zwischen der Schul- und der Uni-Mathematik liegen Welten
und das ist auch gut so

Dabei meine ich mit "Uni-Mathematik" nicht nur das eigentliche Studienfach Mathematik, sondern auch Natur- und Ingenieurswissenschaften, in denen den Studenten ja auch sehr schnell bei der dort benötigten "Hardcore-Mathematik" die Köpfe rauchen.


Die Klagen, dass die Abiturienten immer blöder werden (?) und nichtmal mehr (?) die Anfangsgründe

(oder was Uni-Professoren darunter verstehen)

der Mathematik beherrschen, sind ja nun auch nicht gerade neu.

Und genau die "Anfangsgründe" sind ja das Problem: in meinem Mathe-Studium wurde eben niemals an diese angeknüpft, sondern gleich hochgestartet: dass es die altehrwürdige Verbindung von "Forschung UND Lehre" gibt, war den meisten Mathe-Profs, die sich wohl als reine Forscher verstanden, anscheinend unbekannt - oder egal.


Selbstverständlich liegen zwischen Schul- und Uni-Mathematik Welten:

  1. , weil die Uni-Mathematik (wie viele andere Wissenschaften auch) heutzutage eine hochspezialisierte Materie ist;

  2. , weil Schule eben höchstens die Anfangsgründe der Mathematik vermitteln kann;

  3. , weil eine "allgemeinbildende" Schule bzw. die "allgemeine Hochschulreife" ausdrücklich nicht dazu da ist, auf ein Mathe-Studium vorzubereiten, sondern dazu, den Schülern im Idealfall erste Denkweisen und ein wenig Handwerkszeug in möglichst vielen kulturellen Disziplinen zu vermitteln:

ein Abiturien sollte (wieder: im Idealfall)

  1. eine Vorstellung davon haben, was Mathe eigentlich "ist" und wie sie in ihren Grundzügen "funktioniert",

  2. ein solides Anfänger-Handwerkszeug haben,

  3. gelernt haben, sich - notfalls mühsam, aber eben auch interessiert - in egal welche Themen einzuarbeiten

(und so die ersten Semester eines Mathe-Studiums halbwegs gesund an Geist und Körper zu überleben).


Es ist mir aber auch zu blöd, den Uni-MathematikerInneN den schwarzen Peter zuzuschieben - und die Schulen (mich als Mathematiklehrer) zu entlasten:

die Punkte a. - c.

Ich bezweifle sogar, dass "die" Schule, wie sie derzeit weitgehend ist, in Anspruch nehmen darf, a. - c. hinreichend zu vermitteln.

Das Grundproblem in Schulen scheint mir bislang zu sein,

Vielleicht liegt der Fehler darin begründet, dass üblicherweise unter "Anfänger-Handwerkszeug" nur Rechenverfahren verstanden werden, während in Wirklichkeit a. und c. auch zum "Anfänger-Handwerkszeug" gehören (müssten).


Den Übergang von der Schule zum Mathematikstudium habe ich als brutal harten Schnitt erlebt:

Die Profs hätten die Studienanfänger natürlich besser abholen, d.h. den Übergang (mathematisch gesprochen) „stetig differenzierbar“ gestalten sollen:

Aber das ist hier nicht mein Thema

(vgl.

),

 sondern es scheint mir hier vielmehr bemerkenswert, dass ich

(außer in Teilen der Wahrscheinlichkeitsrechnung)

nie wieder fachliche Probleme mit dem Schulstoff hatte,

(obwohl ich in der Oberstufe in Mathematik immer ein „sehr gut“ hatte)

als Schüler durchaus noch hatte.

Ein Beispiel ist da der , den ich als Schüler

(wir haben damals noch mit gearbeitet!)

zwar brav anwenden konnte, aber kaum verstanden hatte.

Ich hatte im Studium anscheinend eben doch "mathematisch denken" gelernt, und so gesehen war die Schulmathematik nur ein "Abfallprodukt" der Universitätsmathematik

(etwa so, wie die Teflonpfanne ja angeblich ein Abfallprodukt der Raumfahrt war).


Ich habe oft

(auch von Mathematiklehrern)

gehört, Lehramtsstudenten sollten an der Uni

Mir kommt das so vor, als würde man damit von "zu viel" (Universitätsmathematik) - kehrt, schwenk, Marsch! - zu "zu wenig" überlaufen:

ein Mathematiklehrer sollte an der Uni durchaus "Dinge" durchnehmen, die

Bzw. ein Mathematiklehrer sollte doch zumindest ab und zu über den Tellerrand der Schulmathematik hinaus sehen und die Schulmathematik in der „Gesamtmathematik“ einordnen können:

„wo geht die [mathematische Schul-]Reise hin?“

Und aus der Satelliten-Perspektive wird oftmals überhaupt erst klar, warum ein mathematischer Stoff Schulstoff geworden ist.

Ein Beispiel: das üblicherweise kaum jemals reflektierte Herumreiten des Schulunterrichts auf „Funktionen“ hat doch zwei Gründe:

  1. , dass durchaus auch Laien oftmals „funktional“ denken

                    (oder denken lernen sollen),

  1. , dass der Funktionsbegriff eine der zentralen Denkweisen der (u.a. universitären) Gesamtmathematik ist.


Viele halten es für die vornehmste Aufgabe eines Lehrers, „Stoff“

(Fakten, Verfahrensweisen)

zu vermitteln

(und ihn gut zu erklären).

Dieses „Beibringen“ setzt voraus, dass der Lehrer den Schülern immer „ein gutes Stück voraus“ ist.

Und in der Tat sollte ein Lehrer in dem von ihm unterrichteten Schulfach „sattelfest“ sein: Schüler merken sehr schnell

(und verlieren dann oftmals jeden Respekt),

wenn nichtmal der Lehrer das jeweilige Schulfach beherrscht.

(Ich hatte im Wintersemester 2017/18 mal das zweifelhafte Glück, im "Studium im Alter" an einem Mathematikseminar für Lehramtsstudenten der Sekundarstufe I teilzunehmen

[Vgl. .]

"Zweifelhaft", weil der Dozent da mit den Studenten einfach nur seine uninspirierte Dissertation durchkaute - und reihenweise Studenten bloßstellte.

Hier aber geht es mir um etwas anderes: ein Teil der Lehramtsstudenten beherrschte nichtmal die Grundlagen der Schulmathematik, ganz zu schweigen von "höherer" Mathematik.)


Leider bedeutet „ein gutes Stück voraus“ aber oftmals „Lichtjahre voraus“ oder sogar „in einem Paralleluniversum“.

(Vgl. jenen Deutschlehrer, der allen Ernstes in einer 9. Klasse unterrichtet hat und sich die Begriffsstutzigkeit der Schüler dann nur mir der Dummheit „der Jugend von heute“ erklären konnte.)

Es wäre also oftmals ratsam, dass der Lehrer

(verhinderte Wissenschaftler, aber nicht Pädagoge)

den Schülern nicht um Lichtjahre, sondern "nur" (oder immerhin) um Zentimeter voraus ist.

(In Abwandlung meines Bonmots

„[Man sollte] in der Theorie „»fundi«, in der Praxis [im politischen und Berufsleben] »realo« [sein]“

könnte man also auch sagen:

„[ein Lehrer sollte den Schülern mathematisch] in der Theorie Kilometer, in der [Unterrichts-]Praxis Zentimeter voraus [sein]“.)

Damit der Lehrer aber auch mal aus der penetranten Position des Besserwissers, Klugscheißers und ewigen Vormachers herauskommt, ist es sogar gut, wenn er den Schülern manchmal nicht Zentimeter voraus, sondern hinterher ist:

(z.B. )

anerkennt und mit einbezieht.

In der Regel aber sollte ein Lehrer

(was nur dann funktioniert, wenn er sich noch erinnert, wie er in seiner "Mathematikkarriere" selbst häufig heillos "hinterher" war).


Eigentlich bin ich nur versehentlich Lehrer geworden: vielleicht mangels Phantasie habe ich einfach meine Lieblings-Schulfächer Mathematik und Deutsch studiert, und in dieser Kombination ging das nur im Lehramtsstudium, das bei mir also nur eine Notlösung war

(ebenso wie das dabei nötige pädagogische Begleitstudium).

Meine Studienentscheidung war also rein fachlich begründet: mich hat erstmal nicht im mindestens interessiert, wie „meine“ Fächer an der Schule unterrichtet wurden.

Das Lehramtsstudium (für Gymnasien) war aber auch von der Universität rein fachlich angelegt: es gab keinen Unterschied zwischen den Anforderungen an Lehramtsstudenten einerseits und an Diplom- bzw. Magister-Studenten („richtigen“ Mathematikern / Germanisten) andererseits

(wenn man mal von jeweils einem einzigen Fachdidaktik-Seminar absah, das aber auch nur „verkleidete“ Mathematik bzw. Germanistik war und von ganz „normalen“ Professoren abgehalten wurde, die reihum dazu verdonnert wurden).

Bezeichnend war es,

(sich also schon früh in seinem späteren Beruf auszuprobieren - und evtl. lieber doch mit dem Studiengang auch den anvisierten Beruf zu wechseln),

Weil mich also nur die Fächer interessierten, habe ich einen Schulbezug auch nicht im mindesten vermisst.


Ich habe mein Mathestudium mit guten Noten hingelegt, was allerdings mindestens zur Hälfte meiner eisernen Arbeitsmoral geschuldet war. Und ich habe schnell gemerkt, dass

(ich habe die Cracks dafür neidlos bewundert!),

Also blieb mir nach dem Studium gar nichts anderes, als Lehrer zu werden - und damit noch so ein verhindert-frustrierter Fachwissenschaftler, bei dem es für einen Doktor nicht gereicht hat, der aber

(weil er sich ganz und gar nicht als Pädagoge versteht)

auf keinen Fall Lehrer hätte werden dürfen?

Lehrer zu werden, war bei mir also erstmal ein Automatismus - und dann doch eine bewusste Entscheidung: nach meinem Studium habe ich in Hamburg als Assistent bei einem Germanistik-Professor gearbeitet, wodurch sich die Möglichkeit ergab, meinen Doktor in der Germanistik zu bauen. Letztlich habe ich mich aber dagegen entschieden, weil mir das für eine Promotion nötige jahrelange Lesen & Schreiben staubtrocken und

(da ich erstmals hautnah an einem Professor dran war)

auch eine Universitätskarriere wenig erstrebenswert schien. Also habe ich mich dann endlich gezielt für das (Lehrer-)Referendariat in Lüneburg entschieden.

Lüneburg ist eine ausgesprochen schöne Stadt, das Referendariat war die Hölle, aber meine späte Berufswahl "Lehrer" habe ich nie bereut

(wenn ich mir auch immer viele andere Berufe vorstellen konnte, nämlich z.B. Architekt, Städtebauer, Geophysiker, Astronom, Wissenschaftsjournalist ...).


Ein Mathe-Lehrer erreicht schon in seinem Studium niemals die vorderste Front der Forschung

(das bleibt nur den Cracks unter den Studenten vorbehalten).

Und wenn jemand ≥ 10 Jahre Mathe-Lehrer war

(also nicht Mathematiker, sondern Mathe-Didaktiker),

hat er sowieso keine Ahnung mehr, was an der vordersten Front der Mathematik

(also weit entfernt von der üblichen Schulmathematik)

der Mathematik los ist.

Und doch sollte er sich da zumindest auf populärwissenschaftlichem Niveau halbwegs fit halten. Vgl.

(Und ein Mathelehrer sollte sich auch in den „Anwendungswissenschaften“ ansatzweise fit halten. Vgl.

Dieses "Sich-halbwegs-fit-Halten" ist dabei keineswegs nur ein Privathobby jenseits des Unterrichts, sondern die Ergebnisse der Lektüre sollten

(wenn die Lehrpläne nicht immer engmaschiger würden)

immer mal wieder in den (einen veränderten) Unterricht eingehen, damit


Aber wie soll ein Lehrer bei dem immer mehr zunehmenden Schulstress

hmpg

noch Zeit finden, wichtige Bücher und Zeitschriftenartikel

Da wäre es nun wirklich mal hilfreich, wenn die Schulbürokratie regelmäßig Tipps gäbe. Aber die kann ja nicht helfen, sondern nur vorschreiben und kontrollieren.