Realismus und Optimismus
"Non scholae sed vitae discimus — »nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir«. So prangt es noch über der Pforte so manchen deutschen Gymnasiums. Für das Leben? Schüler sehen das meist anders. Zumindest dort, wo keine akute Armut herrscht, lassen sich die wenigsten ihre Kindheit durch Reflexionen über ein Leben nach der Schule verleiden. Und das ist keinesfalls ein Phänomen der Spaßkultur unserer Tage. »Es ist ganz gegen den Charakter der Jugend, sich Vorstellungen zu machen, was sie in diesem oder jenem zukünftigen Fall würde erlernt haben müssen«, befand bereits der preußische Philosoph Friedrich Schleiermacher in seinen Grundzügen der Erziehungskunst von 1826. Nein, Schüler haben wirklich andere Sorgen als die Zukunft jenseits der nächsten Klassenarbeit. Sie lernen nicht für das Leben. Im günstigsten Fall lernen sie, weil sie der Unterricht interessiert, im ungünstigsten, um Sanktionen seitens der Erziehungsberechtigten zu vermeiden." |
Oftmals grassiert eine einseitige Gegensätzlichkeit auch in methodischen Fragen: da sind
auf der einen Seite die allzu optimistischen Ultramodernen , die
jede konventionelle Pädagogik (fragend-entwickelnd, Lehrervortrag usw.) als veraltet abwerten,
nur noch auf "neue" Methoden vertrauen - und diese geschichtsblind meist fälschlich für Weltneuheiten halten
(in Wirklichkeit sind die meisten brauchbaren Methoden uralt, also z.B. von Sokrates, Pestalozzi oder den Reformpädagogen; was nicht heißt, dass es sich nicht lohnt, sie immer wieder neu zu betonen);
im Computer die Lösung sämtlicher Probleme
und in jedem schüchternen Hinweis auf die raue Schulwirklichkeit ein "Killerargument" sehen;
auf der anderen Seite die allzu pessimistisch "Konservativen" , die
ihre Resignation als Realismus ausgeben und meinen, man könne und solle auch (u.a. trotz veränderten Schülerverhaltens) nichts methodisch ändern, sondern nur wieder vermehrt Druck ausüben;
meinen, nicht nur eine neue Methodik (abwertend "Kuschelpädagogik" genannt), sondern überhaupt jede Methodik sei überflüssig,
die also nicht merken, dass sie selbstverständlich auch eine (meist konventionelle) Methode anwenden, nur eben tagein, tagaus dieselbe:
"Man kann nicht keine Methode haben."
Schulpädagogik lässt sich nur schwer bewegen, und das hat seine mehr oder weniger guten Gründe:
mag solche Schwerfälligkeit manchmal auf Denkfaulheit oder schlichter Gewöhnung beruhen (es fällt einem gar nichts anderes mehr ein);
die "alten" Methoden sind ja so schlecht auch wieder nicht - wenn auch wohl einseitig;
der Stoffdruck zerstört viele methodische Ansätze;
im "Eifer des Gefechts", also bei einem Stundenkontingent von bis zu 26 Stunden zuzüglich Vorbereitung und den Korrekturbergen, haben KollegInnen schlichtweg gar nicht die Zeit (und den Kopf frei) für umfassende methodische Überlegungen.
(Das nämlich war ja schon oftmals der Nachteil des Referendariats: dass da
zwar begrüßenswerterweise junge, vermutlich noch denkoffene KollegInneN zu methodischen Neuerungen ermutigt und angeleitet wurden,
aber kaum eine Vorbereitung auf den schulischen Alltag stattfand
[Vermittlung konkreter stofflicher Probleme, Arbeitsbelastung, manchmal desinteressierte oder gar aufsässige SchülerInnen]:
man lernte Hochglanz- und Vorzeigestunden, die im Alltag so nicht durchhaltbar waren, und leider verloren viele nach dem ersten Praxisschock jeglichen Glauben an und Mut zu Neuerungsmöglichkeiten.)
Wenn man gleichzeitig
einerseits realistisch die Begrenztheit pädagogischer Möglichkeiten,
andererseits aber optimistisch Verbesserungsmöglichkeiten (und -notwendigkeiten) sieht,
so wird man vor allem nach partiellen Verbesserungsmöglichkeiten suchen müssen:
methodische Neuerungen vorerst nur in einzelnen Unterrichtsphasen oder Klassen
(z.B.:
der derzeitige Stoff legt einen neuen methodischen Zugang besonders nahe - und danach werde ich vorerst wieder zu "Standardunterricht" übergehen;
ganz besondere Mühe gebe ich mir mit sehr jungen, noch "bildsamen" SchülerInneN);
möglichst kleine, ohne große Umstand (Vorbereitung) umsetzbare methodische Details, wie sie hier in den "Methödchen" angedacht und vorgeschlagen werden.