Mathematik muss möglichst kompliziert aussehen
und

  1. : Mathematik muss möglichst kompliziert „aussehen“!

  2. : Mathematik muss wohl kompliziert aussehen, weil sie vielen Laien (Schülern) kompliziert erscheint. Ja, es schwelt nach wie vor der Mythos, dass Mathematik das Maximum aller Kompliziertheit sei.

(Ein gängiges Bild der Wissenschaften sieht so aus:

[Nebenbei: die „reine“ Mathematik ist in meinen Augen die abstrakteste aller Geisteswissenschaften - und gehört so gesehen ans untere Ende der Pyramide.]

In Analogie zur


Lehnspyramide des Mittelalters

scheint damit die Mathematik „die Königin der Wissenschaften“ zu sein:

Dabei besagt die Hierarchie doch nur zweierlei:

  • die unteren Schichten tragen die oberen
  • [kein Cheops und somit auch keine Cheopspyramide ohne sein Volk],

    Inbegriffe der Kompliziertheit sind für mich also

    1. : dass Mathematik kompliziert ist (und also auch aussieht), wird fast durchgehend von Laien verbreitet - und nicht von Mathematikern (also Experten / Könnern). Letztere (und insbesondere Mathematikdidaktiker und -lehrer) sollten immer mit Einstein denken:

    „Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.“

    (das müssen nicht unbedingt die kürzesten sein);

    ("Hat der das wirklich alles gelesen?"

    Vgl.  

    Wenn ich mal berühmt würde, würde ich mich ja vor meinem Kindle interviewen lassen: )

    1. : Mathematik ist keineswegs immer kompliziert, sondern kann durchaus auch einfach sein.

    Aber nach meinem Mathematikstudium vor inzwischen auch schon fast 40 Jahren kann ich ein Lied davon singen, dass Mathematik eben auch mörderisch kompliziert sein kann.

    ... was natürlich ein subjektiver Eindruck ist: ich war im Studium zwar

    (wie auch sonst oft in meinem Leben)

    „gutes Mittelmaß“, aber es gab da auch

    (wie ich mir schnell neidlos eingestehen musste)

    „Cracks“, denen die Mathematik „zuflog“, d.h. die problemlos verstanden, was für mich sehr kompliziert war, und die deshalb schnell in mathematische Höhen (auch die neueste Mathematik) vordrangen, die mir auf ewig verschlossen blieben

    (und zu denen ich später als Mathematiklehrer auch nie wieder Kontakt hatte; im Grunde ist ein Mathematiklehrer kein Mathematiker mehr, sondern „nur“ noch ein Mathematikvermittler

    [also so, wie ein Kunstlehrer in der Regel kein Künstler, ein Philosophielehrer kein Philosoph und ein Deutschlehrer kein Schriftsteller ist]).

    Der Inbegriff einer wirklich komplizierten Mathematik ist für mich der Beweis der (bis dahin) Fermatschen Vermutung durch Andrew Wiles im Jahr 1995.

    Dabei ist es besonders erstaunlich, dass der Beweis einer so einfachen, jedem Siebtklässler vermittelbaren Vermutung so kompliziert (und über 100 Seiten lang) ist.

    Nun verstehe ich von dem Beweis kein einziges Wort, weil er sich in der Stratosphäre der derzeitigen Mathematik bewegt

    (vgl. die Anekdote, dass zu einem [welchem?] Physiker gesagt wurde, seine Erkenntnis sei so kompliziert, dass höchstens zwei Leute sie verstehen würden, worauf er gefragt haben soll: „Wer ist der andere?“).

    Aber der Beweis von Wiles ist nicht nur für mich kleines Licht kompliziert, sondern war es auch für Wiles selbst

    (vgl. ).

    Nun hat Fermat schon über 300 Jahre vor Wiles behauptet, dass er einen Beweis für seine Vermutung habe, ihn wegen Platzmangels aber nicht aufschreiben könne

    (was neben der immer noch unbewiesenen Goldbachschen Vermutung und der ebenfalls bislang unbewiesenen Riemannschen Vermutung wohl die berühmteste „Bombe“ der Mathematik war!).

    ... womit sich die Frage stellt

    (um andere Mathematiker anzustiften, den Beweis zu finden, den ihm selbst nicht gelungen war?),

    (was wohl am wahrscheinlichsten ist),

      • ob ihm mit den damals schon bekannten, viel einfacheren mathematischen Mitteln vielleicht eben doch ein einfacherer Beweis als der von Wiles gelungen ist, ob also Wiles‘ Beweis unnötig kompliziert ist.

    So oder so bleibt bei Wiles' Beweis neben der Bewunderung eben auch ein Ungenügen, dass er trotz der so einfachen Behauptung so kompliziert ist.


    So richtig schön komplizierte Gleichungen kommen immer gut. Vgl. etwa in der Fernsehserie

    .

    Diese physikalisch-mathematischen Hieroglyphen sind zwar immer

    (diesen Ehrgeiz hatten die Macher der Serie dann doch)

    wissenschaftlich korrekt

    (vgl. das Buch ),

    aber das weiß der Durchschnittszuschauer ja nicht, geschweige dass er die Hieroglyphen versteht.

    Er sieht nur, dass das Ganze schrecklich kompliziert ist - und er selbst es eh nie verstehen wird, weil er dazu einfach zu dumm ist.

    Verstehen können das nur die Nerds in der Serie, die natürlich (!) allesamt sozial-emotional schwerbehindert sind

    (Leitfrage der ganzen ellenlangen Serie ist, ob die Nerds dennoch eine Frau ins Bett kriegen;

    ansonsten wird der Eindruck vermittelt: wer mit den Unwägbarkeiten des „richtigen“ Lebens nicht klarkommt, flüchtet in die [so gesehen sogar einfachere] Mathematik und Physik).

    Die Genugtuung der Dummen:


    ("endlich darf man wieder sexistisch sein": Frau, blond [also dumm], große Brüste,
    aber die einzig Normale in dem ganzen Laden)
    "Man kann nicht alles haben,
    und da bin ich doch lieber physikalisch-mathematisch unterbelichtet
    [schon meine Großmutter konnte das nicht],
    dafür aber »normal«."

    Oder anders gesagt: IQ = 0 , EQ (Emotionaler Quotient) = 100 ist doch besser als umgekehrt.

    Blödsinn!:



    (aus dem Film )


    "Was mich nicht umbringt, macht mich stärker."
    (Friedrich Nietzsche)

    Anlass für diesen Essay war

    1.  

    (Unfassbar, dass der „Chef des Lehrerverbandes“ der „Bild“ überhaupt ein Interview gibt!)

    1. wollte ich da doch mal wissen, wer „Deutschlands Chef-Lehrer“ und der „Lehrerverband“

    (von dem ich kleines Dummerchen in meiner 30jährigen Lehrerzeit nie etwas gehört habe).

    überhaupt sind.

    Auf der Internetseite des „Deutschen Lehrerverbandes“ habe ich dann in der Rubrik „Über uns“ Folgendes gefunden:

     

    Daran fand ich doch zweierlei faszinierend:

    1. , dass da ausgerechnet (!) ein Bild aus dem Mathematik-Unterricht gewählt wurde,
    2. , dass da ein Gewusel aus Punkten, Linien, Winkeln und Gleichungen gezeigt wird, das an erinnert.

    Nun will ich ja nicht überinterpretieren: vielleicht hat man sich einfach gedacht, dass da irgendein Bild aus dem Schulunterricht hin musste, und dann das erstbeste aus einer Bild-Datenbank genommen.

    Aber vielleicht war das Bild ja auch Absicht:

    Mathematik ist das schwierigste Fach - und überhaupt:

    Das würde ja durchaus zu dem passen, was man auf der Internetseite "Über uns" erfährt:

    "Die Mitgliedsverbände des DL sind:

    [...]

    Die wesentlichen bildungspolitischen Ziele des DL sind:

        1. Erhalt und Weiterentwicklung eines vielfältig gegliederten Schulsystems, das eine je individuelle Bildung in Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Sonderschule oder in verschiedenen Formen berufsbildender Schulen erlaubt [...]"

    Der "Deutsche Lehrerverband" ist also der Zusammenschluss aller stockkonservativen Lehrer Deutschlands, die eisern am Heiligen Gral des Bürgertums festhalten, nämlich dem "gegliederten Schulsystem" - und damit der sozialen Auslese.


    Die Mathematik ist da

    (wie so oft)

    nur besonders geeignetes Mittel zum Zweck.

    „besonders geeignet“

    1. , weil sie Objektivität suggeriert,
    2. , weil auf ihr immer ein Zettel mit der Aufschrift klebt: „Da bist du zum dumm für, also überlasse es den Experten [= uns].“