ich schenk dir (d)einen Regenbogen

 

"Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig: Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. Und wenn es kommt, daß ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, daß hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe. Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, daß ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, das auf Erden ist. Und Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf Erden."
(Genesis, 9.12)

"Und der da saß, war anzusehen wie der Stein Jaspis und Sarder; und ein Regenbogen war um den Thron, anzusehen wie ein Smaragd."
(Offenbarung des Johannes, 4.3)

"Und ich sah einen andern starken Engel vom Himmel herabkommen, mit einer Wolke bekleidet, und der Regenbogen auf seinem Haupt und sein Antlitz wie die Sonne und seine Füße wie Feuersäulen."
(Offenbarung des Johannes, 10.1)

Vorweg ein langes Zitat:

"Da sie [die Regentropfen] annähernd Kugelform besitzen, stellt ihre rückwärtige Oberfläche einen Hohlspiegel dar: Sie reflektieren das Sonnenlicht, nachdem sie es gebrochen haben; deshalb sehen wir den Regenbogen in dem der Sonne gegenüberliegenden Teil des Himmels und nicht, wenn wir durch den Regen in die Sonne blicken. [...] Die Sonne steht hinter und ein wenig über uns, sodass ihr Licht in die Regentropfen fällt. An der Grenzfläche zwischen Luft und Wasser wird es gebrochen, und die verschiedenen Wellenlängen, aus denen das Licht besteht, werden aufgespalten wie in Newtons Prisma.

[Vgl. in der ersten Zeichnung bei 1; dort wird der blaue Strahl stärker gebrochen als der rote] Die aufgefächerten Farben fallen durch das Innere des Tropfens auf seine konkave Rückwand, wo sie zurück und abwärts reflektiert werden. [Hier - in der ersten Zeichnung bei 2 - gilt das alte Gesetz "Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel"].

Nun verlassen sie den Regentropfen, und ein paar von ihnen fallen in unser Auge. Beim Übergang vom Wasser in die Luft  werden sie ein zweites Mal gebrochen, wobei die einzelnen Farben wiederum um unterschiedliche Winkel abgelenkt werden

[vgl. in der ersten Zeichnung bei 3; wieder wird der blaue Strahl stärker gebrochen als der rote; weil insgesamt zwei Brechungen stattfinden und das Licht zurück fällt, wird also der blaue Strahl weniger abgelenkt (um 400) als der rote (um 420)]

Jeder einzelne Regentropfen strahlt also das vollständige Spektrum aus - rot, orange, gelb, grün, blau, violett -, und ein ganz ähnliches Spektrum kommt von den benachbarten Tropfen. Aber nur ein kleiner Teil des Spektrums aus jedem einzelnen Tropfen trifft unser Auge. Empfängt es von einem bestimmten Tropfen einen grünen Lichtstrahl, läuft das blaue Licht desselben Tropfens oberhalb und das rote unterhalb des Auges vorbei. Warum sehen wir dennoch einen vollständigen Regenbogen? Weil viele einzelne Regentropfen vorhanden sind.

[Oder deutlicher gesagt: das blaue bzw. rote Licht, das wir sehen, stammt von verschiedenen Regentropfen.]

Ein Streifen aus vielen tausend Tropfen liefert uns grünes Licht (und würde jemandem, der sich entsprechend hoch über uns befände, blaues Licht liefern, während jemand unter uns das rote Licht dieser Tropfen sehen würde). Ein anderer Streifen aus vielen tausend Regentropfen versorgt uns mit rotem Licht (und jemand anderen mit blauem ... ), ein dritter Streifen liefert blaues Licht und so weiter. Alle Regentropfen, deren rotes Licht wir sehen, befinden sich in der gleichen Entfernung von uns - deshalb sehen wir einen gebogenen Streifen (wobei wir selbst in der Mitte des Kreises stehen). Auch die Entfernung aller Tropfen, die grünes Licht liefern, ist die gleiche, aber sie ist kürzer. Die Folge: Der von ihnen gebildete Kreis hat einen kleineren Radius und liegt innerhalb des roten Kreises. Noch weiter innen befindet sich der blaue Bogen - der ganze Regenbogen besteht aus einer Abfolge von Kreisen, in deren Mittelpunkt der Betrachter steht. Ein anderer Beobachter sieht einen anderen Regenbogen, der sich um ihn herum wölbt.

[Der Regentropfen, der dem einen Zuschauer blaues Licht liefert, liefert dem anderen Zuschauer rotes Licht.]

Ein Regenbogen entspringt also keineswegs an einer bestimmten «Stelle» [...], sondern es gibt so viele Regenbögen, wie es Augen gibt, die in den Regen blicken. Verschiedene Beobachter, die von unterschiedlichen Orten aus denselben Regenschauer sehen, setzen sich jeweils aus einer anderen Kombination von Regentropfen ihren eigenen Regenbogen zusammen. Streng genommen sehen sogar die beiden Augen eines einzigen Menschen unterschiedliche Regenbögen. Und wenn wir «einen» Regenbogen beobachten, während wir eine Straße entlangfahren, sehen wir in Wirklichkeit viele Bögen in schneller Folge.
[...]
Noch komplizierter wird die Angelegenheit, weil die Regentropfen auch selbst fallen oder vom Wind verweht werden. Deshalb durchquert jeder einzelne Tropfen beispielsweise zunächst den Streifen, der rotes Licht liefert, und dann den für die grünen Strahlen. Dennoch sehen wir einen unbeweglichen roten Streifen, weil immer neue Tropfen den Platz ihrer gefallenen Vorgänger einnehmen.
[...]
Kann irgendjemand ernsthaft behaupten, es verderbe die Freude, wenn man weiß, was im Innern all der vielen tausend fallenden, glitzernden, reflektierenden und brechenden Regentropfen vorgeht?"

(zitiert nach: ; darin S. 72ff)

Nur macht Dawkins - trotz des soeben zitierten letzten Satzes - einen entscheidenden Fehler:

Der Regenbogen ist durch die naturwissenschaftliche Erklärung ja keineswegs - wie der deutsche Buchtitel, aber auch das restliche Buch suggeriert - "entzaubert"

(der Originaltitel lautete "Unweaving the Rainbow", also eher "Entflechten des Regenbogens"; und Dawkins wagt es ja sogar [was natürlich niemals ein Argument sein kann], ein Gedicht von Wordsworth physikalisch zu bemäkeln).

Es gibt gute Gründe dafür, dass der Regenbogen auch durch die naturwissenschaftliche Erklärung keineswegs entzaubert ist:

  1. bleiben alle Erklärungen letztlich abstrakt, weil ein Mensch, der gerade einen Regenbogen sieht, die Vorgänge in allen Regentropfen, die für ihn den Bogen bilden, niemals gleichzeitig erfassen kann;

  2. bleibt es auch weiterhin völlig abstrakt, weshalb verschiedene Farben verschieden stark gebrochen werden ... eine Frage, die bis ganz tief in komplizierteste Physik hinein reicht.

(Und überhaupt bleiben in Dawkins ansonsten ja durchaus anregendem Text viele interessante [hier auch nicht geklärte]  Fragen ungeklärt, nämlich z.B.:

"[...] [Der Regenbogen] ist kreisrund, sein Mittelpunkt liegt auf einer Geraden mit der Sonne und dem Auge des Beobachters. Der Mittelpunkt liegt also für den Beobachter immer unter dem Horizont [...] Je höher die Sonne steht, desto tiefer erscheint der Regenbogen und umgekehrt. Der Winkel Betrachter-Regenbogen-Sonne ist gleich dem Winkel Regenbogen-Betrachter-Mittelpunkt des Regenbogens und beträgt 42 Grad. Steht die Sonne mehr als 42 Grad über dem Horizont, ist kein Regenbogen zu sehen. [alles Eigenschaften, die man sich anhand der zweiten Zeichnung herleiten kann]"
(Microsoft Encarta 2003)

  1. und entscheidend: erst das Gehirn (?) empfindet

("Wär nicht das Auge sonnenhaft,
  Die Sonne könnt' es nie erblicken;
  Läg' nicht in uns des Gottes eig'ne Kraft,
  Wie könnt' uns Göttliches entzücken?"
  [Goethe])

- und jede Wette: der derzeitige Hype, nämlich die Gehirnforschung, wird noch lange brauchen, um insbesondere Letzteres zu erklären, wenn ihr das überhaupt jemals gelingt :-)

Ja, selbst wenn die Gehirnforschung die Empfindung von Farben und Schönheit erklären könntete: würden damit Zauber und  Schönheit verschwinden?

(Denn ich möchte doch nicht den fatalen Fehler so einiger "gläubiger" Menschen machen, in einer Art umgekehrter Salamitaktik immer gerade noch das als zauberhaft bzw. gar göttlich zu erklären, was die Wissenschaft bislang noch nicht erklären konnte.

Insbesondere gespannt bin ich aber auf die wissenschaftliche Erklärung, warum wir ausgerechnet sowas "Nebensächliches" wie einen Regenbogen schön finden. Bei Lebensnotwendigem [z.B. sexueller Attraktion] war das ja immerhin noch von evolutionärem Vorteil.)

Für mich wird der Regenbogen durch wissenschaftliche Erklärungen sogar noch zauberhafter, also er sowieso schon ist:

erst durch die Physik erfahren wir, dass jeder Mensch seinen ganz eigenen Regenbogen sieht.

Es ist, als würde Gott mit jedem einzelnen Menschen einen ganz eigenen Bund schließen.

(Nun ist Dawkins ja sowieso nicht der Intelligentesten einer;
vgl.  .)


Man muss nicht abwarten, bis die Natur einem einen Regenbogen schenkt, sondern man kann - etwa mit einem Gartenschlauch im Sommer - einen Regenbogen auch selbst herstellen - und verschenken.


PS: "»Wissen Sie denn, wer als Erster den wahren Ursprung von Regenbögen erklärt hat?«, fragte ich ihn [= den Nobelpreisträger Richard Feynman].
»Das war Descartes«, erwiderte er. Nach einem Augenblick sah er mir in die Augen. »Und welches Hauptmerkmal des Regenbogens inspirierte Descartes wohl zu seiner mathematischen Analyse?«, wollte er wissen.
»Na ja, ein Regenbogen ist eigentlich ein Kegelschnitt, der als Bogen der Spektralfarben erscheint, wenn Wassertröpfchen vom Licht der hinter dem Betrachter stehenden Sonne beleuchtet werden.«
»Und?«
»Ich nehme an, die Inspiration war die Erkenntnis, dass das Problem analysiert werden konnte, indem man ein einzelnes Tröpfchen und die Geometrie der Situation untersuchte.«
»Sie übersehen ein entscheidendes Merkmal des Phänomens«, widersprach er.
»Gut, ich geb's auf. Was hat ihn also Ihrer Meinung nach zu seiner Theorie inspiriert?«
»Ich würde sagen, seine Inspiration war, dass er Regenbögen wunderschön fand.«"
(zitiert nach   ; S. 144)