ein gestörtes Verhältnis zum Verhältnis

 
Verhältnis, Relation, Beziehung, Wechselbeziehung, Interaktion, Bezug, Zusammenhang, Abhängigkeit, Interdependenz; Verknüpfung.
(Duden - Die sinn- und sachverwandten Wörter)

  • Naschen verhält sich zu Essen wie Basteln zu ...
  • Würfel verhält sich zu Quadrat wie Kugel zu ...
  • Religion verhält sich zu Theist wie Frieden zu ...
  • Nase verhält sich zu brenzlig wie Zunge zu ...
  • Wochenende verhält sich zu Urlaub wie Unpässlichkeit zu ...
  • Wort verhält sich zu Bedeutung wie Zahl zu ...
  • Messen verhält sich zu Schätzen wie Wissen zu ...

       (Quelle: )



Daliah Lavi:  Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?

Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben,
kein Verhältnis haben,
kein Verhältnis haben?
Ist sie hübsch, wird man sagen:
Na die muss doch eins haben,
na die muss doch eins haben, s'wär zu dumm!
Na und wenn man schon so redet und sie hat keins -
ja, dann ist es doch viel besser gleich, sie hat eins!
Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?
Können Sie mir sagen, warum?


"Ich habe mit ihr ein Verhältnis, aber keine Beziehung."
(sprach's und bekam von der Frau, die das zufällig hörte, eine schallende Ohrfeige)


"Wir leben über unsere Verhältnisse."


Das Recht des Menschen ist auf dieser Erden,
Da er doch nur kurz lebt, glücklich zu sein,
Teilhaftig aller Lust der Welt zu werden,
Zum Essen Brot zu kriegen und nicht einen Stein.
Das ist des Menschen nacktes Recht auf Erden.
Doch leider hat man bisher nie vernommen,
Daß etwas recht war und dann war's auch so!
Wer hätte nicht gern einmal recht bekommen,
Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.
 [...]
Ein guter Mensch sein,
Ja, wer wär's nicht gern?
Sein Gut den Armen geben, warum nicht?
Wenn alle gut sind, ist Sein Reich nicht fern.
Wer säße nicht sehr gern in Seinem Licht?
Ein guter Mensch sein? Ja, wer wär's nicht gern?
Doch leider sind auf diesem Sterne eben
Die Mittel kärglich und die Menschen roh.
Wer möchte nicht in Fried und Eintracht leben?
Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so!
(Bert Brecht: Dreigroschenoper)


Die Untoten: Gestörtes Verhältnis

Ich hab
ein gestörtes Verhältnis zu Tieren
ein gestörtes Verhältnis zum Onanieren
ein gestörtes Verhältnis zum Hass
ein gestörtes Verhältnis zur Liebe
ein gestörtes Verhältnis zur Sonne
ein gestörtes Verhältnis zur Politik
ein gestörtes Verhältnis zum Langtelefonieren
ein gestörtes Verhältnis zum Pissgott
[...]
ich hab
ein gestörtes Verhältnis zum Träumen
ein gestörtes Verhältnis zum Alkohol
ein gestörtes Verhältnis zu eurer Ordnung
ein gestörtes Verhältnis zu Dir
ein gestörtes Verhältnis zur Kirche
ein gestörtes Verhältnis zur Medizin
ein gestörtes Verhältnis zum Leben
ein gutes Verhältnis zum Sterben

"Denken in Verhältnissen" umfasst sehr viel mehr als nur - wie im folgenden Zitat suggeriert - proportionales Denken.

Immerhin zeigt das folgende Zitat aber, dass nichtmal das eben nur scheinbar einfache proportionale Denken wirklich einfach ist:

"Unter proportionalem Denken wird meist Denken in Verhältnissen verstanden. Es wurde in zahlreichen psychologischen und didaktischen Untersuchungen eingehend erforscht. Dabei zeigte sich u.a., dass ein erheblicher Teil der Schüler bis zum Alter von etwa 15 Jahren große Probleme im Umgang mit Proportionen hat und die allgemeine Intelligenz hoch mit proportionalem Denken korreliert."
(Quelle: )

Nun bin ich ja ausgesprochen skeptisch gegenüber allen mehr oder minder wissenschaftlichen "Untersuchungen", aber nehmen wir folgende Aussage des Zitats doch probeweise mal als Tatsache hin:

"[...] dass ein erheblicher Teil der Schüler bis zum Alter von etwa 15 Jahren große Probleme im Umgang mit Proportionen hat [...]"

(Kaum glauben mag ich aber die Fortsetzung

"[...] dass [...] die allgemeine Intelligenz hoch mit proportionalem Denken korreliert."

Das kommt mir so vor, als dünkten sich die MathematikerInnen wieder mal, [einzige] Sachwalter der Intelligenz zu sein

[und deshalb ist es auch mittels "hoch [...] korreliert" so hübsch mathematisch-allgemeinunverständlich ausgedrückt].)

Wenn also - wie in der Schule ja durchgängig üblich - proportionales Denken weit vor dem 15. Lebensjahr durchgenommen wird, so ist das offensichtlich - zumindest am Zitat gemessen - kilometerweit an den kognitiven Möglichkeiten der Durchschnitts-SchülerInnen vorbei.

Da wird also - so gesehen - etwas durchgenommen und dann auch abgeprüft, was sie meisten SchülerInnen gar nicht "können können", und zwar selbst dann, wenn sie sich noch so sehr anstrengen.

Das Denken in (anfänglich "nur" proportionalen) Verhältnissen ist erheblich schwieriger, als man (MathelehrerInnen, aber auch andere) es sich wohl üblicherweise klar macht.

Wenn man das aber nicht tut, überfährt man die SchülerInnen nur - und wundert sich regelmäßig, wie dumm "die Jugend von heute" doch wieder mal ist.

(Immerhin kann also, wer naiv ist, sich jeden Tag aufs Neue wundern!)


Man muss sich nur mal klar machen, was für ein Rattenschwanz allein mit "proportionalem Denken" gemeint ist:

  1. linear-proportionale Gleichungen/Funktionen samt (geraden) Graphen,
  2. alle Bruchrechnung

(vgl. etwa Bild),

  1. alle Prozentrechnung

(mit 2. und 3. also der Gral der Bildungsbürger, die andauernd beklagen, dass "die Jugend von heute" "nichtmal mehr sowas" kann).

Insbesondere bei 1. und da etwa dem Beispiel f: y = 3x wird zudem klar, dass es nicht nur um konkrete Verhältnisse (z.B. 3   4  = 12) geht, sondern auch (und auf die Dauer fast nur) um sehr abstrakte:

Und spätestens bei der Prozentrechnung kommen dann typische Fehler zustande wie z.B.:

Das ist zwar grundfalsch, aber eben doch auch dermaßen grundsuggestiv, dass ich auch selbst zu diesem Fehler neige

(ich falle nur deshalb nicht mehr darauf rein, weil ich weiß, dass die Aufgabe seit Ewigkeiten [gähn!] nur zum Reinlegen von Laien und damit zur Betonung der eigenen Intelligenz dient).


So richtig schön schwierig wird's für viele aber spätestens dann, wenn man Exponentialgleichungen und den Logarithmus einführt, bei denen es - über Proportionalität hinausgehend - verschärft um Verhältnisse geht

(üblicherweise direkt nachdem SchülerInnen überhaupt proportionales Verhalten verstehen konnten).

Schauen wir uns nur einfachste (?) Logarithmen an:

Während also die rote Zahl sich jeweils verdoppelt, steigt der Logarithmus jeweils nur um 1, weshalb der Funktionsgraph so aussieht:

Oder wie Peter Geist es schön auf andere Weise formuliert hat:

"[...] wenn ich [auf der y-Achse] gleiche Verhältnisse [2,4,8,16]  in gleichem Abstand [1,2,3,4] darstelle, habe ich eine logarithmische Skala."

Anders gesagt: wenn ich auf der y-Achse jeweils eine Einheit weiter gehe, gehe ich (auf der x-Achse) in Wirklichkeit das Vielfache (im vorliegenden Beispiel das Doppelte) des vorherigen Schritts weiter:

"Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein riesiger Schritt für die Menschheit"
(Neil Armstrong, als er als erster Mensch den Mond betrat):

Das macht alles überschaubarer - und bleibt doch letztlich abstrakt, weil da auf die Dauer gigantische Dimensionen hübsch langsam abspaziert werden:


Wenn ich überhaupt irgendwas am Lehrplan Mathematik NRW gut finde, dann die Betonung grundlegender "Ideen". Bislang werden da folgende genannt:

Weil aber das Denken in Verhältnissen ebenfalls ein durchgehendes und wichtiges Thema der Schulzeit ist, schlage ich hiermit vor, den im Lehrplan genannten Ideenkatalog eben um die "Idee des Verhältnisses" zu erweitern und diese "Idee des Verhältnisses" dadurch deutlicher herauszustellen - und ab dann mehr auf sie zu achten.