uns geht die Sonne nicht unter

 

 

 

 

 

vgl. auch

Bild


Bild Faszination Sonnenuntergang
Bild die Sonne geht auf und unter (geozentrisches Weltbild)
Bild
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Bild es werde Bild

 

Wilde Gesellen vom Sturmwind durchweht ,
fürsten in Lumpen und Loden,
Ziehn wir dahin, bis das Herze uns steht,
Ehrlos bis unter den Boden.
Fidel Gewand in farbiger Pracht
Trefft keinen Zeisig ihr bunter,
Ob uns auch Speier und Spötter verlacht,
Uns geht die Sonne nicht unter.

Ziehn wir dahin durch Braus und durch Brand,
Klopfen bei Veit und Velten.
Huldige Herze und helfende Hand
Sind ja so selten, so selten.
Weiter uns wirbelts auf staubiger Straß
Immer nur lustig und munter.
Ob uns der eigene Bruder vergaß,
Uns geht die Sonne nicht unter.

Aber da draußen am Wegesrand,
Dort bei dem König der Dornen.
Klingen die Fiedeln ins weite Land,
Klagen dem Herrn unser Kommen.
Und der Gekrönte sendet im Tau
Tröstende Tränen herunter.
Fort geht die Fahrt durch das wilde Verhau,
Uns geht die Sonne nicht unter.

Bleibt auch dereinst das Herz uns stehn
Keiner wird Tränen uns weinen.
Leis wird der Sturmwind sein Klagelied wehn
Trübe die Sonne wird scheinen.
Aus ist ein Leben voll farbiger Pracht,
Zügellos drüber und drunter.
Speier und Spötter, ihr habt uns verlacht,
Uns geht die Sonne nicht unter.

(Wenn man solche Pfadfinderromantik zitiert, tut man gut daran, sich vorher der Quelle zu vergewissern. Und da erfährt man dann, dass man mit solch einem Lied angeblich in rechtsradikalem Gewässer fischt:

"Die Bundeswehr veröffentlichte das Lied »Wilde Gesellen vom Sturmwind durchweht« aus dem Jahre 1921 völlig kommentarlos, obwohl [jedem?] bekannt ist, dass der Urheber Fritz Sotke nicht nur eine NS-Karriere als HJ-Führer vorzuweisen, sondern auch den Refrain seines Liedes später als Titel für das berächtigte Liederbuch der Hitlerjugend zur Verfügung gestellt hat."
zitiert nach: Bild

Wie man unten noch sehen wird, konnte ich das Zitat "Uns geht die Sonne nicht unter" aber eben dennoch bestens brauchen!)


 

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Sonnengesang des heiligen Franziskus

[...]

Gelobt seist Du, Herr, mit allen Wesen, die Du geschaffen,
der edlen Herrin vor allem, Schwester Sonne,
die uns den Tag heraufführt und Licht mit ihren Strahlen,
die Schöne, spendet; gar prächtig in mächtigem Glanze:
Dein Gleichnis ist sie, Erhabener.

Gelobt seist Du, Herr,
durch Bruder Mond und die Sterne.
Durch Dich sie funkeln am Himmelsbogen
und leuchten köstlich und schön.

Gelobt seist Du, Herr,
durch Bruder Wind und Luft
und Wolke und Wetter,
die sanft oder streng, nach Deinem Willen,
die Wesen leiten, die durch Dich sind.

Gelobt seist Du, Herr,
durch Schwester Quelle:
Wie ist sie nütze in ihrer Demut,
wie köstlich und keusch!

Gelobt seist Du, Herr,
durch Bruder Feuer,
durch den Du zur Nacht uns leuchtest.
Schön und freundlich ist er am wohligen Herde,
mächtig als lodernden Brand.

Gelobt seist Du, Herr,
durch unsere Schwester, die Mutter Erde,
die gütig und stark uns trägt
und mancherlei Frucht uns bietet
mit farbigen Blumen und Matte.

[...]

Faszination Sonnenuntergang

 

Der Begriff "Sonnenauf- bzw. -untergang" ist (wie die gesamte Geozentrik)

  • nicht falsch,

  • sondern im Alltag zweckdienlich.

Bevor hier überhaupt etwas "Naturwissenschaftliches" zum Sonnenuntergang gesagt wird, ist unbedingt die Faszination zu feiern, die er zweifelsohne auf jeden ausübt.
Diese Faszination wenn auch vielleicht nicht durch kitschige Fotos von Sonnenuntergängen (mit romantischem Pärchen davor), sicherlich aber durch echte Sonnenuntergänge ist nur schwer zu erklären - und bedarf eigentlich auch keiner Erklärung.

die Sonne geht auf und unter (geozentrisches Weltbild)
 

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Phaëton, der bei seiner Mutter Klymene lebte, litt bitter darunter, daß sie nur eine Sterbliche war; denn er durfte sich rühmen, der Sohn des Sonnengottes Helios zu sein. Die Menschen aber, unter denen er aufwuchs, glaubten nicht an seine göttliche Abstammung und verspotteten ihn als eitlen Prahler.
Da faßte Phaëton den Entschluss, sich Gewißheit über seine Herkunft zu verschaffen. Er wollte aus dem Munde seines göttlichen Vaters die Wahrheit erfahren und machte sich zu ihm auf den Weg.
Staunend stand er vor Helios' herrlicher Königsburg. Auf goldenen Säulen ruhte der Palast, die Giebel waren in Elfenbein gefaßt, und im Silberglanz strahlten die Tore.
Nur zögernd wagte Phaëton, sich zu nähern, so sehr blendete der Widerschein der lichterfüllten Wunderpracht die Augen.
Helios, der Sonnengott, saß, von einem Purpurgewand umhüllt, auf seinem mit Edelsteinen verzierten Throne. Als er Phaëton gewahrte, nahm er den Strahlenkranz vom Haupt und hieß den Jüngling näher treten. "Was führt dich zu mir, mein Sohn Phaëton?" fragte er.
Die freundlichen Worte des Sonnengottes gaben Phaëton neuen Mut.
"O du strahlendes Weltenlicht", begann er zögernd, "Vater Phoibos, wenn du mir erlaubst, dich so zu nennen . . ." Und dann berichtete er von den Zweifeln, die ihn qußlten. "Gib mir ein sicheres Zeichen als Unterpfand, göttlicher Vater, damit ich als dein echter Sohn gelte!"
"Deine Mutter Klymene hat wahr gesprochen. Ich bin dein Vater", versetzte Helios. "Damit du aber künftig nicht mehr zu zweifeln brauchst, will ich dir einen Wunsch gewähren. Beim Styx, dem Flusse der Unterwelt, schwäre ich, ihn dir zu erfüllen."
Kaum hatte Helios so gesprochen, da nannte der Sohn seine Bitte: "Gib mir für einen Tag den Sonnenwagen!" rief er freudig. "Laß mich deine geflügelten Rosse lenken!"
Wie bereute der Gott nun sein Versprechen! "Könnte ich doch mein sinnloses Wort zurücknehmen!" stieß er hervor und suchte den Sohn mit allen Mitteln zu überreden, auf sein Vorhaben zu verzichten.
"Nicht einmal Zeus selber vermöchte diese Aufgabe zu meistern!'' versicherte er.
Phaëton indessen beharrte auf seinem Wunsch.
"Laß dich doch belehren, mein Sohn!" bat Helios bekümmert und beschrieb, wie gefährlich der Weg sei: "Hoch auf der Himmelskuppe packt mich selbst oftmals schreckliche Furcht, wenn ich in den schwindelnden Abgrund hinabschaue! Und bedenke, daß der Himmel sich beständig dreht und daß ich diesem rasenden Kreislauf entgegenfahren muß. Verlange, geliebter Sohn, nicht ein solch schreckliches Geschenk von mir. ändere deinen Wunsch, noch ist es Zeit."
Doch Phaëton ließ sich nicht überzeugen. "Laß ab von deiner Bitte!'' beschwor ihn der Gott. "Begreifst du nicht, daß mein Geschenk dir den Tod bringen kann? Sieh doch, wie mich der Gram verzehrt!"
Vergeblich waren alle mahnenden und bittenden Worte, und schweren Herzens gab Helios seine Zustimmung: "So sei es! Ich habe es ja bei dem Wasser des Styx geschworen."
Phaëton ließ sich den Sonnenwagen zeigen, den Hephaistos kunstfertig aus Gold und Silber gebaut und mit Edelsteinen verziert hatte.
In diesem Augenblick öffnete Eos, die Göttin der Morgenröte, ihr Purpurtor und die rosenduftende Vorhalle: vom Himmelsrund wichen langsam die Sterne.
Behende schirrten die Horen, die göttlichen Dienerinnen des Zeus, auf des Gottes Befehl die feuersprühenden Rosse an. Helios, das Herz von Kummer und Sorge zerrissen, bestrich dem Sohne behutsam mit heiliger Salbe das Antlitz, um ihn gegen die sengende Flamme zu schützen, und legte ihm seinen Strahlenkranz ums Haupt.
"Höre auf meinen väterlichen Rat!" sagte er mahnend. "Nimm nicht die Stachelpeitsche und verlaß dich mehr auf die Zügel! Folge genau den Wagenspuren, die sich in weiten Bogen hinziehen. Steigst du zu hoch, so vermag der Himmel die Hitze nicht zu ertragen und muß verbrennen; kommst du der Erde zu nahe, so gerät auch diese in Brand. Halte immer den goldenen Mittelweg!"
So mußte der göttliche Vater Phaëton seinem Schicksal überlassen. "Nimm die Zügel in beide Hände!" sagte er. "Oder darf ich noch hoffen, dich umzustimmen? Steh ab von deinem törichten Vorhaben und überlaß mir die Aufgabe, der Welt das Licht zu schenken!''
Aber Phaëton stand schon unbekümmert oben auf dem Wagen, ergriff voller Glück die Zügel und ließ die vier Flügelrosse in die unendliche Weite des Himmels hineinstürzen [s.u.].
In wildem Fluge rasten sie dahin. Offenbar spürten sie sogleich, daß der Wagen nicht die gewohnte Schwere hatte, und schon kündigte sich das Verhängnis an. In wilden Sprüngen rissen die Tiere den Wagen durch die Luft und schleuderten ihn hin und her, als sei er ohne Lenker. Immer verwegener gebärdeten sich die feurigen Rosse, und schon längst folgte das Gefährt den festen Spuren nicht mehr.
Phaëton zitterte in ratloser Angst. Wie sollte er die Rosse bändigen? Lähmendes Entsetzen ergriff ihn, als er tief, tief unter sich die Erde ausgebreitet sah. Wie bereute er den verderblichen Wunsch und die eigene Torheit!
Unaufhaltsam rasten die Rosse dahin. Der unbesonnene Jüngling wagte weder die Zügel zu lockern, noch sie zu straffen. Ja er konnte die Rosse nicht einmal anrufen, da er ihre Namen nicht wüßte!
In wildem Ungestüm jagten sie, an den Sternbildern vorbei, durch das All. Da verlor der Unglückliche alle Überlegung, und von großem Entsetzen gepackt, ließ er dann die Zügel fahren. Als die Riemen auf die Pferderücken fielen, gab es für die Tiere kein Halten mehr. Sie stürzten aus der Bahn, jagten in entfesselter Wut durch die Lüfte in unbekannte Weiten, rissen den Wagen hinab in die Tiefe und wieder jäh empor in die Höhe des äthers. Dann erfüllte sich das Verhängnis. Der feuersprühende Wagen stieß in eine Wolkenschicht hinein und ließ sie in lodernden Flammen aufgehen. Sogleich griff der entfesselte Feuerbrand auf die Berggipfel über und raste nun, wie von Wut gepeitscht, über die Lande hin. Im Nu stand die ganze Erde in Flammen. Nicht Wälder noch Felder noch Städte blieben in dem wilden Flammenwirbel verschont. Das Meer trocknete aus, so daß hohe Berge auf seinem Grunde auftauchten. Die furchtbare Glut zwang sogar den Meeresgott Poseidon, die Tiefe des Meeres aufzusuchen.
Mit Entsetzen vernahm der unglückliche Phaëton das wütende Tosen der Flammen. Wie aus einer Feueresse stieg die Hitze mit der hochgeschleuderten Aschenglut zu ihm empor und drohte ihm den Atem zu nehmen. Schon glühte der Wagen unter ihm.
Damals - hieß es - bekamen Afrikas Bewohner ihre schwarze Haut, und Libyen trocknete zur Wüste aus. Die ausgedörrte Erde klaffte auseinander und ließ durch die Risse so viel Licht in die Unterwelt dringen, daß die Seelen der Abgeschiedenen in Furcht erstarrten.
Erbarmungslos rissen die geflügelten Rosse ihren Lenker weiter durch den unendlichen Raum. Vom glühenden Wagen sprangen die Flammen auf seine Haare über, und jäh stand er in lodernde Glut gehüllt. Noch einen Augenblick hielt er sich aufrecht, dann ergriff ihn die wirbelnde Flamme und schleuderte ihn in den Himmelsraum hinaus. Wie eine Sternschnuppe fuhr Phaëtons brennender Körper in die Tiefe.
In ohnmächtigem Schmerz hatte Helios mit ansehen müssen, wie das Unheil sich vollendete. Ein breiter Strom nahm nun den Toten auf und wusch ihm das versengte Antlitz. Voll Mitleid hoben Najaden, die Göttinnen des Flusses, den Phaëton, der für seine Vermessenheit mit dem Leben hatte büßen müssen, in ihre Arme, trugen ihn ans Ufer und bestatteten ihn.

Ich hatte es schon an verschiedenen Stellen zum Paradebeispiel der wissenschaftlichen Schizophrenie erklärt, dass wir (ausnahmslos alle, also auch hervorragende Astronomen)

Die Wissenschaft ist oftmals eben gerade nicht das Naheliegende, Offensichtliche und Anschauliche

(Aspekte, die eben von der katholischen Kirche gegen Galilei verteidigt wurden; vgl. Bild ),

sondern manchmal eine echte "esoterische" Zumutung!: vgl. etwa

In den beiden letzten  Zitaten wird eine weitere Schizophrenie bzw. Paradoxie deutlich: der wissenschaftlich-rational denkende Mensch soll ausgerechnet im Zentrum der Wissenschaften eine Art Telekinese bzw. "übersinnliche" Kräfte akzeptieren

(und nebenbei: was das denn nun eigentlich sei, diese allzu leicht akzeptierte bzw. nichts erklärende "Gravitation" bzw. "Schwerkraft", bzw. was da "die Welt im innersten zusammenhält", ist wissenschaftlich nach wie vor weitgehend unklar und bereitet bei der oftmals anmaßend-naiven Großen Vereinheitlichung der Kräfte [Theory Of Everything] allergrößte Schwierigkeiten).

Damit hier kein falscher Ton reinkommt: wie in Bild gezeigt, glaube ich nicht an eine simple "Ganzheitlichkeit", also eine leichte Überwindbarkeit der Schizophrenie: in den meisten Fällen werden wir sie wohl schlichtweg akzeptieren müssen.

Mag sein, dass es "metaphysische" Wege zur "Ganzheitlichkeit" gibt (vgl. etwa Bild ), aber die sind hier nicht mein Thema - und mir auch weitgehend versperrt.

Bislang war für mich also die oben beschriebene schizophrene "Wahrnehmung" des Sonnenuntergangs geradezu Musterbeispiel dafür, dass die Schizophrenie im Herzen der Wissenschaft eben gerade nicht überwindbar ist.

Bild

Als ich letztens im Kurzurlaub in Egmond aan Zee (Niederlande) pflichtgemäß abends am Strand den Sonnenuntergang bewundern ging, kippte er plötzlich wie die Wahrnehmung einer Kippfigur

:

plötzlich ging eben nicht mehr die Sonne unter

Bild ,

sondern stürzte sozusagen die Erde (und ich mit ihr) unter der Sonne weg.

Urplötzlich also sah und empfand ich die "richtige" Physik, also das, was ich bis dahin für schlichtweg ausgeschlossen gehalten hatte.

Das Erlebnis war doppelt eindrücklich:

  1. ging da nicht mehr die (von der Erde aus gesehen) letztlich doch kleine Sonne unter, sondern stürzte die gesamte (geozentrisch gesehen) riesige Erde.

  2. war ich wahrhaft perplex über das, was mir da geschah:

Nun ist die Perspektive, dass die Sonne untergeht (und die Erde stillsteht), ja keineswegs "an den Haaren herbei gezogen" und leicht zu überwinden, sondern sie entspricht unserer direkten Anschauung. Es riecht also schwer nach Wahnsinn oder zumindest doch einem kurzzeitigen Aussetzer, wenn ich plötzlich die umgekehrte Perspektive einnehmen konnte.

Es ist wohl so wie mit echten Visionen z.B. mittelalterlicher Mystiker, die meist sehr leise und zurückhaltend auftraten, weil  sie genau wussten, dass nur sie eine neue Perspektive gewonnen hatten, aber

  1. die alte auch richtig war (sie selbst "glauben" sie ja auch),

  2. die neue Perspektive anderen gar nicht oder nur schwer zu vermitteln war:

es werde Bild

Hier sind wir bei einem ganz grundsätzlichen Problem:

Vor allem Ernst Peter Fischer hat - u.a. in seinem Buch Bild  - auf die Bedeutung innerer Bilder für das "public understanding of science" hingewiesen:

"Wie erreicht man dieses Ziel eines inneren Bildes von der Wissenschaft? Hier wird die Ansicht vertreten, daß die Antwort in der Verbindung zur Kunst steckt. Mit ihrer Hilfe kann die Wissenschaft eine Form bekommen, mit der die Wahrnehmung und die Erlebnisfähigkeit der Menschen angesprochen wird. Die Wirkung poetischer Bilder hat das Beispiel des Elfenbeinturms selbst bereits deutlich gemacht. Sie zu finden, wäre die Aufgabe der Menschen, die sich vorgenommen haben, für ein »public understanding of science« zu arbeiten. Es reicht doch schon lange nicht mehr, nur die Ergebnisse wissenschaftlicher Publikationen in Fachblättern abzuschreiben und dieses Vorgehen als Wissenschaftsvermittlung zu deklarieren. Die Ergebnisse der Forschung selbst waren in den sechziger Jahren interessant. Worauf es jetzt ankommt, ist den Menschen zu sagen, wo die Wissenschaft damit steht, und zwar in Hinblick auf mich selbst und meinen Platz im Weltbild der Wissenschaft. Wissenschaftsvermittlung - zum Beispiel in Form von Wissenschaftsjournalismus - muß versuchen, ein Abschreiben auf höherer Ebene zu sein, also eine Darstellung wissenschaftlich gewonnener Einsichten in einer Form, die der Öffentlichkeit das Erleben erlaubt, von dem Humboldt gesprochen hat. Wissenschaftliche Ergebnisse müssen nicht bloß übernommen werden. Sie müssen gestaltet werden, um eine wahrnehmbare Form zu bekommen, die Menschen innerlich betrifft. Erst wenn wir wissen, wie unsere Zeit den Dreiklang aus »Wissenschaft, Kunst und Humanität« wieder hörbar machen kann, den Humboldt in seiner Zeit ertönen ließ, gibt es ein »public understanding of science«. "
(zitiert nach Bild )

Daran ist dreierlei bemerkenswert:

  1. die inneren Bilder haben laut Fischer einen Zweck, nämlich "das Erleben [...], von dem Humboldt gesprochen hat", das "den Menschen innerlich betrifft": es dürfen also nicht x-beliebige Bilder sein, die nur ins Innere "reintröpfeln" und da "versickern", sondern es müssen Bilder sein, die eindrücklich sind - ich möchte fast sagen: die den Rezipienten "aufwühlen", weil er ähnliches schon eindrücklich selbst erlebt hat, oder die "Archtetypen" ansprechen.

Archetypus,

Nach Auffassung C.G. Jungs (analytische Psychologie) gibt es im kollektiven Unterbewussten bestimmte angeborene »Urbilder« (Archetypen), die in Mythen und Wunschbildern von Kulturen und auch Einzelmenschen immer wieder auftreten. Bekannte Archetypen sind die Urbilder von Mann und Frau (Anima), der alte Weise, der Zauberer oder »Medizinmann«, die Hexe und der Teufel.

(Brockhaus multimedial 2002)

  1. muss ergänzt werden: solche inneren Bilder sind nicht nur (und das meint Fischer auch wohl kaum) unvermeidliche "Krücken" für den Laien, sondern spielen auch im Zentrum wissenschaftlicher Entdeckungen eine gewichtige Rolle:

  1. Wenn ich es recht überblicke (ich habe ja nicht alles von Fischer gelesen), ahnt Fischer durchaus treffend die Bedeutung der Kunst bei der Vermittlung von Wissenschaft (innerer Bilder für sie), bringt er dafür aber kaum konkrete Beispiele.

Gesucht sind also eindrückliche, allgemeinverständliche, wenn nicht gar archetypische Bilder für das, was mir da am Strand in Egmond aan Zee widerfahren ist.

Von diesem Bild wäre insbesondere zu fordern, dass es die doppelte Wucht (s.o.) vermittelt, mit der ich den "Sturz" der Erde erlebt habe.

(Ein Problem dabei ist allerdings, dass das schönste Bild "tot" bleibt, wenn der Rezipient nicht fähig ist, Bilder in sich "aufblühen" zu lassen und sie probeweise wörtlich zu nehmen bzw. sich in die Bilder reinzuversetzen [sich also unten selbst auf den (Schaukel-)Stuhl zu setzen].)

Anfangen möchte ich mit einem - wenn auch mangels zeichnerischen Fähigkeiten arg schematisierten - Bild von genau dem, was mir da passiert ist:

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(Nebenbei: seit meinem Erlebnis in Egmond aan Zee muss ich auch nicht mehr umständlich überlegen, "wie rum" sich die Erde bzgl. der Sonne bewegt, sondern ich spüre intuitiv:

"[Der kleine Prinz:] »Ich liebe Sonnenuntergänge sehr. Komm, laß uns einen Sonnenuntergang anschauen...«
[...] auf deinem so kleinen Planeten genügte es, den Sessel um einige Schritte weiterzurücken. Und du erlebtest die Dämmerung, so oft du es wünschtest...
»An einem Tag habe ich die Sonne dreiundvierzigmal untergehen sehn!«
Und ein wenig später fügtest du hinzu: »Du weißt doch, wenn man recht traurig ist, liebt man die Sonnenuntergänge...«

Jetzt wird vielleicht die schon oben erwähnte Wucht deutlich, die mir da widerfuhr: die gesamte Erde - und mit ihr ich (der Stuhl) - wurde rückwärtsgeschleudert:

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(Fahrstuhl des Grauens)

(Um so überraschter war ich am nächsten Morgen beim Sonnenaufgang: innerhalb von nur ca. 12 Stunden hatte sich nicht mehr die - aus Erdsicht - klitzekleine Sonne um die Erde bewegt, sondern die gesamte Erde 1/2 Mal unter der Sonne weggedreht!)

Oder weil uns die Erde ja flach bzw. als Scheibe erscheint, hinter deren Horizont die Sonne verschwindet:

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"Gib mir einen Punkt, auf dem ich stehen kann, und ich werde die Erde bewegen."
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Archimedes (287 - 212 v. Chr.)

Ich hatte nicht umsonst den Betrachterstandpunkt als Stuhl dargestellt, weil man sich den Vorgang auch als die Bewegung eines Schaukelstuhls vorstellen kann

(ein Bild, das allerdings in einem entscheidenden Punkt nicht mehr stimmt: der Schaukelstuhl steht neben der Erde, nicht mehr auf ihr):

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Es ist ein "Gefühl", als wenn man rasant (in kosmischen Dimensionen) nach hinten kippt, wobei dieses "Gefühl" natürlich völlig unkörperlich bleibt

(also nicht so ist wie etwa auf einer Wippe oder in einem absteigenden Aufzug),

denn die Erddrehung lässt sich (aus Trägheitsgründen) nun mal nicht körperlich spüren

(was immer ein entscheidendes Argument gegen die Drehung der Erde um sich selbst wie auch die Drehung der Erde um die Sonne war).

Und dennoch - und das ist entscheidend gegen alle pseudoganzheitliche und letztlich nostalgisch-reaktionäre Verachtung der Naturwissenschaft - ist die "richtige" physikalische Perspektive nicht minder erlebnisreich!

Im letzten Bild schiebt sich die Erde zwischen den Zuschauer (den Stuhl) und die Sonne, womit wir bei einer zweiten Illustrationsmöglichkeit sind, nämlich den immer ein wenig schlappen Vergleichen ("es ist [nur] wie"), die aber Menschen, die nicht mein Erlebnis hatten, vielleicht näher liegen, weil sie auf alltägliche oder zumindest doch leichter vorstellbare Erlebnisse anspielen:


Man müsste mal nach Cape Perpetua (!) reisen können:

"Am Cape Perpetua erhebt sich die schroffe Küste Oregons dreihundert Meter über den Meeresspiegel, während unten die hohe Brandung des Pazifiks mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks in die zerklüfteten Einbuchtungen klatscht. Dieses über einem tiefblauen Ozean hoch in den Himmel ragende Cape Perpetua ist einzigartig. für jemanden, der ganz oben auf der Spitze des Vorgebirges steht, kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Erde rund ist. Der weite Ozean, der sich vor dem Beobachter ausbreitet, ist in jeder Richtung, in die das Auge schauen kann, sanft nach unten gekrümmt. Wenn ein Schiff [und auch die Sonne!] dem Horizont entgegenführt, scheint es für den Beobachter den größten Teil der Zeit auf der gekrümmten Oberfläche nach unten zu gleiten, bis es allmählich hinter dem riesigen blauen Ball verschwindet."
(zitiert nach Bild )