lang lebe der Lehrervortrag


(Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1975)

  "Ansprechpartner: Freund, Freundin."
 (Duden - Die sinn- und sachverwandten Wörter)

"Er ist kein Lehrer für denkfaule Herrn, die nur ein Heft voll schreiben wollen und es auswendig lernen wollen für das Examen, er ist kein Schönredner, aber wer lernen will ehrlich, tief innerlich seine physikalischen Gedanken aufzubauen, alle Prämissen umsichtig zu prüfen, die Klippen u. Probleme zu sehen, die Zuverlässigkeitsgrenzen seiner Überlegung zu übersehen, der findet in Einstein einen erstklassigen Lehrer, denn alles kommt im Vortrag zum suggestiven Ausdruck, der zum Mitdenken zwingt und die Weite des Problems aufrollt."
(Heinrich Zangger über seinen Freund und Kollegen Albert Einstein)


"Warum ich so wenig sage? Weil ich lieber fasziniert Ihren Vorträgen zuhöre."
(eine Schülerin, als ich noch ein guter bzw. schon ein schlechter Lehrer war)


"Höre mir zu, ich rede wie gedruckt."
(Max in  Harry Mulischs Roman "Die Entdeckung des Himmels")

Am liebsten höre ich mich selber reden :-)

Ich könnte mir stundenlang zuhören :-)

Ich sage das alles ja nur gegen neumodische Einseitigkeiten:

Der gute alte Lehrervortrag

("wenn die SchülerInnen es nicht sagen bzw. partout nicht drauf kommen, sag´ ich´s halt - auch wegen des Stoff- und Klausurdrucks - selbst";
wir alle haben es doch grenzenlos satt, permanent wasserfallartig reden zu müssen - was einer der besten, weil hübsch egoistischen Gründe dafür ist, sich nach "Selbstlernmethoden" umzusehen;

nebenbei: was gestern noch verpönt war, ist heute - realistisch oder reaktionär geworden - vielleicht längst wieder der neueste Hype: letztens wurde auf einer Tagung der Lehrervortrag

[eine regelrechte Vorlesung vor allen elften Klassen]

allen Ernstes als methodische Weltneuheit gefeiert, und selbst die TAZ tönt inzwischen in dieser Richtung: "Es kann nur einer am Pult stehen").

Vielmehr kann der Lehrervortrag insbesondere bei Zusammenfassungen und Darstellung von Hintergründen durchaus "der Weisheit letzter Schluss" sein: auch er - wie beispielsweise auch die Lektüre eines "fertigen" Buches - kann sehr wohl zum Nachdenken (Selbstlernen) anregen, wenn es ihm gelingt,

Schöne Beispiele für allerfeinste "Lehrer"-Vorträge liefert einmal wöchentlich Harald Lesch in der äußerst empfehlenswerten Sendung  "alpha centauri"  (die Sendungen kann man sich auch im Internet ansehen: ). Und zwar tut er das voller (Selbst-)Ironie, nämlich

Die DVD-Reihe zu dieser Fernsehreihe sollte Pflichtausstattung jeder Schulbibliothek werden.


Ein Vortrag oder auch eine schriftliche Ausführung geschieht immer auf Messers Schneide:

(Ein kritisches Publikum wird einen beides merken lassen, und sei´s, dass es höflich in Tiefschlaf versinkt.)

Nun empfinde ich persönlich es allerdings als affig bzw. sogar Zumutung, wenn ich in Büchern (oder zumindest Nicht-Lehrbüchern) aufgefordert werde, mitgelieferte Aufgaben selbstständig zu lösen.

Aber es gibt ja auch andere Möglichkeiten, den Zuhörer/Leser selbstständiges Denken zu ermöglichen

(die vorhandene Selbstständigkeit einzubeziehen oder aber überhaupt erst selbstständiges Denken anzuregen):

  1. , indem man ihn - wie schon gesagt - "an der Hand" nimmt und ihm ohne jede Besserwisserei den eigenen Forschungsgang vorführt;

  2.  enthält - arg allgemein gesagt -  wohl jedes gute Buch/jeder gute Vortrag "Freiheitselemente" für den Leser/Zuhörer, der

(die Kunst des Autors/Vortragenden bestünde dabei

[abgesehen von einer Beobachtung des Publikums durch den Vortragenden und daran angepasste spontan-situative Veränderungen seines Vortrags]

darin, solch abweichende Gedanken der Leser/Zuhörer vorauszuahnen und sie "rückzubinden"),

Kommt hinzu, dass ein Autor/Vortragender oftmals

(letzterer auch als Lehrer in der Schule?)

sein Publikum gar nicht kennt bzw. in der Regel ein sehr heterogenes Publikum vor sicht hat. Da hilft es,

Das Verständnis sollte dabei aber nicht nur vorgespielt oder ein simpler Trick, sondern "Einstellungssache", nämlich vom Autor/Vortragenden "mitempfunden" sein:

Und noch ein Problem: ein Buch/Vortrag kann zu schnell in dem Sinne sein, dass es/er dem dem Leser/Hörer jeder eigenen Erkenntnis beraubt, indem es immer wenige Sekunden voraus ist: da wollte der Leser/Hörer gerade mal selbst losdenken

(war er gerade dazu verführt worden),

schon wird das durch den Autor/Vortragenden mit einer fertigen Lösung abgewürgt.

Auch dieses Problem lässt sich durch gewisse "Tricks" (teilweise) beheben:

  1. ein tatsächlich langsames (und doch nicht langweiliges) Vorgehen,

  2. es werden nie vollständige, sondern immer nur Teillösungen geliefert,

  3. kleine Exkurse geben Freiraum fürs Denken,

  4. in einem Vortrag Aufforderungen an die Zuhörer, tatsächlich dialogisch zur Lösung beizutragen

(mit der Gefahr, dass nur die Superschlauen antworten - und ihrerseits den anderen eigene Erkenntnisse rauben).


Vgl. auch