die unwiderstehliche Lust auf (mathematische) Todsünden

sieben Hauptsünden,

katholische Theologie: Hochmut, Geiz, Neid, Zorn, Unkeuschheit, Unmäßigkeit, geistliche Trägheit; im Mittelalter zu Todsünden erklärt.

Todsünde

(schwere Sünde), katholische Theologie: die in freier Entscheidung bewusst vollzogene Übertretung eines Gebotes Gottes, das für den Betreffenden als ein für sein Verhältnis zu Gott wesentliches Gebot klar erkennbar ist, mit der er also die grundsätzliche Abkehr von Gott vollzieht.

(Der Brockhaus in Text und Bild Edition 2002)

In der Schule lernen die SchülerInnen ziemlich früh drei klare Gebote:

  1. Die WINKELSUMME IN DREIECKEN (in SäMTLICHEN möglichen Dreiecken!) ist IMMER 1800.

  2. Aus NEGATIVEN Zahlen kann/darf man NIEMALS die WURZEL ziehen

(denn das Quadrat einer Zahl ist so oder so positiv: + + = +, - - = + ).

  1. Durch NULL darf man NIEMALS TEILEN.

Diese Gebote werden teilweise in lustiger Drastik vermittelt, nämlich z.B. in einer Art "Mitternachtsformel":

Angenommen, mitten in einer nasskalten, mondlosen Nacht schlägt die Turmuhr zwölf mal, du wachst schweißgebadet auf und siehst direkt vor dir - welch entsetzliche Vorstellung! - das Gesicht deines Mathematiklehrers.

Was machst Du, wenn Knoblauch da nicht hilft?

Sag´ sofort:

"Durch Null darf man NIEMALS teilen, denn das wäre der mathematische Super-GAU!"

Und siehe, das grauenhafte Gespenst ist umgehend verschwunden!

(Entsprechend den drei Geboten werden die drei unten behandelten "Ausnahmen" im späteren Schulunterricht natürlich wohlweislich systematisch verschwiegen, als wolle man die SchülerInnen unbedingt vor solchem Giftschrank bewahren.)


"In der That sehr lobenswürdige Anstalten, die Narren im Respect und den Pöbel unter dem Pantoffel zu halten, damit die Gescheidten es desto bequemer haben. Ohne Anstand, recht schnakische Anstalten! Kommen mir vor wie die Hecken, die meine Bauern gar schlau um ihre Felder herumführen, daß ja kein Hase drüber setzt, ja beileibe kein Hase! - Aber der gnädige Herr gibt seinem Rappen den Sporn und galoppiert weich über der weiland Ernte."

Wie es auch ansonsten ist: die eifrigsten Vertreter und "Durchknüppler" der Gebote neigen dazu, sie auch am eifrigsten (wenn auch meist "unter der Hand") zu übertreten

(nirgends gibt´s unter der Ladentheke so viele Pornos wie im verklemmt-bigotten Süden der USA!):

die MathematikerInnen haben also nicht nur ihre in der Schule so eisern verfochtenen "drei Gebote" längst übertreten, sondern aus ihnen geradezu die


der modernen Mathematik

gemacht:

  1. dass die Winkelsumme in Dreiecken eben doch GRÖSSER oder KLEINER als 1800 und überhaupt je nach Dreieck UNTERSCHIEDLICH sein kann:

Robert Ossermann: Geometrie des Universums; Von der Göttlichen Komödie zu Riemann und Einstein; vieweg

Richard Trudeau: Die geometrische Revolution; Birkhäuser
  1. das Reich der imaginären und komplexen Zahlen, in denen sehr wohl gilt i2 = -1:

John H. Conway, Richard K. Guy: Zahlenzauber; Von natürlichen, imaginären und anderen Zahlen; Birkhäuser

  1. die Differential- und Integralrechnung, deren einer Erfinder, nämlich kein Geringerer als Newton, frischweg durch Null gekürzt, also durch Null dividiert hat

(eine sauberere limitische Vorgehensweise ist erst erheblich später eingeführt worden).

Und nicht nur, dass die Mathematiker dabei - vgl. die obige Todsündendefinition - wissentlich die "Gebote Gottes" übertreten haben

(z.B. hat der Mathematiker Kronecker gemeint, nur die natürlichen [!] Zahlen seien Gottes, alle anderen [irrationalen = unvernünftigen; imaginären = eingebildeten ...] Zahlen hingegen nur Menschenwerk).

Sie haben diese Grenzüberschreitungen zudem derart "hintenrum-spitzfindig" durchgeführt, dass auch zeitgenössische Fachleute das jeweils so empfunden haben:

  1. Dass die Winkelsumme in Dreiecken UNGLEICH 1800 ist, erreichen wir dadurch, dass wir die Dreiecke eben nicht mehr in einer Ebene, sondern auf Kugeln oder "Sättel" zeichnen

(vgl. ).

  1. Wenn eine Zahl i mit i2 = -1 nicht auf dem ordinären reellen Zahlenstrahl zu finden ist, dann legen wir sie eben einfach kackendreist neben diesen Zahlstrahl.

  2. Und des großen Newtons Vorgehen bei der Endeckung der Differential- und Integralrechnung zeigt ja sowieso:


Mein Sohnemann ist "schlimmer" als jedes Klischee: als mal ein Gebot nichts half, habe ich einfach das entgegengesetzte Verbot ausgesprochen, und prompt tat er, was ich ihm anfangs geboten hatte.

Hiermit also verbiete ich sämtlichen SchülerInnen die Beschäftigung mit

  1. nicht-euklidischer Geometrie,

  2. imaginären und komplexen Zahlen,

  3. der Division durch Null (Differentialrechnung).