und was man dagegen tun kann

Verzweiflung ist nie lustig

vgl.

Dass viele an Mathematik verzweifeln, ist natürlich im Hinblick auf Schulen eine Binsenweisheit, die zu wiederholen müssig ist.

Erstaunlich ist höchstens, dass auch Mathestudenten oftmals an der Mathematik verzweifeln:


(, 21.9.2016;
nebenbei: man könnte sich ja mal fragen, wieso Jenny Ta sich durch ein Brutalstudium quälen muss,
wenn sie hinterher "Kindern Mathematik beibringen" will;
wobei ich ja durchaus dafür bin, dass auch Lehrer mal ordentlich die Grundzüge der Fachwissenschaft lernen)


Es hat sich (seit meiner Studienzeit) nichts geändert.

An dem Zeitungsartikel hat mich ja doch gestört, dass da nur der status quo dargestellt wird, der Artikel also rein affirmativ wirkt:

"Das

[dass so viele Studenten endgültig an der Mathematik verzweifeln und ihr Studium abbrechen]

ist halt so [und da kann man auch nichts dran ändern]":

(aber was will man schon von einer WN-Reporterin erwarten?!)

fragt mal, wie man die Lage verbessern, also weniger Mathe-Studienabbrecher erreichen könnte.

Dabei werden durchaus einige Gründe für die Verzweiflung vieler Mathestudenten und damit auch für die hohe Abbrecherzahl deutlich:

 

Ja, es werden sogar "Erfolgsrezepte" genannt:

Nun sagt sich das so leicht: "Fleiß, starke Nerven und hohes Durchhaltevermögen", "gute [???] Organisation", "Gruppenarbeit" und "Nicht abschrecken lassen"

(wobei sicherlich Gruppenarbeit hilft, da man in solchen Gruppen feststellt, dass die meisten Kommilitonen genauso doof & verzweifelt sind wie man selbst: "geteiltes Leid ist halbes Leid").

Anscheinend helfen diese "Erfolgsrezepte" etwa der Hälfte aller Mathe-Studienanfänger nicht, nämlich den späteren Studienabbrechern:

"selbst schuld, denn dann habt ihr die Patentrezepte halt nicht umgesetzt".

Aber anscheinend kommt keiner auf die Idee, die Probleme 1. - 5. und wohl auch 6. mal anzugehen:

man (???) könnte sich ja mal fragen, ob es eigentlich nötig ist, gleich zu Beginn des Studiums mit so viel Stoff loszuknallen, oder ob nicht (eben zumindest anfangs) eine Stoffreduktion möglich (und sinnvoll!) wäre;

natürlich könnte man sagen:

"es ist doch besser, dass diejenigen, die fehl am Platz sind, das frühzeitig merken, als dass es ein Schrecken ohne Ende [mit allzu spätem Studienabbruch bzw. -wechsel] wird".

Ich hatte schon oben gesagt, es sei doch immerhin erstaunlich, dass nicht nur viele Schüler, sondern auch viele Mathestudenten an der Mathematik verzweifelten. Denn wer tut sich schon freiwillig ein Mathestudium an?: doch wohl

    1. die wenigen (schon auf der Schule) Mathecracks, die auch an der Uni keine Probleme bekommen werden,
    1. die vielen Leute, die zwar keine Mathe-Überflieger sind, aber in der Schule bewiesen (!) haben, dass sie

mitbringen.

Solche Leute würde ich doch nicht gleich rausekeln, sondern erstmal dort abholen, wo sie sind.

Da kann es keine Ausrede sein, dass die Schulen angeblich oder tatsächlich ein zu niedriges mathematisches Niveau fahren:

    1. können die Studienanfänger nichts dafür,
    1. müsste man dann eben (wie?) das mathematische Niveau in den Schulen steigern (s.u.).

Nun ist die fortgeschrittene Mathematik ja nunmal ziemlich abstrakt. Aber damit kann man doch nicht losknallen, sondern da sollte man langsam hingeleiten .

(Ich kenn's ähnlich aus meinem Germanistik-Studium: wer mit diesem Fach anfängt, fühlt sich

[mit ca. 18 Jahren, also noch als halbes Kind]

durch Literatur doch vor allem ach so verstanden: zu "meiner" Zeit etwa durch , und "ansonsten [und das ist ja gerade die Eigenschaft eines Steppenwolfs] versteht mich ja keiner (schnief!)"

[ich nenne das gerne "Hermann-Hesse-Syndrom"].

Aber was machen die Dozenten?: sie holen nicht da ab, fragen nicht, wie dieses [vermeintliche] Verständnis zustande kommt, sondern starten gleich in die hoch

[aber nichts gegen Adorno!].

Man nennt das wohl "ins kalte Wasser werfen" bzw. "Schocktherapie"

[und wer nicht sofort "stirbt", hat gewisse Chancen auf Heilung].)

Ich würde gegen all das eine bessere "A-Priori-Studieninformation" setzen:

nun gibt es zwar schon in vielen Studiengängen und auch der Mathematik für Schüler "Tage der offenen Tür", aber das sind

(wie etwa auch "Tage der offenen Tür" für die zukünftigen Sextaner an Gymnasien)

doch nur rundum geschönte, also verlogene Werbeveranstaltungen

(erst umwirbt man die zukünftigen Studenten, wenn sie das Studium aber erstmal angefangen haben, ekelt man sie mit einem "knallharten Aussiebprinzip" wieder raus: vorne ein feuchtwarmer Händedruck, aber hinterm Rücken ein Messer).

Und auch die gängigen "Mathematik-Vorkurse" sind keine Lösung:

    1. nicht, weil sich die Studenten da ja schon für das Mathematik-Studium eingeschrieben haben, die Falle also bereits zugeschnappt ist,
    2. nicht, weil in diesen Vorkursen keine langsame Annäherung an die Universitäts-Mathematik stattfindet, sondern auch schon (zumindest aus Sicht der frischgebackenen Studenten) sofort mit Hardcore-Mathematik losgeknallt wird.

Ich könnte mir stattdessen in typischen Abbrecherfächern, also auch der Mathematik, ein "Schnupperstudium" vorstellen:

(er bekommt zwar ggf. Bafög

[denn irgendwovon muss er sich ja ernähren],

aber wenn er hinterher nicht das eigentliche Mathematik-Studium anfängt, wird ihm das Schnupperstudium nicht auf seine Bafög-Höchstdauer angerechnet; auf die Dauer ist sowas für den Staat allemal billiger als allzu späte Studienabbrecher),

(d.h. er kann da durchaus schon - wie es an der Universität heißt - "Scheine" machen),

(axiomatischer Aufbau, strenge Herleitungen, Beweise, Erweiterungen [z.B. komplexe Zahlen]),

(z.B. Gruppentheorie);

(es soll ja durchaus schon mal wehtun , und die "Schnupperkursler" sollen durchaus schon mal üben, sich gemeinschaftlich durchzubeißen ; vgl. oben ),

wobei die Hardcore-Mathematik aber nicht einfach "hingeknallt"

("friss oder stirb"),

sondern gezeigt wird


(eine Art der Vorlesung, die auch im regulären Mathestudium an jeder Uni angeboten werden und zum Pflichtprogramm für alle Mathestudenten werden sollte - wobei ich allerdings skeptisch gegenüber jeder lieblos erfüllten Pflicht bleibe.)

Aber mich interessiert

(das wäre weitgehend eine Wiederholung von ),

Oben war gesagt worden:

Wenn aber das Mathestudium schon "weit entfernt vom [Mathe-]Leistungskurs-Niveau" ist, ist es allemal Lichtjahre vom Grundkurs-Niveau entfernt.

(Nun kann man sich allerdings darüber streiten, ob die Aufteilung in Leistungs- und Grundkurse überhaupt mit der "Allgemeinen [!] Hochschulreife" und Allgemein[!]bildung vereinbar ist. An diesen Zielen der "Allgemeinen Hochschulreife" und Allgemeinbildung sollte meiner Meinung nach das Gymnasium aber unbedingt festhalten

[wobei

Es ist wohl davon auszugehen, dass auch einige Schüler, die "nur" einen Mathe-Grundkurs hatten, Mathematik studieren wollen

(z.B., weil sie erst in der Oberstufe Spaß an der Mathematik gefunden haben oder weil ihre Interessen zu breit gefächert sind, als dass sie für jedes Interesse einen Leistungskurs wählen konnten).

Zu denken ist aber auch an all die Schüler, die

(und ja durchaus eine mathematische Grundbildung erhalten sollen!),

(also z.B. alle Naturwissenschaften).

Für mich läuft das alles darauf hinaus, dass

(wofür natürlich durch Beschränkung des sonstigen Stoffs Platz geschaffen werden müsste).

Von solch einem "anderen" Mathematikunterricht würde ich mir versprechen, dass eventuell sogar mehr Schüler Spaß an Mathematik und sogar einem Mathematik-Studium fänden, nämlich auch solche, die zu schlau sind, um Interesse am typischen stumpfen Rechen-Unterricht zu haben

(vgl. ),

aber auch Schüler, die keine mathematischen Fachidioten sind

(und das sind selten wirklich gute Mathematiker),

sondern einen unstillbaren Heißhunger auf Allgemeinbildung (vermittelt bekommen) haben 

(aber die würden dann vermutlich doch spätestens durch die Einseitigkeit des "real existierenden" Mathestudiums abgeschreckt).

Anregungen für einen "anderen" Matheunterricht kann man wieder Zieglers Vorlesung "Panorama der Mathematik" (s.o.) entnehmen

(auf Schulniveau runtergebrochen; nebenbei: Zieglers Liste [s.o.] eröffnet auch viele geisteswissenschaftliche Zugänge zur Mathematik, die einer Menge Schüler wohl eher liegen:  ).

Angegangen werden müssten in der Schule allerdings auch die Probleme , und , d.h. es müssten zumindest ab und zu auch mal

auftauchen.

Vorstellen könnte ich mir auch (noch in der Schule) einen freiwilligen kurzen, aber hochintensiven "Vorkurs Mathematik" (s.o.) für Schüler, die mit dem Gedanken spielen, Mathematik, Natur- oder Ingenieurswissenschaften zu studieren: ihnen muss frühzeitig gezeigt werden, was eine "Harke" ist, was an Hardcore-Mathematik aber auch Spaß machen kann.

Wichtig scheint mir aber auch, dass die Schüler nicht nur die nackte Mathematik, sondern auch die Menschen "hinter" dieser Mathematik, also die Mathematiker, kennenlernen. Und da nicht das Nerd-Klischee , sondern Leute, die (warum?) Mathematik mit "Herzblut" betreiben - und sehr wohl ab und zu auch verzweifelt sind: gerade Spitzenmathematiker, die sich an die großen, oftmals seit Jahrhunderten ungelösten Probleme begeben , sind ab und zu völlig verzweifelt, zumal sie ja nicht wissen, ob sie die Probleme jemals lösen werden oder diese überhaupt lösbar sind. Vgl. etwa

 ,

wo man schon ganz zu Anfang einen dieser Spitzenmathematiker mal fast weinen sehen kann.

Das Einzige, was solche Spitzenmathematiker vielleicht durchhalten läßt, sind wohl frühere Erfolgserlebnisse.

Es ist eine Banalität nicht nur in der Mathematik, sondern in vielen Lebensbereichen, Schulfächern und Berufen: "Kein Preis ohne Fleiß", wobei ich hier unter "Preis" nicht Geld oder Karriere, aber auch nicht gute Schulnoten, sondern erfüllende Erfolgserlebnisse verstehe. Aber wo haben Schüler denn mal solche Erfolgserlebnisse, die den vorherigen Fleiß adeln???

"Ich werde häufig von Schülern gefragt, ob für mich Mathematik ganz einfach sei. Die sind dann sehr erstaunt, wenn ich ihnen sage, dass für mich Mathematik genauso schwierig ist wie für sie, nur eben auf einem anderen mathematischen Niveau."
( Martin Grötschel, Mathematikprofessor und Generalsekretär der Internationalen Mathematiker Union)