von nix [Mathematischem] ne Ahnung
(aber das auf allen Sendern?)

  1. Es verbietet sich von selbst
(und ist vermutlich auch offiziell verboten),

dass ein Lehrer einem Schüler Nachhilfe gibt, den er gerade selbst in einer Klasse unterrichtet.
  1. halte ich auch wenig davon, dass ein Lehrer einem Schüler Nachhilfe gibt, der an derselben Schule wie der Lehrer lebt und wirkt, den der Lehrer aber (derzeit) nicht in einer Klasse unterrichtet

               (sobald er mit dem Kollegen spricht, der den Schüler derzeit unterrichtet, werden Interessenskonflikte möglich).
Ich habe von dieser zweiten Regel nur ein einziges Mal eine Ausnahme gemacht, nämlich als die Schulleitung mich bat, einem Schüler mit einer schweren Erbkrankheit Nachhilfe zu geben

(wohlgemerkt einem Schüler, den ich gerade nicht selbst in einer Klasse unterrichtete).

Ansonsten habe ich aber, als ich noch Lehrer war, nie einem Schüler „meiner“ Schule Nachhilfe gegeben

(dazu hatte ich gar keine Zeit).

Wohl aber habe ich während meiner Lehrerzeit manchmal Kindern von Freunden und Bekannten kurz vor Klassenarbeiten in Crashkursen Nachhilfe gegeben

(diese Kinder und Jugendlichen gingen aber zu anderen Schulen [in einer anderen Stadt] als „meiner“ Schule).

Erst seit ich frühpensioniert bin, habe ich vielfach Nachhilfe (in Mathematik) gegeben, und zwar grundsätzlich kostenlos:
  1. Kindern von Leuten (u.a. Asylanten), die sich anderweitig keine Nachhilfe leisten konnten
(wie politisch korrekt ich doch bin - und ich kaufe ja zur Beruhigung meines Gewissens auch immer brav Fairtrade-Kaffee!),
  1. nach wie vor (meistens als kurzfristige Crashkurse) Kindern von Freunden und Bekannten.
Und da hatte ich in letzter Zeit eben auch zwei ganz spezielle Kandidaten, von denen weiter unten die Rede sein soll.


Nachhilfe hat im Vergleich mit regulärem Schulunterricht zwei Nachteile - und einen Vorteil:
  1. ein erster Nachteil: man sieht als Nachhilfelehrer die Schüler

    • meistens nur eine Stunde pro Woche, wenn die Nachhilfe regelmäßig stattfindet,
    • höchstens ein oder zwei Stunden, wenn die Nachhilfe nur als temporärer Crashkurs direkt vor Klassenarbeiten stattfindet
(in diesem Fall kann man als Nachhilfelehrer wegen Zeitmangels immer nur aktuellen Stoff üben

[also dem gegenwärtigen Unterricht hinterherhecheln],

aber kaum an fehlende Grundlagen herangehen)
.
  1. ein zweiter Nachteil: man erlebt als Nachhilfelehrer
(zumindest anfangs)

immer nur „schlechte“ Schüler - und manchmal (s.u.) auch welche, bei denen keinerlei Nachhilfe fruchtet, was ganz schön am pädagogischen Selbstbewusstsein des Nachhilfelehrers nagen kann.

Wenn man aber immer nur mit „schlechten“ Schülern zu tun hat und Erfolgserlebnisse ausbleiben, denkt man als Nachhilfelehrer vielleicht:

  1. der Vorteil: man erlebt die Nachhilfeschüler hautnah, kann sie also
(ein derzeitiges Modewort:)

„individuell fördern“, während man als Lehrer im üblichen Schulunterricht 30 Schüler vor sich sitzen hat und deren individuellen (nur fachlichen?) Probleme oftmals gar nicht mitbekommt. 

Und so passiert es im üblichen Schulunterricht oftmals, dass man als Lehrer von stilleren oder auch vollends desinteressierten Schülern nur die Klassenarbeiten, also punktuelle Ergebnisse mitbekommt und dann vielleicht meint, diese Schüler hätten nur den derzeitigen Stoff nicht verstanden, während bei ihnen in Wirklichkeit oftmals auch sämtliche Grundlagen fehlen:


(“leer“ ja, aber „aufnahmebereit?“)



Der Spruch „von nix ne Ahnung, aber das auf allen Sendern“ gefällt mir

(wie auch „von nix ne Ahnung, aber zu allem ne Meinung“)

viel zu gut, als dass ich mir die Möglichkeit entgehen lassen möchte, ihn für diesen Essay als Überschrift zu verwenden.

Man beachte aber auch das Fragezeichen in der Überschrift
von nix ne Ahnung
(aber das auf allen Sendern?):

dass sie „von nix ne Ahnung“ haben, übermitteln die betreffenden Schüler im üblichen Schulunterricht ja eben gerade nicht „auf allen Sendern“, sondern ganz im Gegenteil auf gar keinem Sender

(außer ansatzweise in Klassenarbeiten, die bei jedem einzelnen Schüler genau zu analysieren ein in Korrekturen ertrinkender Lehrer aber gar keine Zeit hat).



Nun aber zu den oben schon kurz erwähnten beiden speziellen Nachhilfe-Kandidaten, die Anlass für diesen Essay waren, weil mir erst bei ihnen

(nach 27 Jahren Lehrerdasein und dann folgender Frühpensionierung, also zu spät)

etwas brutal Wichtiges aufgegangen ist.

Beim Vergleich beider Kandidaten zeigten sich Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten:

(Dieser erste Kandidat war hinterher bitter enttäuscht, in der Prüfung „nur“ eine 4 geschrieben zu haben, während mir schien, dass er da noch von Glück reden konnte - und die Klausur ohne meine intensive Nachhilfe garantiert 5 oder gar 6 geschrieben hätte.)
(u.a. die andauernde rhetorische Frage „wozu braucht man das?“)

heraushängen

(wobei aber auch er immer freundlich blieb).
  • Beide Kandidaten hatten aber „von Tuten und Blasen keine Ahnung“, und zwar
    • nicht nur beim jeweils gerade aktuellen Stoff,
    • sondern auch im Hinblick auf alle Grundlagen und mehrjährigen Vorarbeiten.

ALLE BETEILIGTEN HÄTTEN SICH DEN JAHRELANGEN MATHEMATIKUNTERRICHT KOMPLETT SPAREN UND STATTDESSEN Z.B. MIT GROSSEM SPASS "DEUTSCHLAND ERKLÄRT DEN KRIEG"

(ein Spiel, das es früher anscheinend vor allem in meiner Heimat, dem Münsterland, gab)

SPIELEN KÖNNEN:

 („ich kann das sowieso nicht“),

(dumm waren beide Kandidaten aber keineswegs!)

vollständig aufgegeben und deshalb im Schulunterricht
sie konnten nichtmal die Inhalte der letzten Schulstunden benennen

(und schon gar nicht hatten sie diese auch nur ansatzweise begriffen).
Adam & Eva

anfangen, also uralte Vorarbeiten nachholen

(wofür aber in keiner Nachhilfe Zeit ist, wenn sie sich nicht über mehrere Monate und mindestens zweimal pro Woche stattfindet

[eine Stunde Aktuelles, die andere Stunde Grundlagen];

und schon gar nicht ist dafür Zeit, wenn die Schüler auch in anderen Fächern "durchhängen" und somit auch in diesen Nachhilfe brauchen)
.



Am erstaunlichsten war aber, dass beide Kandidaten es trotz jahrelanger kompletter mathematischer Unkenntnis überhaupt so weit geschafft bzw. sich immer wieder durchgemogelt hatten, und zwar meistens sogar ohne 5en

(was allerdings erst dann zu einer Nichtversetzung geführt hätte, wenn noch in mindestens einem weiteren Schulfach eine 5 hinzugekommen wäre;
nunja, es gibt durchaus gute Gründe, weshalb Schulen heute kaum mehr Schüler „sitzen lassen“;

ich finde [nebenbei] die Metapher des „Sitzenbleibens/-lassens“ lustig: da bleibt Anton Meier [z.B. ein Nach-wie-vor-Neuntklässler] in den Sommerferien sechs Wochen lang auf seinem Platz im alten Klassenraum wortwörtlich sitzen



[aus dem wunderschönen Film ]
,

während seine ehemaligen Mitschüler [nunmehr Zehntklässler] nach den Sommerferien in einen neuen Klassenraum weiterwandern und seine neuen Mitschüler [inzwischen Neuntklässler] zu Anton Meier in den alten Klassenraum einziehen).

Wenn ich Schülern
(also nicht nur, weil ihre Eltern sie dazu verdonnert hatten)

und mit einiger Geduld ihre Leistungen verbessern wollten,

habe ich sie mit der Zeit allesamt auf stabile Dreien oder sogar Zweien gebracht

(mal abgesehen von temporären Ausrutschern in Form von Vieren)
.

Das Problem dabei ist aber eben „[wenn] sie von sich aus [...] ihre Leistungen verbessern wollten“.

Einige Schüler kamen zu mir ohne diese Eigeninitiative, haben sie im Laufe der Nachhilfe dann aber doch entwickelt, und zwar manchmal aufgrund erster Erfolgserlebnisse noch gar nicht in der Schule, aber immerhin schonmal während der Nachhilfe.

(Vielleicht lag das auch daran, dass ich die Mathematik interessanter, humorvoller und anschaulicher zu vermitteln verstand, als es im Standardunterricht geschah [möglich war]?

Und ich bilde mir doch ein, zu allen Nachhilfeschülern ein sehr persönliches Verhältnis aufgebaut zu haben.)

Der zweite oben genannte Kandidat war aber durch keinerlei Nachhilfe erreichbar und nicht bereit, irgendwelche Eigeninitiative zu entwickeln: mehr als brav zuzuhören und in permanenter Engführung kleine Aufgabe zu lösen war bei ihm während der Nachhilfe nie drin.

Schüler wie die beiden hier exemplarisch beschriebenen haben nicht die mindeste Chance, jemals in Mathematik besser zu werden, wenn sie nicht von sich aus besser werden und darin viel Zeit und Kraft

(z.B. auch in intensive Nachhilfe)

investieren wollen
,

und sei's allein um besserer Schulnoten willen

(indem sie also ihre manchmal durchaus berechtigten Vorbehalte gegenüber der Mathematik runterschlucken)
.

Oder sie schreiben die Mathematik endgültig ab, sorgen aber dafür, dass sie nicht auch in anderen Fächern 5en bekommen.

(Nebenbei: ich bin unbedingt dafür, dass Schüler wieder im letzten Schuljahr vor dem Abitur jedes solitäre Hassfach, also auch die Mathematik abwählen dürfen: warum solche Schüler noch ein weiteres Jahr mit einem Fach quälen, das sie - gelinde gesagt - nicht interessiert und in dem sie auch nicht die mindesten Chancen haben?!)