der Papst hat recht

("der" Papst, das war natürlich Johannes Paul II - und ist nicht Benedikt XVI)

 

Selbstverständlich war sich so ein eminent eigenständig denkender Geist wie Bob Dylan keineswegs zu schade, vor dem Papst zu spielen.

"Heute mag die Wissenschaft, wenn sie will, behaupten, daß sie auf Ketzerverbrennungen verzichtet. Sie kann sogar behaupten, nie zu ihnen Zuflucht genommen zu haben. Ich bin mir da allerdings nichts so sicher."

Bild
Lord John William Strutt Rayleigh,
Nobelpreis für Physik 1904

 

Ich schlag' mir auf die Schenkel: aufgrund der allgemeinen Friedfertigkeit im 3. Golfkrieg hat der Bild doch glatt den Papst wiederentdeckt!

   

"Galilei musste noch vor einem Inquisitionsgericht abschwären. Und er hatte den Mut dazu, war nicht im besserwisserischen Wahn verbohrt, für seine Wahrheit auf dem Scheiterhaufen enden zu wollen. Denn er hatte schon die Gewissheit, die Wissenschaft in eine neue Bahn gelenkt zu haben, in die experimentell kontrollierbare Mathematik! Dafür bedurfte es keines Märtyrertodes."
(Bernhard Kay)

Letztens bin ich in eine Fernsehsendung über den "Fall Galilei" geraten: da wurde zum tausendsten Mal (bis zum Erbrechen) der alte "Gründungsmythos" der Naturwissenschaften vorgetragen, daß nämlich Galilei

  1. recht (und umgekehrt die Kirche "natürlich" völlig unrecht) gehabt habe und

  2. von der Kirche ach so übel verfolgt worden sei.

Zudem entblödete man sich nicht, penetrant drauf rum zu hacken, daß der (gegenwärtige) Papst bis heute noch keine echte Entschuldigung Galileis und kein echtes Eingeständnis seiner (des derzeitigen Papstes?) Schuld abgelegt habe.

Daß aber solch ein erwiesener Quatsch bis heute verbreitet wird, finde ich geradezu gemeingefährlich. Schlimm daran ist nicht die Kritik am Papst (die finde ich sowieso nurmehr pubertär), sondern zweierlei:

  1. , daß da so blind der (falsche) Gründungsmythos (s.u.) der Naturwissenschaften weiterverbreitet wird: also schlicht Geschichtsklitterung, Untreue gegenüber den historischen Fakten,

  2. , daß man (indirekt, ohne es zu wissen) Galilei und überhaupt vieler Naturwissenschaft seitdem in ihrer Rechthaberei und in ihrem alleinigen Wahrheitsanspruch folgt, also die klotzig-erschlagende, oft eiskalte Naturwissenschaft noch in ihrer fatalen Wirkung befürdert

(wobei gleich ergänzt sei, daß ich Naturwissenschaft oft wunderschön finde bzw. sie für mich erst gefährlich wird, wenn sie "die" Wahrheit gepachtet hat; dagegen wäre doch endlich dringend zu betonen und zu popularisieren, daß die neueste Naturwissenschaft inzwischen sehr viel weiter ist!).

Man kann doch wohl noch verlangen, daß Redakteure, die eine Sendung über Galilei planen, sich neuere, differenziertere Literatur zu diesem Fall besorgen und diese Differenzierungen bei aller gebotenen populärwissenschaftlichen Einfachheit in die Sendung einbringen. Genau dafür (statt für die 527. ewig gleiche Galilei-Sendung) werden sie doch bezahlt!

Fangen wir aber mit etwas anderem an:

für völlig blödsinnig bis geradezu gefährlich halte ich die Forderung, der Papst solle Galilei „rehabilitieren“. Genau damit nämlich würde er sich wieder zum Herrn über die Geschichte aufschwingen, der er – durchaus zum Heil der Kirche - längst nicht mehr ist

(und wer solches Rehabilitieren fordert, gesteht der Kirche solche Macht eben noch immer zu [ist päpstlicher als der Papst], ja, fordert sie geradezu auf, solch eine Machtposition wieder einzunehmen).

Anders gesagt: die katholische Kirche ist im selben Augenblick ihrerseits halbwegs „rehabilitiert“, in dem sie sich nicht mehr anmaßt, verurteilen und rehabilitieren (was letztlich dasselbe ist, nämlich einmal ein Negativ-, das andere mal ein Positivurteil) zu können/wollen/dürfen.

Überhaupt hat es etwas Perverses an sich, Tote zu rehabilitieren: die Wiederbelebung ist auch eine Art Leichenschöndung, instrumentalisiert nämlich das Opfer nochmals zum eigenen Zweck (ideologische Bereinigung der eigenen Geschichte).

Die Dreistigkeit beim Rehabilitieren besteht darin, dass das frühere Opfer sich dagegen genauso wenig wehren kann wie gegen seine damalige Verurteilung (viele Opfer würden vermutlich darauf pfeifen, ausgerechnet von den „ehemaligen Tätern“ wieder rehabilitiert zu werden). Man nimmt sich da nur was, stellt sich nur dreist selbst einen Persilschein aus wie etwa auch mit „ich entschuldige mich“.

Die nobelste Methode des „Umgangs“ mit früheren Opfern und der eigenen Geschichte ist wohl eher, die Opfer ernst zu nehmen, sie aber nicht großspurig zu „rehabilitieren“.

Das nachträgliche Wiedereingemeinden hat etwas Widerliches an sich: es entschärft oftmals die Ideen der ehemaligen Opfer („im Grunde waren wir uns ja schon immer einig“), ja, nimmt ihnen sogar die Würde des Opferseins. Es sagt eigentlich nur krokodilstränen-süffisant: „tja, war alles ein peinlicher Irrtum“.

äußerst problematisch am „Rehabilitieren“ ist es auch, dass da immer eine (zweifelhafte) (Mit-)Schuld des Opfers vorausgesetzt wird. Einzige Frage ist dann (auch nachträglich): „schuldig oder nicht schuldig im Sinne der damaligen Anklage?“ Genau damit aber lässt man sich wieder auf die damalige Unrechtslogik ein und wendet sie neu an. Viele Opfer trugen aber nie irgendwelche Mitschuld, sondern waren willkürliche oder zumindest nicht individuell „gemeinte“ Opfer eines prinzipiellen Unrechtsregimes. Zudem kann man gar nicht so schuldig sein, dass man hingerichtet werden dürfte (nur Terrorregime „verhängen“ die Todesstrafe).

„Rehabilitieren“ erinnert mich doch allzu sehr an Vorgänge in der früheren Sowjetunion: da wurden unter Chrustchow Opfer der stalinistischen Schauprozesse 1937/38 rehabilitiert, nur damit sie teilweise unter Breshnew wieder – was für ein Unwort!: - „de[re]habilitiert“ wurden. Es ist widerlich, Opfer derart zum Spielball schwankender und letztlich bloß egoistischer Interessen zu machen!

Die Angehörigen der längst ermordeten Schauprozess-Opfer haben doch nur deshalb eine Rehabilitation dieser Opfer zu erreichen versucht, weil der Stalinismus nunmal zu Sippenhaft bzw. gar „Sippenhinrichtung“ neigte und weil noch immer dasselbe (wenn auch leicht abgemilderte) Unrechtsregime herrschte (und man halbwegs in ihm leben musste), das die früheren Urteile ausgesprochen hatte. D.h., jede Rehabilitation bestätigt oder akzeptiert notgedrungen nur das Unrechtsregime, seine Logik und „Richtlinienkompetenz“.

Und letztlich hat all dieses Re- und Dehabilitieren eh nichts geholfen: die eigentliche Rehabilitation der Opfer bestand darin, dass die Institution unterging (der sowjetische Staat), die solche Re- und Dehabilitationen aussprechen konnte. Wie lächerlich wirkten dann im Nachhinein die verdreht-halbherzigen Rehabilitationsversuche der Gorbatshow-Zeit (wenn sie vielleicht auch immerhin den Untergang des Regimes beschleunigt haben bzw. schon Ausdruck seines Untergangs waren)!

 (Damit möchte ich nicht allzu simpel

  1. die katholische Kirche und das ehemalige sowjetisch-kommunistische Regime gleichgesetzt,
  2. die Auflösung bzw. den Zusammenbruch der katholischen Kirche gefordert haben.)

(Es ist halt schwierig, mit Vorgängerorganisationen umzugehen: ist die derzeitige PDS noch dasselbe wie ihre Vorgängerpartei SED? Umgekehrt: kann und darf man denn so einfach alles aburteilen? Anders gesagt: kann und darf man denn "den Menschen" ihre [nunmal vorhandene] Geschichte und ihre neue, veränderte Einstellung absprechen?

Nebenbei: das alles heißt ja eben NICHT, die Verbrechen der Vorgängerorganisationen [der PDS, der derzeitigen katholischen Kirche] zu leugnen oder zu verharmlosen. Kurz und bündig: sie waren entsetzlich, es wird einem noch im Nachhinein vor solcher verbiesterten Gemeingefährlichkeit schlecht, es packt einen auch noch Jahrzehnte und Jahrhunderte später das blanke Entsetzen!)

Wie sollte der Papst sich denn auch ernsthaft von solch weit entfernten Taten distanzieren? Solche Distanzierung wäre doch auch nur Geschichtsklitterung: "tut Uns im Nachhinein alles ganz schrecklich leid" – was die Geschichte auch nicht ändert.

Was hat man denn davon, warum ist man eigentlich so scharf drauf, daß der Papst 300 Jahre später irgendwelche "Schuld" eingesteht?

Ein viel zu simples Bild ist es mir auch, die Kirche einerseits nur negativ und andererseits als einzig Schuldige an den Untaten der Jahrhunderte zu sehen:

Unendlich viele Menschen haben (verfährt, als "Opium des Volkes"?) ihre Hoffnung auf die Kirche gesetzt bzw. in ihr gefunden: das nun alles "nur" als falsch darzustellen oder sich gar billig drüber lustig zu machen, finde ich lieblos und geradezu zynisch. Ja, selbst der pauschale Vorwurf "Opium des Volkes" ist viel zu simpel, leugnet nämlich "zentrale Menschheitsfragen" jenseits banaler "Innerweltlichkeit".

Ein bißchen auch schon wieder simplifizierend gesagt

(weil nun seinerseits die komplexe Wechselwirkung von - marxistisch gesprochen - "Basis" und "Überbau" sowie alle Ideengeschichte leugnend):

z.B. war der Konfessionsstreit doch nur der Aufhänger, der Anlaß für den 30jährigen Krieg, in Wirklichkeit ging es um politische Macht und ökonomische Interessen;

(in der Billigversion wendet man dann Jesus gegen die gesamte Kirche; denn Jesus selbst zu kritisieren, traut man sich ja doch noch nicht, bzw. dazu ist man dann doch noch allzu gläubig)

sind genauso unzurechnungsfähig wie fanatische Christen: die Kirche ist (wie alle sozialen Organisationen!) "auch nur" Menschenwerk - und deshalb noch lange nicht (von Anfang an) schlecht.

Wie war's denn (aller neueren Forschung nach) "wirklich" mit Galilei?:

  1. hatte er nicht "recht", sondern "nur" ein neues, zweifelsohne (technisch) sehr brauchbares Erklärungsmodell

(und die Bescheidenheit, ja, Weitsicht, es als Modell zu durchschauen [was ihm von der Kirche ja immer angeboten wurde], fehlte ihm völlig; s. 7.);

man muss aber wohl doch ergänzen, um nicht (systematisch) missverstanden zu werden:

  • Selbstverständlich war das, was Galilei "herausgefunden" hat, über alle Maßen genial, ehrfurchtgebietend staunenswert - und ungeheuer hilfreich,

  • selbstverständlich war er mit der Betonung des Experiments und der Mathematik der Geburtshelfer für das so faszinierende Bild :

Bild

  1. war dieses neue Erklärungsmodell – wie bei allen "Anfängern", also auch Kopernikus – noch eher ästhetisch als praktisch begründet, also noch keineswegs "beweisbar"; ja, das alte Weltbild (z.B. die ptolemäische Geozentrik) konnte viele Dinge tatsächlich noch besser und genauer erklären;

  2. war (und ist!) das alte, aristotelische Erklärungsmodell nicht falsch, also nicht schlechter (und auch nicht besser), sondern anders gerichtet: Galilei fragte nach dem "wie" ("wie folgt B aus A?") und interessierte sich überhaupt nicht mehr für die alte aristotelische (viel grundsätzlichere und eigentlich auch viel interessantere, wenn auch kaum so einfach zu beantwortende) Frage nach dem "warum".

Es sei doch mal kurz klargestellt: die Heliozentrik ist auch nicht wahrer als die Geozentrik

(ist doch alles nur eine Sache der "relativen" Perspektive, und für mich geht morgens immer noch die Sonne auf und steht die Erde hübsch fest),

sondern ermöglicht (später) nur einfachere und dadurch erfolgreichere mathematische Beschreibungen;

  1. mußte Galileis Gegnern sein neuer Ansatz wegen der neuen Fragestellung in der Tat als ein "fanatische[r] Irrationalismus" (Prigogine/Stengers: Dialog mit der Natur) erscheinen.

„Die Inquisitoren hielten wie die allermeisten Menschen zu Galileis Zeit die Behauptung, die Erde bewege sich, für den Gipfel der Absurdität. Wir können ihre Bewegung doch schließlich nicht spüren, oder? Man sagt, Galilei habe es einige Jahre lang nicht deshalb vermieden, die heliozentrische Theorie öffentlich zu vertreten, weil er Angst vor der Inquisition hatte, sondern weil er nicht ausgelacht werden wollte.“
(David Deutsch)

„In gewisser Weise plädierte die Kirche [Galilei gegenüber] [...] lediglich für Bescheidenheit, für die Anerkennung der menschlichen Fehlbarkeit. Wenn Galilei behauptete, die heliozentrische Theorie sei irgendwie bewiesen, war ihre Kritik stichhaltig. Wenn Galilei dachte, seine Verfahren könnten einer Theorie eine Autorität verleihen, die der vergleichbar war, die die Kirche für ihre Lehren in Anspruch nahm, hatten die Inquisitoren das Recht, ihn wegen seiner Arroganz (oder, wie sie sagten, Blasphemie) zu kritisieren.“
(David Deutsch)

Das aber lasse man sich mal auf der Zunge zergehen: so gesehen waren nicht die Kirche/die Aristoteliker die Fanatiker, sondern in ihren Augen war Galilei es. Aus ihrer (gar nicht so falschen) Logik heraus mußte Galilei unbedingt gestoppt werden

(was ja nicht die Inquisition rechtfertigt!).

Und noch eins: die Kirche wehrte sich in demselben Sinne gegen Galilei, wie Goethe sich gegen Newton wehrte: nämlich gegen naturwissenschaftliche Experimente (Experimente mit der Natur), die Galilei nicht zufällig „Torturen“ nannte: die Kirche wie Goethe wussten schon sehr früh

  1. , was später erst Heisenberg wieder in die Wissenschaft gebracht hat: dass der Beobachter das Beobachtete verändert oder überhaupt erst erzeugt (deshalb ja haben sich viele Kirchenvertreter geweigert, durch Galileis Fernrohr zu sehen),
  2. , dass diese Einstellung, die Natur auf die Folter zu spannen, sie irgendwann mal zerstören könnte.
  1. Bzw. die Kirche und Goethe wussten es nicht sehr früh, sondern solches Denken  (solche Bescheidenheit) wie ihre(s) hat eine uralte Tradition und musste beispielsweise durch Heisenberg (wenn auch auf neue Art) nur wiederentdeckt werden.

    Wir wissen also heute, dass damals in gewissem (nicht-physikalischen) Sinne die Kirche und nicht Galilei "recht" hatte.

  2. ist Galilei von der Inquisition gar nicht so eindeutig übel behandelt worden. Oder genauer: für "inquisitorische" Verhältnisse ist er ausgesprochen "fein" angefaßt worden: keine Folter, kein übler Kerker, sondern ein allerfeinster Palast mit "offenem Vollzug". Es konnte nie ein Zweifel daran bestehen, daß man ihm voller Respekt alle Ehre zu erweisen versuchte.

    (Nun, Angst und Schrecken kann man auch im feinsten Palast verbreiten, und wieder geht's mir nicht darum, irgendwas zu "entschuldigen".)

    Überhaupt: sieht man mal von dem anders gelagerten Fall des Giordano Bruno ab, der von der Inquisition lebendig verbrannt wurde, so ist die Kirche erstaunlich wenig, ja, fast gar nicht gegen die neue Naturwissenschaft vorgegangen; schlicht und einfach, weil diese neue Naturwissenschaft weitgehend auf katholischem Boden und in der Kirche gewachsen ist.

    Hier stimmt der Gründungsmythos "in weiterem Sinne", daß nämlich Theologie und Naturwissenschaft grundsätzlich gegeneinander stehen und erstere bösartig sei, nunmal nicht mehr so einfach.

    Eine ganz andere Frage wäre, weshalb dieser Verfolgungs-Mythos dann später doch aufkam und aufkommen "mußte". Ich möchte probeweise mal dreist behaupten: weil die allermeisten Naturwissenschaftler historisch-philosophisch dumm waren!

  3. ging's – wie z.B. Pietro Redondi in "Galilei, der Ketzer" vermutet – um (aus Sicht der Kirche) etwas viel Grundsätzlicheres als nur ein bißchen "und sie [die Erde] bewegt sich doch"

    (was sowieso – als Gedankenmodell – jeder wüßte: daß Galileis Erkenntnis so weltbewegend neu sei, ist ja auch Bestandteil des naturwissenschaftlichen Gründungsmythos: aber so revolutionär [wie z.B. Thomas Kuhn in "Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" vermutet] verändert sich wohl nichtmal Wissenschaft – was ja die Verdienste und den gedanklichen Mut der Neuerer nicht schmälert;

    nebenbei: das ach so berühmte Galilei-Zitat ist nicht echt):

    es ging darum, daß Galilei die Kirche auf ihrem ureigensten Gebiet, der Theologie (u.a. in der "heiligen Wandlung"), angriff.

    Der Fall Galilei wird meist grundfalsch und allzu billig verstanden: es ging nicht darum, dass er die Heliozentrik, sondern dass er ein strukturell ganz anderes Denken bzw. andere Erklärungen (nämlich mathematischer Art) vertrat. Dafür wurde er angeklagt und verurteilt.

  4. war Galilei – was natürlich wiederum nicht die Kirche "entschuldigt"! – anscheinend manchmal ein ausgesprochen mieser, cholerischer und undankbarer Charakter: in einem seiner berühmtesten Bücher, den "Dialogen", stellt er ausgerechnet den Mann (seinen früheren Freund [?] und den späteren Papst Urban VIII.)

    (und zwar ein auch naturwissenschaftlich hochgebildeter Mann und keineswegs ein mieser Tyrann)

    in der Gestalt des "Simplicius" mittels direkter Zitate als kompletten Idioten dar. Vor allem aber war Galilei grenzenlos rechthaberisch und arrogant

    (ein bezeichnender "Geburtsfehler" der alten Mathematik [vgl. Pythogaras: "ich dulde keinen Widerspruch"] und neuen Naturwissenschaft?)

    und nicht zum mindesten Kompromiß oder auch nur einer leisen Relativierung seiner Erkenntnisse bereit

    (bevor er dann vor der Erbarmungslosigkeit der Inquisition einknickte und - das verstehe ich allemal, darüber werde ich nicht urteilen - einknicken mußte).

    Nun, ein gewisser Starrsinn mag auch Notwehr gegen ein erstarrtes System gewesen sein, und vielleicht braucht man überhaupt eine Portion Starrsinn und Einseitigkeit, um Ausdauer und Selbstbewußtsein zu haben, Neues (gegen eigene Zweifel!) anzudenken und durchzuziehen.

  5. hat - wie Federico di Trocchio gezeigt hat - ja angangs keineswegs "die Kirche" den Streit mit Galilei vom Zaun gebrochen, sondern dieser Streit wurde von den kleinkarierten Naturwissenschaftlern seiner Zeit angefangen (und da wäre es trotzdem viel zu simpel, denen einfach nachträglich die "Naturwissenschaft" abzusprechen).

    Da sollte sich - wenn schon (Schuldzuschreibung), denn schon - also die Naturwissenschaft mal an die eigene Nase fassen, da könnte sie laut Trocchio ausgerechnet vom Papst lernen, wie man Fehler eingesteht.

Es geht mir hier doch nicht um die Kirche oder um den gegenwärtigen Papst.


Historische Redlichkeit bedeutet,

  1. die Vergangenheit soweit irgend möglich aus ihr selbst verstehen zu wollen, statt sie arrogant an heutigen Maßstäben zu messen

(man verachte nicht die Leiter, auf der man selbst "herauf" gestiegen ist; man müsste dann nämlich mit der Leiter sich selbst verachten),

  1. ihr Recht widerfahren zu lassen, sie vor jedem Urteil erst mal verstehen zu wollen

(mit allerbestem Recht könnte die Vergangenheit uns Heutige in vielem verurteilen; nur dass sie – anders als wir – zum Schweigen verurteilt ist),

  1. sich selbst und unsere Gegenwart durch die Vergangenheit in Frage stellen zu lassen

(es ist nämlich nicht alles bzw. so zweifelsfrei Fortschritt im Sinne von Verbesserung gewesen),

  1. nach Ecken zu suchen, wo die Vergangenheit leicht hätte anders laufen können, aber auch nach Begründungen, warum sie mit gutem Grund so gelaufen ist,
  2. probeweise für die Vergangenheit – und gegen heutige Billigargumente – den „advocatus diaboli“ zu spielen

(also auch gegen eigene, moderne Überzeugungen; denn natürlich hatte - physikalisch gesehen - Galilei „recht“).


PS:


(Süddeutsche Zeitung, 14./15.2.09)

PPS, Jahre später:

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