Modul*-Mathematik

 

Vorbemerkungen
ein Aufgabenbeispiel
      Module I: das Kochrezept
      Module II: Austauschen

 

* Mo|dul

  • Nicht gemeint ist hier der mathematische Fachbegriff "modulo", d.h. die Berechnung aller natürlichen Zahlen n, die bei Division durch eine natürliche Zahl m denselben Rest p haben.

  • Modul [...] eine sich aus mehreren Elementen zusammensetzende Einheit innerhalb eines Gesamtsystems, die jederzeit ausgetauscht werden kann
    © Dudenverlag

  • "Modul" hört sich ungemein nach Hightech an, und in der Pädagogik gehört ja Kla/ippern ganz unbedingt zum Handwerk ("des Kaisers neue Kleider").
    Worum es hier ganz simpel geht, ist das in der Mathematik uralte und absolut zentrale Entwickeln von Algorithmen:

Algorithmus [griechisch] der, Folge von exakten Arbeitsanweisungen zum Lösen einer Rechenaufgabe in endlich vielen, eindeutig festgelegten, auch wiederholbaren Schritten. Jede mit einem Algorithmus lösbare Aufgabe kann prinzipiell auch von einem Rechenautomaten gelöst werden.
(Brockhaus multimedial 2002)

Statt von abstrakten "Modulen" spreche ich letztlich doch lieber anschaulich von "Bausteinen".

Wichtig daran ist vor allem, dass sie in der Gesamtkonstruktion

  •  austauschbar

  • und (nicht immer) beliebig verschiebbar

sind.

Vorbemerkungen

Bei der industriellen Fertigung technischer Geräte hat sich mehr und mehr die Modulbauweise durchgesetzt, wofür es verschiedene Gründe gibt:

(vgl. )

müssen nicht mehr die Fertigung des gesamten Geräts beherrschen, sondern nur noch (als Hilfsarbeiter) die Handhabung eines einzigen Teils. Diese Tätigkeit ist aber so idiotisch einfach, dass die Arbeiter auch genauso gut durch gehirnamputierte Roboter ersetzt werden können

 

(vgl. oben in der Algorithmusdefinition: "Jede mit einem Algorithmus lösbare Aufgabe kann prinzipiell auch von einem Rechenautomaten [also Computer] gelöst werden.")

In meiner Darstellung wurde dabei bewusst auf eine gewisse Menschenverachtung angespielt: der Hilfsarbeiter als spottbilliger, beliebig (durch Roboter) ersetzbarer Idiot (also als "human ressource"), der völlig entfremdet vom Gesamtprodukt arbeitet. Er muss (soll?) gar nichts mehr verstehen, sondern einfach nur stumpfe Standardschritte ausführen (Module einsetzen).

Genau darin liegt auch das mathematische Problem:

Schön klar machen kann man das am mathematisch nun wirklich zentralen Begriff der "Funktionen"

(vgl. ):

MathematikerInnen interessiert doch
  • nicht der Einzelfall, also wie einem Wert (5) ein anderer (125) zugeordnet wird

  • sondern die blödsinnige Standard-Regel y = x3, nach der vielen x-Werten jeweils passende Werte y-Werte zugeordnet werden:

Und dann bleibt es Idioten überlassen, in diese allgemeine Regel wieder konkrete Werte (Module; also z.B. 5) einzusetzen.


Allerdings sollte in der Industrie wie in der Schule jeder mal "Idiotentätigkeiten" ausgeführt haben:

  1. , damit der Ingenieur die Hilfsarbeiter nicht verachtet,

  2. , damit der Ingenieur erfährt, was überhaupt praktisch machbar ist
    (viele Industrieprodukte - z.B. Haushaltsgeräte - sehen ja so aus, als hätten die Ingenieure sie nie praktisch ausprobiert, und ich würde beispielsweise jeden Konstrukteur eines Mixers verdonnern, ihn auch mal zu säubern),

  3. schon auf die Mathematik bezogen: weil ein einziges konkretes Beispiel oftmals alle falsche Theorie widerlegen kann,

  4. , weil einem (in der Mathematik) die allgemeinen Ideen oftmals überhaupt erst kommen, nachdem man einige konkrete Beispiele durchgerechnet hat.

Ist es nicht so oder so zynisch, von "Idiotentätigkeit" zu sprechen?:

Ich meine allerdings, dass man SchülerInnen gegenüber durchaus so mit offenen Karten spielen darf

("jetzt ist solange idiotisches Rechnen angesagt, bis aber auch jedeR es im Schlaf beherrscht"):


Die Schwierigkeiten, die sich zumindest beim ersten Lösen solch einer Aufgabe wie unten ergeben, lassen sich auch durch den Vergleich mit einem Puzzle erhellen:

(und doch, wie wir unten sehen werden, erstaunlich vielen)

Steinen ("Babyniveau"), dafür liegen sie aber nicht fertig vor, sondern wollen überhaupt erst gefunden bzw. hergestellt werden.


ein Aufgabenbeispiel

Das Beispiel ist entnommen aus:

Lambacher Schweizer 11, Mathematisches Unterrichtswerk für das Gymnasium; Ausgabe Nordrhein-Westfalen
darin: S. 121, Nr. 9 a) und c)

Es wurde bewusst solch eine Standardaufgabe gewählt, über deren Sinn und Zweck hier nicht diskutiert werden soll

(nur so viel: die Bestimmung von Normalen ist reine Schikane und hat nicht mal innermathematisch Nährwert - außer, um an den Haaren herbeigezogene Minimaxaufgaben zu stellen; oh jadoch, ich höre schon Widerspruch: die Normale sei aber doch enorm wichtig beim Einfalls-/Ausfallswinkel in parabelförmigen Antennen und Scheinwerfern):

Aufgabe:

Bestimmen Sie je eine Gleichung der Tangente und der Normalen an den Graphen von f in P(x0|f(x0))

a) f(x) = x - x3 ; x0 = 1       c) f(x) = x4 - 2x2 ; x0 = 2

Was an dieser Aufgabe ist so (geradezu langweilig) "Standard"?

  1. das Geforderte:
  1. die "Zutaten" und vor allem ihre Kombination:

Die Aufgabe ist auch in dem Sinne "Standard", dass sie

(zumindest dann, wenn noch nicht eine Serie solcher Aufgaben behandelt wurde)

vielen SchülerInneN ganz erhebliche Schwierigkeiten bereitet - und sei´s schon allein beim Textverständnis: die scheinbar doch so einfache, verkürzte Sprache ist nämlich für viele SchülerInnen keineswegs verständlich:

Wo für MathematiklehrerInnen alles hübsch einfach klar ist, verstehen viele SchülerInnen (gerade deswegen) nur noch "Bahnhof".

Ganz erhebliche Schwierigkeiten ergeben sich auch

  1. durch die Fülle des benötigten (aber nicht mehr ausdrücklich erwähnten) Vorwissens,

  2. bei der Zusammenstellung aller vorliegenden Informationen und

  3. deren sinnvoller Kombination.

Hier ist nicht der Platz zu beschreiben, wie im Unterricht der Weg zum Ziel gefunden werden könnte.

Aber es sei in einem ersten Schritt klar gemacht, aus welchen - noch unsortierten - Modulen (!) er besteht:


Module I: das Kochrezept

Hierfür sind im Unterricht durchaus hilfreich:

Denkbar wäre es doch, die "Zutaten-Kartons"

Ein solcher Karton könnte dann z.B. so aussehen:

(und inliegend könnte dann noch ein konkretes Beispiel liegen;
dieser Karton scheint mir nebenbei einer der wichtigsten in der gesamten Oberstufe zu sein:
er hilft an allen Ecken und Kanten

  • nicht nur in der Analysis,

  • sondern auch [leicht variiert] in der Vektorgeometrie)

Ein Kochrezept besteht üblicherweise aus

  1. der Liste der Zutaten und

  2. der Zubereitung(sreihenfolge)
    (denn schließlich klebt man die Panade nicht nach dem Braten ans Schnitzel).

zu a., also der Zutatenliste:

  1. die konkrete Gleichung der Funktion f, an deren Graph die Tangente t/Normale n gelegt werden soll,

  2. x0, also die x-Koordinate des Punktes P ( x0 |  ), durch den die Tangente t/Normale n gehen soll,

  3. die Ableitung von f, also f '

(und genau hier ging dann später alles schief: vgl.   )

  1. Geradengleichungen:

  1. d = - 1/m

  2. Berechnung der y-Koordinate von P als f(x0) , also P ( x0 | f(x0) )

  3. Einsetzen von x0 und f(x0) in t und n

  4. t bzw. n soll durch P gehen

P liegt auf t bzw. n

(wie oben bei sehr ähnlichen Puzzlesteinen angedeutet: zwei scheinbar banal ähnliche Aussagen, aber doch mit entscheidend anderen Sichtweisen)

die beiden Koordinaten von P erfüllen die Funktionsgleichungen von t und n

  1. n ist senkrecht zu t

  2. m = f ' (x0)

  3. Ableitungsregeln

  4. Lösen von Gleichungen

  5. last but not least: Grundvorstellungen vom Aussehen der Graphen ganzrationaler Gleichungen
    (und damit der rechnerischen Ergebnismöglichkeiten)

Ein Problem gleich zu Beginn ist, dass die Zutaten keineswegs problemlos der Aufgabenstellung zu entnehmen, sondern für "DurchschnittsschülerInnen" arg verborgen sind. Nur ein Beispiel ist die Abhängigkeit der Normalen- von der Tangentensteigung. Das sagt sich so einfach:

  1. d = - 1/m , wobei zudem

  2. m = f ' (x0) ,

aber da muss man erst mal drauf kommen, zumal von beidem ja nirgends in er Aufgabenstellung ausdrücklich die Rede ist.

Und wenn nur eine einzige Zutat fehlt (übersehen bzw. nicht entdeckt) wird, fällt der gesamte Kuchen in sich zusammen (gibt es keine Lösung).

Die Aufgabenstellungen sind also sozusagen für halbprofessionelle Köche gemacht: dass man Eischnee nicht untermixt,sondern unterhebt, wird nicht mal mehr erwähnt.

Die o.g. Liste ist natürlich erst mal Kraut und Rüben, aber keineswegs von mir willkürlich so durcheinander geschüttelt worden, sondern die reale Liste, wie sie sich in einer Klasse ergab.

Mit immerhin (sieht man mal von 13. ab) zwölf Punkten ist das schon eine ganz erstaunlich lange Liste, die klar macht, wie enorm viel SchülerInnen doch gleichzeitig parat haben und beherrschen müssen, um die doch noch relativ einfache Aufgabe zu lösen.

Es kommt eine andere, noch erheblich fatalere Schwierigkeit hinzu:

zu b), also der Zubereitung(sreihenfolge):

Dabei

Durch das Diagramm werden eine Fülle von Schwierigkeiten deutlich:

  1. musste die o.g. Zutatenliste erheblich umgeordnet werden

(z.B. braucht man ganz rechts 11. vor 3.)

  1. die drei Pfade (rot, violett, grün) sind unabhängig von einander gangbar - und müssen dann dennoch gleichzeitig in  8.  zusammen finden

(und dennoch erscheint es bei der Frage nach Tangente und Normale, also Geraden, sinnvoll, erst mal die allgemeinen Geradengleichungen aufzustellen, also mit dem roten Weg  4. - 9. - 5. zu beginnen)


Module II: Austauschen

Irgendwann sollten die SchülerInnen lernen:

"kennste eine, kennste alle",

d.h.:

Sie sollten lernen, ein Art "Computerprogramm" (natürlich ohne Programmiersprache) zu schreiben, das zu allen speziellen Funktionen und speziellen Werten von x0 die zugehörigen Tangenten- und Normalengleichungen "auswirft".

Eine Möglichkeit, um dahin zu kommen, bestünde darin, bei der Lösung von Aufgabe a)

schreiben zu lassen - so dass man letzteres für die Aufgabe c) nur noch ausradieren und ersetzen müsste.

Ich fange hier hingegen (um die Modultechnik zu zeigen) gleich allgemein an und setze erst später die konkreten Werte aus Aufgabe a) bzw. c) ein.

Das ist natürlich das erheblich schwierigere und wohl kaum pädagogische, aber doch eigentlich mathematische Vorgehen:

Berechnungen für die Tangente t

Berechnungen für die Normale n

    t: y =      m     x   + c               n: y =          d      x + e           
    n: y =           x + e
    t: y   = f ' (x0) x   + c                (*)   n: y    =  x  + e                   (*)
da P (x0 | f (x0) ) auf t liegt: da P (x0 | f (x0) ) auf n liegt:
   f (x0) = f ' (x0) x0 + c    f (x0) = x0 + e
   f (x0)f ' (x0) x0 = c    f (x0)  - x0 = e
Einsetzen für c in die Gleichung (*) ergibt: Einsetzen für e in die Gleichung (*) ergibt:
    t: y = f ' (x0)   x   + f (x0)f ' (x0) x0   (**)   n: y =    x + f (x0)  - ( ) x0    (**)

Mit den Modulen

als einzigen "Zutaten" ergeben sich also in geschickten Kombinationen die Geradengleichungen

  t: y =         x   +      

    y =          m           x   +                              c

 n: y = - x  +   - (-)•

    y =            d          x  +                                  e

Wohlgemerkt: nach Wahl von f und x0 liegen dann nur noch die Variablen x und y und damit typische Geradengleichungen vor.

Der Vorteil der "Modultechnik" in den Gleichungen (**) ist nun aber, dass damit

errechnet werden können, mit der jeweiligen Gleichung also unendlich viele Fälle "erschlagen" sind.

(vgl. )

Nun zu den konkreten Aufgaben:

  1. f(x) = x - x3 ; x0 = 1      

f(x0) = f (1) = 1 - 13 = 1 - 1 = 0, insgesamt also f (x0) = 0

f ' (x) = 1 - 3x2 f ' (x0) = f ' (1) = 1 - 3•12 = 1 - 3 = - 2, insgesamt also f ' (x0) = -2

Für die oben erarbeiteten Module ergibt sich also:

= 1             = 0                = -2

Einsetzen in die Modulgleichungen ergibt

Insgesamt erhalten wir also die höchst einfache Tangenten(geraden!)gleichung

t:  y =            -2             x   +                                 2

Insgesamt erhalten wir also die höchst einfache Normalen(geraden!)gleichung

n:  y =            1/2           x   -                                 1/2

  1. f(x) = x4 - 2x2 ; x0 = 2

f(x0) = f (2) = 24 - 2•22 = • 16 - 2•4 = 4, insgesamt also f (x0) = 4

f ' (x) = 3x3 - 4x f ' (x0) = f ' (2) = 3•23 - 4•2  = 16, insgesamt also f ' (x0) = 16

Für die oben erarbeiteten Module ergibt sich also:

= 2             = 4                = 16

Einsetzen in die Modulgleichungen ergibt

Insgesamt erhalten wir also die höchst einfache Tangenten(geraden!)gleichung

t: y =            16             x   -                                 28

Insgesamt erhalten wir also die höchst einfache Normalen(geraden!)gleichung

n: y =           -1/16          x   +                                 4,125