber trotzdem mehr als nur das Resultat eines immensen Fleißes; sie ist zugleich Summe und Bilanz eines für die Antike höchst merkwürdigen Gelehrtenlebens. Die erhaltenen Zeugnisse (ein Abschnitt aus SUETONS Biographie und zwei Briefe des Neffen) belehren uns, daß der Berufsoffizier und spätere Flottenkommandant Plinius einer der belesensten und meistgereisten Männer des Altertums war. Jede freie Stunde - auch die Zeit während des Essens, im Bade und in der Sänfte - soll er der Lektüre und dem stets daran anschließenden Exzerpieren des Gelesenen gewidmet und so schließlich ein Notizenkonvolut von 160 beidseitig beschriebenen Buchrollen hinterlassen haben - wohl das Ausgangsmaterial für sein Lebenswerk. Dieses erweckt freilich den Anschein, als hätte er über dem Lesen das Denken und Beobachten vernachlässigt und mehr in den Büchern als in der Natur selbst gelebt. Jedenfalls steht er seinen Quellen absolut unkritisch gegenüber, es fehlen ihm alle Einsicht und Übersicht, die ihn befähigt hätten, das Wesentliche vom Unwesentlichen oder auch nur das offenkundig Unsinnige und Monströse vom Evidenten und Vernünftigen zu scheiden. Bis in den Stil und die Weltanschauung hinein setzt sich jeweils die blinde Abhängigkeit von der Quelle fort.
Aber gerade auf dieser Unselbständigkeit und Quellentreue beruht heute, da die meisten der benutzten Schriften verloren sind, der Hauptwert des kompilatorischen Sammelwerks. In mancherlei Hinsicht kann es uns einen praktisch authentischen Einblick in sonst dunkel gebliebene Seiten der antiken Kultur verschaffen. Dies gilt im besonderen für einen Abriß der alten Kunstgeschichte, in dem Plinius fast 200 in Rom befindliche Statuen und Gemälde aufführt, und für die pharmakologischen Teile, die einerseits bis zur Medicina Plinii (erste Hälfte des 4. Jh.s) und ins spätere Mittelalter hinein den Grundstock für umfassende medizinische Darstellungen abgaben, andererseits die Kontinuität heilkundlicher Tradition bis zu den frühen Griechen zurück sicherten.
(entnommen dem "Kindlers Neues Literaturlexikon"; die einseitige, arrogant moderne Verurteilung des "Unsinnige[n] und Monströse[n]" sei dabei mal vergeben)
Das allemal Interessanteste an diesem Buch ist eben das Verständnis der Natur als Geschichte: damals natürlich noch nicht im Sinne von darwinscher Evolution, sondern im Sinne von Entdeckungsgeschichte (begeistertes Staunen über das eigene und ererbte Wissen).
welche Feigheit, es nicht mehr "Heimatkunde" zu nennen, welche Resignation gegenüber den Rechtsradikalen und der wahrhaft bitteren Heimatmusik-Verscheißerung. Es ist wahrhaft schlimm, dass man den Reaktionären (und den allemal rechtsradikalen Studentenverbindungen) die Heimat und Geborgenheit überlässt. Denn immerhin war es ein hübsch Linker (Ernst Bloch), der sein grandioses (grandios menschliches) Buch "Das Prinzip Hoffnung [!!!]" mit folgendem Satz beendet hat:
"Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfaßt und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat."