Navigieren im Koordinatensystem

Ach herrje, werden jetzt vielleicht einige denken, jetzt biedert der sich im Unterricht auch noch mit Modekrimskrams wie eben dem "Navi" an.

(Heutzutage wird ja alles mittels "i" verniedlicht. Vgl. etwa "Sofi" für Sonnenfinsternis oder "Bori Becki küsst Steffi Grafi". Aber "Navigationsgerät" ist ja auch in der Tat ein bisschen arg lang.)

Aber mir geht´s ja gar nicht um die mathematische Funktionsweise von Navigationsgeräten. Ich vermute mal, die ist viel zu kompliziert für den Matheunterricht - oder könnte man daraus nicht doch ein schönes Projekt machen?

Sondern das "Navi" ist für mich "nur" erhellend im Hinblick auf die "Funktionsweise von Funktionen" - was in der Grafik oben schon dadurch angedeutet ist, dass der (gestauchte) Graph

einer mathematischen Funktion dritten Grades einmontiert wurde.


Als ich vor ewigen Zeiten den Führerschein machen wollte, musste ich, weil ich auf einem Auge sehr schlecht sehe, merkwürdigerweise in einen "psychologischen Test", auch "Idiotentest" genannt.

Eine der Testaufgaben sah dabei folgendermaßen aus: es wurden für wenige Sekunden Bilder mit blitzartigen Wegen gezeigt und man musste sagen, wie viele Rechts- und Linkskurven es auf jedem Bild gab.

Ein Beispiel:

Mehrere Teilnehmer des Tests sahen sich nicht in der Lage, da korrekt mit "eine Links-, zwei Rechtskurven" zu antworten.

Einige der TeilnehmerInnen waren nicht in der Lage, überhaupt die Aufgabenstellung (sprachlich) zu verstehen. Einige verstanden erst, nachdem die Test-Leiterin die Strecke mit einem Spielzeugauto nachfuhr:

Ich möchte mich über die "Teilleistungsschwäche", die Aufgabe überhaupt nicht oder nicht zügig erledigen zu können, nicht lustig machen. Sondern mich interessiert, worin die Schwierigkeit für so einige Leute lag.

Mir scheint, es gibt zwei Schwierigkeiten:

  1. Was die Kursleiterin nochmals mit einem Spielzeugauto vorgemacht hat, soll man danach ohne solche ein Auto, also einzig und allein im Kopf können.

  2. "Alles ist relativ?": eben nicht!:

Aus dieser "egozentrischen" Perspektive ist aber jederzeit klar, "wie rum" die nächste Kurve geht, während man in

auch  teilweise "rückwärts" fahren muss, und zwar üblicherweise, ohne die Straßenkarte zu drehen, also nur im Kopf

(... weshalb ich - das sei schon vorweggenommen - SchülerInneN immer empfehle, das Blatt, auf das ein Funktionsgraph gezeichnet ist, anfangs noch tatsächlich zu drehen; überhaupt staune ich immer wieder, dass SchülerInnen trotz vielfacher Aufforderung und Übung z.B. in Klasssenarbeiten über Kongruenzabbildungen [drehen, spiegeln, verschieben] kaum jemals etwas handgreiflich tun).

  1. Ein drittes Problem ist oftmals, dass man Landkarten wie hier auf dem Bildschirm

(oder auch an einer Schultafel bzw. in einem Atlas)

senkrecht vor sich sieht und "gehen" muss, während man doch üblicherweise in (annähernd) einer waagerechten Ebene geht.

Letzteres stimmt allerdings nicht ganz: wenn wir Auto fahren, sehen wir die Straße eben doch perspektivisch vor uns ansteigen:

All die genannten Probleme kann man anhand eines handelsüblichen Auto-Navigationssystems erhellen.

Dazu drehen wir erstmal die oben genannte Fahrstrecke:

Auf einer "echten" Karte sieht das dann folgendermaßen aus:

Diese typische Kartendarstellung hat nun alle o.g. Nachteile:

Immerhin lässt sich das bei dem Navigationsgerät schon auf eine "3-D"-Schrägansicht umstellen

(wohlgemerkt: die Schrägansicht ist nur scheinbar "3-D", da alles ja nach wie vor auf diesem zweidimensionalen Bildschirm spielt).

Diese 3-D-Ansicht ist allerdings noch immer genordet, obwohl wir doch von Osten (rechts) anfahren.

In 3-D-Ansicht und jeweils aus Richtung unseres Autos gesehen sieht die komplette Fahrt folgendermaßen aus:

Und eben genau so muss wohl - zumindest für Anfänger - der Graph einer mathematischen Funktion "abgefahren" werden, also z.B.

Noch besser wäre es allerdings, den Graphen mit Gleichgewichtssinn und Hintern (Fliehkraft) zu erfahren: