Abschied von den "Großmethoden"?

 

vgl. auch


Es gibt ja Leute, die einen missverstehen wollen, und besonders gern wird jegliche Reflexion missverstanden

(nämlich als grundsätzliche [Negativ-]Kritik, die das stumpfes Weitermachen und - äußerst irritierend - die nach außen vorgezeigte Selbstgefälligkeit stört).

Solchen Leuten zuliebe

(auf die allerdings viel zu viel Rücksicht genommen wird; die sich "Liebe" regelrecht erpressen und so letztlich immer den Ton angeben)

sei´s hier deutlich herausgestellt:

Alles im Folgenden Gesagte ist nicht als endgültiger Abschied von "Großmethoden" bzw. als Resignation gemeint ("es gibt sowieso keine mehr").

Das Wichtigste an "Großmethoden" ist, dass sie einen immer wieder daran gemahnen, die übliche, meist aber auch unbefriedigende Lehrer- und Schülerrolle mal gründlich in Frage zu stellen.

Es ließe sich nämlich fragen, ob die Schwierigkeiten mit Methoden nur das Symptom sind, während das nach wie vor gängige Schulsystem die eigentliche "Krankheit" ist; ob also aus dem Willen zu neuen Methoden auch eine ganz neue Schule folgen müsste. Vgl. "Selbstlernen radikal".

Zusätzlich zu den "großen" Selbstlernmethoden bedarf es auch "kleinerer", da die "großen"

(gefährlich wird´s, wenn erst mal mehrere KollegInnen von den neuen Patentmethoden gehört haben: "Müssen wir heute schon wieder und auch bei Ihnen puzzeln?");

Daraus folgt

  1. , dass LehrerInnen auf Vorarbeiten von Verlagen angewiesen sind
    (und die Verlage haben ja inzwischen durchaus den Trend bemerkt),

  2. , LehrerInnen kaum solche "Zirkel" neben dem normalen Unterricht erarbeiten können - oder nur für gewisse Phasen.

Die kleinen "Tipps & Kniffe" haben demgegenüber den doppelten Vorteil, dass sie

Wenn man immer nur nach "großen", über viele Schulstunden hinweg tragfähigen Methoden sucht, wird man vermutlich nur ganz wenige finden. Zumindest sind bislang nur ganz wenige wirklich ergiebige "große" Methoden in der Diskussion, die jeweils "nur noch" (das allerdings teilweise mit immensem, aber lohnendem Arbeitsaufwand!) neu zu füllen sind:

(nebenbei: da liegt doch immerhin die Idee nahe, dass die SchülerInnen selbst Stationen erstellen, sei´s für MitschülerInnen, sei´s für Folgeklassen)

(vgl. auch )

Dass bisher nur sehr wenige solcher "Großmethoden" in aller Munde sind

(vgl. nur etwa aus dem Lehrerfortbildungsprogramm der Bezirksregierung Münster

Methoden im Mathematikunterricht der Gesamtschule

Alte und neue Methoden des Mathematikunterrichts [wie zum Beispiel: Lernen an Stationen, Gruppenpuzzle (Jig-Saw), Karteikarten, Spiele, Referate, ... ] sollen auf  konkrete Unterrichtssituationen bezogen vorgestellt, ausprobiert, diskutiert und bewertet werden.

oder aus dem Lehrerfortbildungsprogramm der Bezirksregierung Detmold

Selbstständiges Lernen im Mathematik-Unterricht

Gruppenpuzzle/Gruppenmix, Stationenlernen, Struktogramme, ... sind geeignete Arbeitsmethoden, um die Eigenaktivität der Schülerinnen und Schüler zu erhöhen und sie anzuleiten, mathematische Inhalte weitgehend selbstständig und eigenverantwortlich zu bearbeiten.),

sollte einen aber nicht bei der Suche nach weiteren solchen Methoden resignieren lassen.

Ich bin ja gar nicht grundsätzlich beispielsweise  gegen die "Großmethode" "Stationenlernen", sondern nur dagegen, sie als "Pauschalmethode" zu benutzen bzw. zu verkaufen

(als Standardmethode für die Phantasielosen, die jetzt nur die alte Pauschalmethode "Frontalunterricht" durch die neue Pauschalmethode "Stationenlernen" ersetzten).

Um beim Beispiel "Stationenlernen" zu bleiben

(analoge Überlegungen wären möglich für

das "Stationenlernen" mag ja unter bestimmten Voraussetzungen durchaus sinnvoll sein , nur wären diese Voraussetzungen vorher genau zu klären.

Wozu denn kann "Stationenlernen" (besonders gut?) dienen?:

  1. um die Einzel- und Gruppenarbeit der SchülerInnen zu nutzen bzw. zu fördern
    (statt eben des typischen Frontalunterrichts);

  2. um die Kompetenz der SchülerInnen zu fördern, sich aus einem Angebot selbstständig und sinnvoll Ausgaben auszusuchen;

  3. um den SchülerInnen Freiheit bei der Bearbeitungsreihenfolge zu geben;

  4. um anschaulichere Aufgaben als die üblichen Schulbuchaufgaben (auf!)stellen zu können;

  5. ...

Anhand der wenigen hier genannten Möglichkeiten wird schon deutlich, dass "Stationenlernen" überhaupt nicht eine Methode ist, sondern ein Konglomerat aus mehreren Methoden, die völlig unterschiedlichen und erst mal disparaten Zwecken dienen.

Die einzelnen Möglichkeiten wären auch voneinander trennbar und mit anderen (Teil-)Methoden umsetzbar. Z.B. fordert und fördert ja (angeblich?) auch das "Gruppenpuzzle" Punkt 1., also Gruppenarbeit.

Die Feststellung, dass "Stationenlernen" ein Methodenkonglomerat sei, wertet diese "Großmethode" keineswegs ab. Man könnte ja sogar sagen: "wie schön, dass wir da gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe erwischen".

Aber es deuten sich doch immerhin schon Probleme an, die sich bei solch einer "Konglomeratsmethode" wie eben dem "Stationenlernen" ergeben können:

von den SchülerInnen wird

(insbesondere, wenn sie bisher nur den Standard-Frontalunterricht kannten)

zu viel auf einmal gefordert, bzw. bei ihnen wird (oft unreflektiert) zu viel vorausgesetzt.

Und dementsprechend geht "Stationenlernen" dann eben auch oftmals schief - und werden nach einem ersten Durchgang die Freiheiten schleichend beschnitten.

(Beispielsweise dürfen die SchülerInnen sich dann nicht mehr die Aufgaben aussuchen [1.], sondern haben nur noch die Freiheit der Reihenfolge [2.] - also eine Pseudofreiheit: "erst Krebs und dann Cholera - oder doch umgekehrt?" Oder es wird eine Unterteilung in Pflicht- und Kür-Aufgaben vorgenommen, wobei letztere eh von keinem erledigt werden, außer vielleicht von bienenfleißigen Strebern.)

Da wäre manchmal kleiner (die Benutzung von Teil-Methoden) feiner - und sinnvoller.

Preisfrage:

wer kennt beispielsweise eine Methode, die "nur" die (keineswegs nebensächliche und auch nicht gerade einfach zu erwerbende) Kompetenz erhöht, sich selbstständig und sinnvoll Aufgaben aus einem Angebot auszusuchen (2.)?

Denn genau da liegt doch oftmals das eigentliche Problem: solche (Teil-)Fertigkeiten

(die ihrerseits oftmals wieder ein Bündel aus kleinen Fertigkeiten sind)

werden oftmals einfach nur vorausgesetzt

(bzw. es wird stillschweigend unterstellt: "die SchülerInnen lernen das beim Stationenlernen schon von selbst"),

statt dass Wege überlegt werden, wie man die SchülerInnen überhaupt dahin "bringen" kann.

Insgesamt scheint mir also, dass das "Stationenlernen" zumindest eine sehr späte Methode sein sollte.

(Vielleicht aber ist "Stationenlernen" überhaupt keine Methode, sondern "nur" eine Organisationsform; vgl. )

Auch die "großen" werden Methoden immer auf den konkreten Unterricht hin "kleingearbeitet" werden müssen: die "große" Methode bietet das Grobgerüst, in das jeweils "kleine" Methoden eingearbeitet werden müssen.

Auch die "Groß"methoden ersparen es einem also nicht, über Unterrichtsdetails bzw. -momente nachzudenken:

Zwar kann man solche Details nicht immer reflektieren, weil

  1. dazu in der allgemeinen Arbeitsbelastung gar keine Zeit ist,

  2. Unterrichtssituationen oftmals auch von der besten Planung abweichen
    (merke: im Referendariat ist dann immer der Referendar "schuld": "das hätte man einfach vorher sehen müssen, das hätte ich ihnen vorher sagen können [hab ich aber nicht, ätsch, und das lässt sich nachher ja auch glücklicherweise so leicht sagen]")

In diesen beiden Fällen wird man wohl

  1. einfach aufmerksam zu sein versuchen,

  2. sich auf sein in langjährigen Erfahrungen erworbenes Methodenrepertoire verlassen müssen.

Immer wieder sinnvoll ist aber die Reflexion solcher Details an wichtigen "Gelenkstellen" des Unterrichts, beispielsweise bei der Einführung eines neuen Stoffs.

Es müsste bei der allgemeinen Arbeits- und Stoffbelastung reichen, solche Überlegungen an einzelnen Beispielen anzustellen. Das wird man dann mit neuem Gespür analog auf andere Unterrichtssituationen übertragen können.

Ohne Feindifferenzierung und Bezüge auf konkrete SchülerInnen und Klassen sehe ich aber noch ein anderes Problem: gewisse KollegInnen werden - sei´s aufgrund von Arbeitsüberlastung, sei´s aus Phantasielosigkeit - fertige Großprojekte einfach nur 1:1 übernehmen

(etwa so, wie gewisse KollegInnen sich sklavisch an im Buchhandel erhältlichen Stundenblättern orientieren, ja ein Thema ohne solche Hilfe gar nicht erst angehen bzw. sich nicht zutrauen),

was geradezu schiefgehen muss.

Ein 45- oder gar 90-minütiger Unterricht mit zudem vielen Einzel-Schülerpersönlichkeiten bzw. - negativ gesagt - viel zu großen Klassen ist halt ein enorm komplexer, multidimensionaler und deshalb kaum zu bewältigender Prozess.

Da helfen nur

  • Intuition und Berufserfahrung,
  • exemplarische Detailarbeit: es wäre völlig falsch, ein einziges Patentrezept zu erwarten.

Neben den großen Methoden gibt es auch noch die großen pädagogischen Theorien. Sie sind ungeheuer wichtig, um

Wer sich über pädagogische Theorien nur lustig macht ("alles Pädagogenblabla"), merkt nur nicht, dass er auch eine hat (und zwar die einzig wahre, wenn auch völlig unreflektierte).

Nachteil der großen Theorien ist es aber oft, dass sie arg allgemein bleiben. Ja, man wird manchmal den Verdacht nicht los, dass das Absicht ist:

"Wenn ich möglichst allgemein bleibe, kann mir keiner was."

Das sagt sich so einfach:

"Ab sofort wird ungemein konstruktivistisch selbst gelernt!"

Für durchaus bereitwillige SchulpraktikerInnen kommen dabei aber allzu schnell nur Überforderung oder sogar Beschämung heraus:

Die großen Theorien müssen auf die raue Schulwirklichkeit und konkrete soziale und fachliche Unterrichtssituationen heruntergerechnet und "kleingearbeitet" werden bzw. sich dort bewähren.

Die Frage muss grundsätzlich lauten:

"Hört sich ja alles schön an, aber funktioniert das auch »vor Ort«,
und wenn überhaupt: wie genau?"

Letztlich interessiert nicht im mindesten

"wie lernt man selbst bzw. »konstruktiv«?",

sondern ganz konkret z.B.

"wie lernt man montags in der ersten Stunde in einer 32 SchülerInnen starken Klasse die Hypothesentests selbst bzw. »konstruktiv«?"