Vorwort
 

 

"Da man die todlangweiligen Vorlesungen früherer Professoren noch in Erinnerung hatte, die Jahr um Jahr wortwörtlich dasselbe vortrugen, berief der [französische] Konvent [im Jahr 1794] schöpferische Mathematiker als Lehrer und verbot ihnen, beim Vortrag irgendwelche Notizen zu verwenden. Die Vorlesungen waren stehend zu halten (anstatt halb eingeschlafen am Pult zu sitzen), und sie sollten ein freier Austausch von Fragen und Erklärungen zwischen dem Professor und seiner Klasse sein. Es war die Aufgabe des Vortragenden, die Vorlesung nicht in eine fruchtlose Debatte ausarten zu lassen.
Der Erfolg dieses Plans übertraf alle Erwartungen und führte zu einem der glänzendsten Zeitabschnitte in der Geschichte der französischen Mathematik und Naturwissenschaften.
"
(E.T. Bell in "Die großen Mathematiker")

 

Ich kann und will hier keine "Instant- und Pauschalmethoden" anbieten, sondern bezwecke eher ein langsames, situatives Umdenken. Kein Wunder also, dass meine Texte notgedrungen "The Long And Winding Road" sind.

(Wer also [noch] lesen kann, der lese! Meine Empfehlung:

  • kurz überfliegen, ob der Inhalt überhaupt interessiert,

  • dann ausdrucken

  • und dann erst ganz lesen
    [am Bildschirm kann man sowieso nicht richtig lesen, bzw. der Computer ist nur für Kurztexte (die neue Sprachlosigkeit) geeignet].)

Heute ist

(schizophren mit neuem Leistungsdruck verquirlt)

viel von "Selbstlernen" die Rede, was allerdings

(letztlich muss man, wenn man denn schon lernt, sowieso selbst lernen, es also irgendwie in den eigenen Kopf baggern),

("wir müssen es irgendwie »konstruktivistisch« in die Köpfe der SchülerInnen [dann eben doch:] reinhämmern"),

("hier hast du eine CD, auf der dir alles vorgemacht wird - und nächste Woche ist Klausur; schau selbst, wie du das in deinen Kopf reinkriegst").

Zwar möchte ich mit meinen "Methödchen" einige Ideen entwickeln, wie vielleicht doch hier und da sowas wie "Selbstlernen" möglich ist. Ansonsten gebe ich aber immerhin offen zu, dass ich gar nicht so recht weiß, was dieses "Selbstlernen" eigentlich ist und wie es funktioniert - und fange daher einen Schritt vorher an:

Vgl. .

Die hier vorliegende Beschäftigung mit methodischen Möglichkeiten baut auf zwei Prämissen auf:

  1. der grundsätzlichen Sympathie mit solchen Wegen:
    sie sind

  1. der dringenden Kombination von Realismus und Optimismus.

Höchst suspekt sind "gruppendynamische Spielchen", die anderweitig

(zur Auflockerung des Unterrichts oder für nicht-fachliche [z.B. Erziehungs-]Aspekte des Unterrichts)

durchaus wichtig sein mögen, aber auch allzu leicht

Probeweise sei sogar die These aufgestellt, dass eine Methode

Methoden hingegen, die in allen Fächern brauchbar sind (oder auch überall in der Mathematik), stehen im Verdacht, völlig beliebig bzw. nur noch Selbstzweck zu sein.

Es ist wieder mehr darauf zu bestehen, dass

dasselbe sind:

 

die beste Methode, um Mathematik zu lernen (lehren), ist, methodisch an ein mathematisches Problem heran zu gehen.

Von keiner der in  "konkrete Methödchen" angedachten Ideen wird behauptet, dass sie

  1. eine Weltneuheit,
  2. ein Patentrezept
  3. ganz besonders "selbstlernend"

sei.

Angeführt werden vor allem solche "Methödchen", die in methodischen Standardwerken

(die mir fast durch die Bank zu pauschal arbeiten, nämlich nicht an konkretem Stoff den Beweis führen, dass die Methode da sinnvoll ist)

kaum zu finden sind.

Die meisten hier vorliegenden Texte sind zweiteilig:

Methoden dürfen keine "Tricks" sein, weil bei "Tricks" immer etwas Hinterhältiges und Täuschung mitschwingt (vgl. Taschenspielertricks): Es geht eben gerade nicht darum, SchülerInnen zu überrumpeln, sondern vielmehr darum, ihnen Prozesse sichtbar zu machen.

Ebenso wenig dürfen Methoden zu "Gags" verkommen, die schneller langweilig werden als jeder konventionelle Unterricht:

Die Gefahr des Gags bzw. nur Anekdotenhaften liegt etwa bei mathematischen Geschichten und Unterrichtsritualen nahe. Es wäre also jeweils genau zu fragen, wann solche Minimethoden (auch altersgemäß) angemessen sind und eine bezweckte Erkenntnis fördern - und wann nicht.

Außerdem darf es nicht zu einem Potpourri von Minimethoden (um ihrer selbst willen) kommen: SchülerInnen brauchen auch methodische Verlässlichkeit, und wenn die Schule versuchen sollte, die Kurzlebigkeit und Sensationsgier der Medien zu imitieren, wird sie sowieso den Kürzeren ziehen ("so gut wie Michael Jackson werden wir nie").

Mit den kleinen Aufsätzen hier soll nur dafür geworben werden, wenigstens ab und zu (an "Gelenkstellen") pädagogische Überlegungen explizit zu reflektieren, weil nur so Entscheidungsverläufe (statt nur Ergebnisse) sichtbar werden und eine Kommunikation darüber möglich ist.

Damit soll keineswegs unterstellt werden, dass solche pädagogischen Reflexionen sonst nicht stattfinden. Vielmehr kommen sie sonst nur meistens nicht zu "Worte", und zwar u.a. deshalb nicht, weil LehrerInnen durch die längst unerträgliche Unterrichtsbelastung kaum Zeit zu solchen (expliziten) Reflexionen haben und daher, wenn sie schon nicht Standardunterricht halten wollen, auf schnell umsetzbare neue Ideen angewiesen sind.

Mit den hier angeführten kleinen (wenn auch langen) Vorschlägen wird unterstellt, dass

Die "Methödchen" haben einen allemal entscheidenden Vorteil: sie sind meist umstandslos im "normalen" Unterricht einsetzbar (die eine hier, die andere dort) und bedürfen daher keiner großen - unmöglichen? - Veränderungen und Umorganisationen. Vgl. auch "Nano-Methödchen".

Einzige Voraussetzung ist ein wenig situationsabhängige Phantasie.

Damit machen diese "Methödchen" Mut zu kleinen Veränderungen (vgl.  "Realismus und Optimismus"), ja lassen diese vielleicht überhaupt erst möglich erscheinen.

All das schließt nicht aus, dass ich in "Selbstlernen radikal" auch mal umfassende und - wie mir scheint - dringend nötige Veränderungen andenke.

Da methodische Überlegungen ganz grundsätzlich konkretisiert werden müssen; da ich aber nun mal derzeit nur Matheunterricht in der Mittelstufe bekomme, stammen fast all meine Beispiele eben aus der Mittelstufe. Die daraus resultierenden Bemerkungen scheinen mir aber oftmals problemlos auf viele Oberstufenstoffe übertragbar.
Zudem haben Mittelstufenbeispiele den Vorteil, dass der (zumindest aus Lehrersicht) relativ leichte Stoff nicht so schnell von der Methodik ablenkt. MathematikerInnen neigen nämlich verständlicherweise dazu, sich am interessanten Stoff aufzuhalten - und darüber die Pädagogin bzw. den Pädagogen in sich, also die Methoden zu vergessen.

Mir scheint aber fast, dass Verbesserungen - wenn überhaupt - eher in der Unter- und Mittelstufe möglich sind, da da die Mathematik noch nicht so rigide ist.

Ich lasse den methodischen Einsatz von Computern hier bewusst weitgehend raus:

  1. reden da schon viele andere drüber
    (wenn auch zu 99 % nicht im Hinblick auf die Methodik:

  1. wird fast nur noch darüber geredet ( "Manko Lehrerfortbildung"),

  2. wird oftmals allzu leicht vorausgesetzt (was allerdings keiner zugibt), dass der Computer ein Patentrezept und bereits eine Methode sei
    (eine kritische Reflexion der Computer bleibt meistens in Phrasen hängen, und somit wird der Computer [und nicht erst seine Anwendung] geradezu gefährlich: "the medium is the message"),

  3. ist also dringend an die "restlichen" bzw. eigentlichen Methoden zu erinnern.

Ich halte also den Computer für methodisch völlig irrelevant, was ja nicht ausschließt, dass man ihn ab und zu aus grundsätzlich vorgelagerten methodischen Überlegungen als Werkzeug einsetzt.