zerstörte Anschauung
Das ZENTRALE Problem (auch im Hinblick auf ) ist
weniger (bzw. erst sekundär), dass viele SchülerInnen die Mathematik nicht anwenden können
(die PISA-Aufgaben sind gar keine echten Anwendungen),
sondern eher (bzw. primär), dass sie mit der Mathematik keinerlei Anschauung verbinden.
Für solche SchülerInnen hat
(in Folge unseres Unterrichts!)
beispielsweise die Streckung/Stauchung von Parabeln rein gar nichts mit den alltäglichen Vorgängen
Strecken | und | Stauchen |
zu tun: sie haben im Alltag schon hunderte Mal gestreckt und gestaucht
(oder kommen inzwischen vor lauter Virtualität auch solche simpelste "handwerkliche" Fähigkeiten abhanden? - um so mehr müssten sie im Unterricht wortwörtlich getan werden!),
aber eben noch nie Parabeln. "Strecken" und "Stauchen" sind für sie im mathematischen Zusammenhang
"nur" Metaphern
(im negativen Sinne von "verblümt", "umständlich")
bzw. "verblasste Metaphern", aus denen man die ursprüngliche, handgreifliche Bedeutung nicht mal mehr heraushört
(etwa so, wie man Mathematik nicht "begreift", weil man nichts mehr be-greift; ich hasse allerdings diese teilweise bedeutungsschwangeren, teilweise reaktionären Bindestrichwörter).
SchülerInnen wissen ganz genau: Mathematik einerseits und "das (wirkliche) Leben" andererseits stehen in keinerlei (veranschaulichendem) Verhältnis zueinander, und dementsprechend denken sie auch:
"ich rechne dem Lehrer bzw. der Zensur zuliebe jeden Scheiß, denn es ist ja alles Scheiß; wenn ich Glück habe, kommt sogar das Richtige dabei heraus (vgl. die Schrotschussinterpretationen im Fach Deutsch), aber nicht mal das bemerke ich".
Das (gar nicht) Erstaunliche ist, dass viele SchülerInnen unter der Prämisse "3. und 4. Stunde Mathematik" nur noch mathematisch denken, wenn sie beispielsweise
Wendepunkte zwar berechnen (???)
und vielleicht auch noch sagen können, dass da eine "Irgendwie-sorum"- in eine "Irgendwie-andersrum"-Kurve übergeht,
aber nicht "sehen", ob ein Umschwung von links nach rechts oder umgekehrt vorliegt,
und schon gar nicht, was das über den "Trend" aussagt.
Wir machen etwas gründlich falsch:
wir holen nicht bei den ja durchaus vorhandenen Anschauungen ab,
binden das Neue (auch Abstraktere) nicht ans längst Gewusste (und sogar Getane!) zurück
(bzw. tun das nicht immer wieder),
sondern kappen alle Verbindungen rückwärts:
"Hinter uns die Erde, vor uns nichts als Schrott."
Drei Beispiele:
macht die sogenannte Kongruenzgeometrie die simpelsten Anschauungen kaputt: dass ein Ding selbstverständlich (!!!?) nicht seine Form verändert, wenn ich es drehe, spiegle oder verschiebe.
(Dabei weiß ich ja durchaus [hier bei meinem Lieblings-Hassthema Kongruenzgeometrie], dass man manchmal die mathematischen Kriterien für Kongruenz braucht, weil man bei zwei verschiedenen [verschieden liegenden] Figuren die Kongruenz nicht auf Anhieb sieht.)
Wie schafft der Mathematikunterricht es eigentlich, den Gral der mathematischen "Bildung" :-) [vgl. ], nämlich die Proportionalität und in Folge davon die Prozentrechnung, kaputt zu kriegen?: das weiß doch wohl jeder, dass ich - abgesehen von Mengenrabatt - sieben Mal so viel bezahlen muss, wenn ich (egal, von welcher Anfangsmenge ich ausgehe) sieben Mal so viel kaufe.
Mehr noch: wir verlassen uns doch täglich intuitiv darauf, dass wir, wenn wir sieben Mal so viele Bananen kaufen, nicht neun Mal so viel bezahlen müssen.
Also mal angenommen, 1 Banane kostet 1 € und 7 Bananen kosten 9 €. Dann müsste ich doch schön blöd sein, wenn ich 7 Bananen gleichzeitig einkaufen würde. Sondern ich würde - und da sieht man doch deutlich die Widersinnigkeit - sieben Mal in den Laden gehen und je eine Banane kaufen, insgesamt also 7 Bananen für 7 (statt 9) € erhalten.
Und den Mengenrabatt empfinden wir doch nur deshalb als besonders zuvorkommend, weil er (nach unten!) von der Proportionalität (also geradezu Gerechtigkeit) abweicht.
Selbst die simpelsten Rechengesetze sind völlig banal bzw. alltäglich (und werden erst durch ihre verfluchten Namen schwierig, also durch "Kommutativ-", "Assoziativ-" und "Distributivgesetz"). Das weiß doch jeder
es bleibt sich gleich, ob ich
7 Mal 3 Bananen (insgesamt also 21 Bananen)
(also z.B. an 7 Tagen der Woche je 3 Bananen)
oder3 Mal 7 Bananen (insgesamt also ebenfalls 21 Bananen)
(also z.B. an 3 Tagen der Woche je 7 Bananen)kaufe: 7 ● 3 = 3 ● 7 (hochtrabend "Kommutativgesetz" genannt);
es bleibt sich gleich, ob ich
zum Ergebnis von 3 + 7 dann noch 9 addiere:
(3 + 7) + 9
= 10 + 9 = 19oder 3 zum Ergebnis von 7 + 9 addiere:
3 + (7 + 9)
= 3 + 16 = 19;insgesamt also (3 + 7) + 9 = 3 + (7 +9) (hochtragend "Assoziativgesetz" genannt)
es bleibt sich gleich, ob ich
3 Mal ins Geschäft gehe und jeweils 7 Bananen und 9 Äpfel kaufe:
3 ● (7 + 9)
= 3 ● 16 = 48oder
erst 3 Mal in den Laden gehe und jeweils 7 Bananen kaufe
3 ● 7 = 21und dann weitere 3 Mal in den Laden gehe und jeweils 9 Äpfel kaufe
3 ● 9 = 27;insgesamt also 3 ● 7 + 3 ● 9 = 21 + 27 = 48
insgesamt also 3 ● (7 + 9) = 3 ● 7 + 3 ● 9 (hochtrabend "Distributivgesetz" genannt).
Vielleicht liegt der Fehler darin begründet, dass viele SchülerInnen nie merken, dass (wie so oft im Leben) das Allzu-Selbstverständliche durchaus staunenswert ist:
man stelle sich mal vor, es würde einen Unterschied machen, ob ich sieben Mal drei Bananen oder aber drei Mal sieben Bananen kaufe: wir würden uns im Leben doch totrechnen!
(und nebenbei: es gibt in der Mathematik ja durchaus Rechnungen, die nicht kommutativ sind)
oder der Hintersinn des Assoziativgesetzes ist doch, dass erstaunlicherweise nicht mal der schlauste Mathematiker bzw. Supercomputer in der Lage ist, etwas ganz Simples zu tun, nämlich popelige drei Zahlen in einem Abwasch zu addieren. Nein, der schlauste Mathematiker bzw. Supercomputer muss immer erst hübsch brav zwei Zahlen addieren ("mehr als zwei ist schon unendlich") und dann erst zu deren (Zwischen-)Ergebnis die dritte Zahl addieren (Zwischenergebnis plus dritte Zahl, also wieder die Addition von nur zwei Zahlen).
Glücklicherweise (es fällt einem ein Stein vom Herzen!) kommt aber immer dasselbe heraus, egal, mit welchen beiden Zahlen man anfängt. Das wäre ja noch schöner, wenn der Preis von der Reihenfolge abhinge, in der ich drei Dinge einkaufe.