Hand aufs Herz:
Wie halten Sie es denn selbst mit dem Selbstlernen?
Was Hans nicht gelernt hat, kann er auch nicht Hänschen vermitteln.
Wie halten Sie´s denn?:
Bevorzugen Sie, wenn Sie auf einer Fortbildung sind, dann eben doch den "Input", also einen Vortrag?
(... wobei ein guter Vortrag ja auch eine Entdeckungsreise sein kann.)
Gehören Sie auf Lehrerfortbildungen zu den "Jägern und Sammlern", die nach Strich und Faden fremdes Unterrichtsmaterial klauen?
Haben Sie auf Fortbildungen die Nase gestrichen voll von neckischen gruppendynamischen Selbstlernspielchen, fühlen Sie sich da als Kleinkind verkauft?
Bevorzugen Sie, wenn Sie sich informieren sollen, ein Buch?
(... wobei natürlich auch ein Buch eine Entdeckungsreise sein kann.)
Aber Ihre SchülerInnen sollen "selbstlernen"?!
Wieder mal war die Frage, wann denn wir LehrerInnen in unserem Leben am effektivsten gearbeitet und gelernt hätten,
und wieder mal antworte - unfassbar für mich - ein Kollege: "unter Druck"
Ein Kollege konnte sich, "ehrlich gesagt - und allemal in Mathematik", ein wirkliches "Selbstlernen" gar nicht vorstellen. Er habe immer am besten gelernt, wenn sein Lehrer besonders gut erklären und vormachen konnte.
Nun kann ja kein Zweifel bestehen, dass man manchmal "zu seinem Glück gezwungen werden muss":
das sture Einpauken des mathematischen unabdingbaren Handwerkszeugs, also die
ewig-rauf-und-runter-Etüden,
machen nun mal keinen Spaß, aber man muss sie zigfach "stumpf runtergerechnet" haben, bis man sie "mit links" beherrscht und in der "eigentlichen" Mathematik "nebenher" benutzen kann;
meine musikalische Sozialisation bestand nun mal aus 99 % Rockmusik, und dementsprechend habe ich nie einen Zugang zu Jazz bekommen. Zwar konnte ich problemlos akzeptieren, dass Miles Davis wohl - wie Fachleute unter meinen Freunden sagten - ein genialer Jazzmusiker war, aber das blieben reine Lippenbekenntnisse.
Irgendwann packte mich dann aber der Ehrgeiz, ich habe "Bitches brew" gekauft und dann mich selbst (!) gezwungen, erst nach dem zehnten Mal ein "Urteil" zu fällen. Immerhin habe ich da geahnt, was an Miles Davis so genial ist - und letztlich hat es mich dennoch kalt gelassen.
Und selbstverständlich haben auch eine gute Erklärung und Vormachen ihren Wert!
Und dennoch: Radfahren, Schwimmen, das Schreinerhandwerk ... und eben auch Mathematik lernt man nicht, indem es einem nur vorgemacht wird.
Ich habe nie wirklich gelernt, wenn ich (und sei´s durch Termine) gezwungen wurde; sondern dann habe ich mir alles (!?) immer nur stumpf in den Kopf reingeknallt, "konnte" es zum Prüfungstermin auch rein mechanisch - und hatte es drei Tage später wieder vergessen.
Vielmehr brauche ich, um wirklich zu lernen,
eine anregende Atmosphäre
(ewigen Dank meinem damaligen Professor in Hamburg!),
einen freien Kopf
(keine anderweitigen Sorgen und Verpflichtungen; was auch heißt: man kann nicht "auf Befehl" kreativ sein - und lernen)
und massenhaft "freie" Zeit.
"Sire, gewähren Sie Gedankenfreiheit!"
Vor allem habe ich unter solchen Voraussetzungen liebend gerne eine 80-Stunden-Woche hingelegt (und tue das noch heute), während es sonst (unter Druck) immer nur eine Qual war (mir jede Ablenkung gerade recht kam bzw. ich sie mir geschaffen habe).
Es ist mir ein Rätsel, wie man Selbstlernen vermitteln möchte (ja überhaupt LehrerIn werden kann), wenn man nicht selbst gerne selbst lernt. |
Es gibt beste Gründe, weshalb man als LehrerIn nicht "am Ball" der neuesten fachlichen Entwicklung bleiben kann:
gerade in der Mathematik ist es doch so, dass die neuesten Entwicklungen in unerreichbaren Höhen stattfinden;
es ist tatsächlich schwierig, überhaupt an (populärwissenschaftliche) Informationen darüber zu kommen, was sich "da oben" abspielt;
der Lehrerberuf (u.a. eben auch die Pädagogik!) nimmt einen derart in Anspruch, dass man gar keine Zeit mehr für fachliche Weiterbildung hat;
und dann gibt es noch die liebe Familie.
Und dennoch:
Es ist mir auch ein Rätsel, dass viele KollegInnEn nicht mehr den mindesten Ehrgeiz haben (nie hatten?), fachlich "am Ball" zu bleiben und weiter (zumindest für sich selbst neu) zu entdecken. |
Da gibt es z.B. die DeutschlehrerInnen,
die freiwillig kein "gehobenes" Buch mehr anpacken, sondern bei "historischen Romanen" und Barbara Wood hängen bleiben
(was ich immerhin verständlich finde: da fragt man sich nicht andauernd: "kann ich das im Unterricht durchnehmen, und wenn ja, wie?": das leidige "Verwertungsinteresse");
bei denen die "neuere" Literatur mit Max Frisch und Bert Brecht aufhört, ja Brechts Dramentheorie immer noch als neuester Schrei des Theaters vermittelt wird
("außer Aristoteles und Brecht gab´s eh nichts, Aristoteles hatte total unrecht, und Brecht hat seine Theorie in den Dramen 1:1 umgesetzt");
die zum hunderttausendsten Mal "Homo schlabber oder er letzte Schund" durchnehmen:
"Man nehme" überhaupt nur rundum anerkannte Bücher, da
man sich dann auf keinen Fall selbst (!) ein Urteil bilden und sie
auch nicht gegebenenfalls selbst (z.B. gegen SchülerInnen) verteidigen
(beides nimmt einem die Autorität der Tradition ab)bzw. nicht differenzieren muss
Goethe hat auch unendlich viel Mist geschrieben,
z.B. seine "Stella" enthält grandiose Passagen - und unerträglichen Kitsch
und sich somit auch nie irren kann.
Wo kämen wir auch hin, wenn jemand z.B. behaupten würde,
die Studierstubenszene im "Faust" sei unerträglich, weil
zu Tode zitiert
und Faust einfach nur permanent weinerlich - und in Wirklichkeit natürlich in der midlife-crisis und einfach nur scharf auf "das Ewig-Weibliche (zieht)"
(da lobe ich mir die abgrundtiefe Menschlichkeit, gepaart mit Witz, des Mephisto!);das (wie so viele Nachkriegsbücher) ach so platt antifaschistische Buch "Sansibar oder der letzte Grund"
(schon wieder so ein typisch deutsch-tiefsinnig-bescheuerter Titel à la "Mutmaßungen über Jakob" oder "Nachdenken über Christa T.")
enthalte in Wirklichkeit - nämlich bei der Beschreibung der Jüdin - glasklar rassistisch-sexistische Passagen.
Was wäre man ohne seine fertigen "Stundenblätter", an die man sich sklavisch hält?!
Und ansonsten ernährt man sich von "Spiegel" und "Focus" .
Insbesondere erschütternd finde ich aber MathematiklehrerInnen, die ernsthaft meinen (und vermitteln),
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Dabei geht es in Wirklichkeit doch um die Erfahrung der Grundideen von Mathematik!