lang lebe der Lehrervortrag
(Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1975)
"Ansprechpartner: ↑ Freund, ↑ Freundin." (Duden - Die sinn- und sachverwandten Wörter) "Er ist kein Lehrer für denkfaule Herrn, die nur ein Heft voll schreiben wollen und es auswendig lernen wollen für das Examen, er ist kein Schönredner, aber wer lernen will ehrlich, tief innerlich seine physikalischen Gedanken aufzubauen, alle Prämissen umsichtig zu prüfen, die Klippen u. Probleme zu sehen, die Zuverlässigkeitsgrenzen seiner Überlegung zu übersehen, der findet in Einstein einen erstklassigen Lehrer, denn alles kommt im Vortrag zum suggestiven Ausdruck, der zum Mitdenken zwingt und die Weite des Problems aufrollt." "Warum ich so wenig sage? Weil ich lieber fasziniert Ihren Vorträgen zuhöre." "Höre mir zu, ich rede wie gedruckt." Am liebsten höre ich mich selber reden :-) Ich könnte mir stundenlang zuhören :-) |
Ich sage das alles ja nur gegen neumodische Einseitigkeiten:
Der gute alte Lehrervortrag
ist nicht automatisch synonym mit "Frontalunterricht",
"plättet" und erschlägt die SchülerInnen nicht zwangsläufig,
ist nicht per se eine Panikreaktion der Lehrkraft
("wenn die SchülerInnen es nicht sagen bzw. partout nicht drauf kommen, sag´ ich´s halt - auch wegen des Stoff- und Klausurdrucks - selbst";
wir alle haben es doch grenzenlos satt, permanent wasserfallartig reden zu müssen - was einer der besten, weil hübsch egoistischen Gründe dafür ist, sich nach "Selbstlernmethoden" umzusehen;nebenbei: was gestern noch verpönt war, ist heute - realistisch oder reaktionär geworden - vielleicht längst wieder der neueste Hype: letztens wurde auf einer Tagung der Lehrervortrag
[eine regelrechte Vorlesung vor allen elften Klassen]
allen Ernstes als methodische Weltneuheit gefeiert, und selbst die TAZ tönt inzwischen in dieser Richtung: "Es kann nur einer am Pult stehen").
Vielmehr kann der Lehrervortrag insbesondere bei Zusammenfassungen und Darstellung von Hintergründen durchaus "der Weisheit letzter Schluss" sein: auch er - wie beispielsweise auch die Lektüre eines "fertigen" Buches - kann sehr wohl zum Nachdenken (Selbstlernen) anregen, wenn es ihm gelingt,
die SchülerInnen "abzuholen" und "bei der Hand zu nehmen",
mit ihnen zusammen durch ein Gedankengebäude zu gehen,
die Fiktion des Selbstentdeckens zu vermitteln,
einen Gedankengang spannend und farbig darzustellen,
auf (vermutliche oder geäußerte) Fragen und Gedanken der SchülerInnen einzugehen bzw. sie einzubeziehen
(denn das kann einE LehrerIn besser als jedes Medium!).
Schöne Beispiele für allerfeinste "Lehrer"-Vorträge liefert einmal wöchentlich Harald Lesch in der äußerst empfehlenswerten Sendung "alpha centauri" (die Sendungen kann man sich auch im Internet ansehen: ). Und zwar tut er das voller (Selbst-)Ironie, nämlich
mit erhobenem Zeigefinger
und vor (leeren!) Schulbänken.
Die DVD-Reihe zu dieser Fernsehreihe sollte Pflichtausstattung jeder Schulbibliothek werden.
Ein Vortrag oder auch eine schriftliche Ausführung geschieht immer auf Messers Schneide:
man erklärt zu wenig, so dass der Zuhörer/Leser keine Chance hat, das Fehlende selbstständig zu ergänzen, und somit auch keine Chance hat zu verstehen;
man erklärt zu viel, verkauft den Zuhörer/Leser also für dumm oder lässt ihm zumindest nicht die geringste Chance, auch mal selbst aktiv zu werden und damit Erfolgserlebnisse zu entwickeln.
(Ein kritisches Publikum wird einen beides merken lassen, und sei´s, dass es höflich in Tiefschlaf versinkt.)
Nun empfinde ich persönlich es allerdings als affig bzw. sogar Zumutung, wenn ich in Büchern (oder zumindest Nicht-Lehrbüchern) aufgefordert werde, mitgelieferte Aufgaben selbstständig zu lösen.
Aber es gibt ja auch andere Möglichkeiten, den Zuhörer/Leser selbstständiges Denken zu ermöglichen
(die vorhandene Selbstständigkeit einzubeziehen oder aber überhaupt erst selbstständiges Denken anzuregen):
, indem man ihn - wie schon gesagt - "an der Hand" nimmt und ihm ohne jede Besserwisserei den eigenen Forschungsgang vorführt;
enthält - arg allgemein gesagt - wohl jedes gute Buch/jeder gute Vortrag "Freiheitselemente" für den Leser/Zuhörer, der
sowieso parallel und Zusätzliches denkt
(die Kunst des Autors/Vortragenden bestünde dabei
[abgesehen von einer Beobachtung des Publikums durch den Vortragenden und daran angepasste spontan-situative Veränderungen seines Vortrags]
darin, solch abweichende Gedanken der Leser/Zuhörer vorauszuahnen und sie "rückzubinden"),
beispielsweise aber auch mit dem Spiel von "An-/Vorausdeutung, Erfüllung, Enttäuschung" gezielt zu selbstständigem Denken angeregt wird.
Kommt hinzu, dass ein Autor/Vortragender oftmals
(letzterer auch als Lehrer in der Schule?)
sein Publikum gar nicht kennt bzw. in der Regel ein sehr heterogenes Publikum vor sicht hat. Da hilft es,
das (scheinbar) Einfache zwar nicht sogar noch künstlich zu verkomplizieren, aber eben doch auch nicht als selbstverständlich darzustellen: also
Verständnis dafür zu haben, dass "langsamere" Leser/Hörer das angeblich so Einfache keineswegs so einfach finden,
den "fortgeschrittenen" Lesern/Hörern zu zeigen, dass vielleicht sogar gerade hinter scheinbar Einfachen interessante Probleme lauern, oder ihnen ohne Häme zu zeigen (zur Entdeckung anzubieten), dass ihr Vorwissen vielleicht nur ein Pseudowissen ist;
zu signalisieren, dass das von zumindest einigen Lesern/Zuhörern als schwierig Empfundene auch tatsächlich schwierig.
Das Verständnis sollte dabei aber nicht nur vorgespielt oder ein simpler Trick, sondern "Einstellungssache", nämlich vom Autor/Vortragenden "mitempfunden" sein:
er kann sich noch gut erinnern, welche Schwierigkeiten er selber früher bzw. bei der Vorbereitung des Buchs/Vortrags hatte,
er "weiß [und spricht das auch offen aus], was er nicht weiß".
Und noch ein Problem: ein Buch/Vortrag kann zu schnell in dem Sinne sein, dass es/er dem dem Leser/Hörer jeder eigenen Erkenntnis beraubt, indem es immer wenige Sekunden voraus ist: da wollte der Leser/Hörer gerade mal selbst losdenken
(war er gerade dazu verführt worden),
schon wird das durch den Autor/Vortragenden mit einer fertigen Lösung abgewürgt.
Auch dieses Problem lässt sich durch gewisse "Tricks" (teilweise) beheben:
ein tatsächlich langsames (und doch nicht langweiliges) Vorgehen,
es werden nie vollständige, sondern immer nur Teillösungen geliefert,
kleine Exkurse geben Freiraum fürs Denken,
in einem Vortrag Aufforderungen an die Zuhörer, tatsächlich dialogisch zur Lösung beizutragen
(mit der Gefahr, dass nur die Superschlauen antworten - und ihrerseits den anderen eigene Erkenntnisse rauben).
Vgl. auch