Planskizzen
"Richtige" MathematikerInnen sind selbstverständlich (?) PlatonikerInnen in dem Sinne, dass für sie die Mathematik allein im Kopf stattfindet
(welch unermessliche Freiheit ohne jede Behinderung durch die widerborstige äußere "Wirklichkeit": da kann man [fast] schalten und walten wie Gott persönlich!)
und keiner Hilfsmittel bedarf. Denn die wahren mathematischen "Gegenstände" ("Ideen")
(also z.B. perfekte Kreise)
existieren überhaupt nur im Kopf, und die schnöde "Wirklichkeit" ist da nur ein siebtklassiger Abklatsch
(ein gezeichneter Kreis ist immer - spätestens unter dem Mikroskop - ungenau, also eben kein Kreis mehr).
Dennoch kommen natürlich auch "richtige" MathematikerInnen nicht ohne Bleistift und Papier aus
(aber viel mehr bedarf es wirklich nicht!).
Bleistift und Papier
machen es möglich, Gedanken anzuordnen,
ermöglichen Gedächtnisstützen (z.B. bei längeren Rechnungen)
und die Speicherung und Weitergabe,
bieten die Möglichkeit der Veranschaulichung:
Wenn aber die Zeichnungen mathematischer Gegenstände sowieso nur ungenau sein können, dann reicht oftmals (da MathematikerInnen ja stinkefaul sind) ein Gekritzel:
"Dieser Kreis ist (k)ein Kreis!"
(Eine durchaus interessante Frage wäre dabei, weshalb wir überhaupt bereit und fähig sind, darin problemlos einen Kreis zu sehen, obwohl ganz offensichtlich nicht mal die simpelsten Kreiseigenschaften erfüllt sind:
wie haben wir gelernt [oder ist es uns - so zumindest Platon - von Anfang an mitgegeben], was ein richtiger Kreis ist, wo wir doch angeblich nie einen sehen konnten?
und wie weit darf ein "falscher" Kreis von einem richtigen abweichen bzw. welche Bedingungen muss er so eben gerade doch noch erfüllen, damit wir bereit sind, ihn als "Kreis" anzuerkennen?)
Und doch gibt es gewisse Grundanforderungen an Planskizzen:
sollten sie (wie weit?) dem "gemeinten" Gegenstand ähneln, also eben z.B. "kreisförmig" sein
(die deutsche Sprache differenziert da sehr genau: "kreisförmig" bedeutet ja eben "kein Kreis", aber doch "kreisähnlich");
gewisse mathematische Grundeigenschaften müssen erfüllt sein:
angenommen beispielsweise, das Thema sind quadratische Funktionen.
Dann ist
schlechter als
Denn zwar ist die erste Zeichnung ordentlicher angefertigt, dafür enthält sie aber (im Gegensatz zur zweiten) wirklich grundlegende Fehler:
fehlende (annähernde) Symmetrie,
eine "Ecke" (Nicht-Differenzierbarkeit) im Ursprung,
(im 1. Quadranten) keine durchgehende Linkskurve (und [fast] senkrecht?),
vor allem aber: (im 2. Quadranten) nicht mal ein Funktionsgraph
Diese Fehler sind aber nicht nur deshalb schlimm, weil sich in ihnen echtes (theoretisches) mathematisches Unverständnis zeigt, sondern auch und vor allem, weil mit ihnen die Planskizze regelrecht spätere (praktische) Rechenfehler suggeriert.
(Man sieht also: Planskizzen lassen sich - wo MathematiklehrerInnen ja immer so scharf drauf sind - durchaus bewerten!)
Planskizzen sollten
annähernd diejenigen Informationen enthalten, die in einer Aufgabe vorgegeben sind,
aber nicht mehr.
Beispiele:
wenn in der Aufgabe (nur) von einem rechtwinkligen Dreieck die Rede ist, sollte es auf gar keinen Fall zusätzlich auch noch gleichschenklig sein
... denn dann beweist man vielleicht später etwas, was leider nur für Dreiecke gilt, die rechtwinklig und gleichschenklig sind;
oder man merkt nicht, dass eine entscheidende Eigenschaft (z.B. der Satz des Pythagoras) keineswegs nur für gleichschenklig-rechtwinklige, sondern für alle (auch nicht gleichschenklig) rechtwinkligen Dreiecke gilt;
angenommen, ein Sachverhalt soll allgemeingültig bewiesen werden,
also z.B., dass die Winkelsumme in ausnahmslos allen (ebenen) Dreiecken 1800 ist
oder der Satz des Pythagoras für ausnahmslos alle rechtwinkligen Dreiecke.
Dann spielt offensichtlich die Größe keine Rolle
(und sollte nebenbei
im ersten Fall kein irgendwie "reguläres", insbesondere also auch kein rechtwinkliges,
im zweiten Fall aber unbedingt ein annähernd rechtwinkliges Dreieck
gezeichnet werden).
Nun ist es aber in einer Planskizze unvermeidbar, bestimmte Größen zu wählen.
Allerdings schreibe man nicht Zahlen (ängen), sondern nur Variable (a, b, c) dran
und probiere alles vielleicht auch mal an einer Planskizze mit anderen Längen;
man verändere auch mal die "mitgegebene" Eigenschaft; z.B. wird man dann sehen, dass und weshalb der Satz des Pythagoras bei nicht-rechtwinkligen Dreiecken nicht funktioniert;
zudem achte man beim Beweis wie ein Spürhund darauf, ob jemals konkrete Maße eingehen: im selben Augenblick gilt der Beweis nämlich nicht mehr allgemein, sondern schnurrt alles - wie enttäuschend! - auf einen einzigen Sonderfall zusammen;
ein uralter Lehrertrick und guter Schülertipp ist es, alles, was nicht eindeutig formuliert ist, bewusst (bösartig und doch hilfreich) falsch zu machen, wenn einem eine Aufgabe von jemand anderem diktiert wird.
Man darf sich nicht darauf verlassen, dass SchülerInnen das Anfertigen von Planskizzen schon irgendwann im Unterricht "von selbst" lernen werden. Sondern es sollte
|
Zu solchen Unterrichtseinheiten (ohne jedes Rechnen!) würden z.B. auch gehören:
Man mache - auch mal ohne Zirkel und Lineal - Planskizzen von realen (noch unmathematischen) Gegenständen, weil man dann die Skizze bestens am Original vorher ablesen und nachher korrigieren kann.
Und umgekehrt lasse man mal Dinge nach Planskizze (also ohne materielles Original) bauen, um zu sehen, ob die Planskizze aussagekräftig und eindeutig genug war.