die lieben Eltern
Vgl. auch Lieber Gott, gib mir für den Fall, dass mein Sohn in einigen Jahren die Schule durchstehen muss und dort einiges schiefläuft, Weisheit, damit ich
Erleuchte mich des weiteren, dass ich
Gib mir zuguterletzt die weise Selbstbeschränkung, dass ich, selbst Lehrer, nicht andauernd anderen LehrerInneN sage, wo's lang und wie's besser geht.
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Vorweg: es liegt mir wahrhaft fern, das teilweise enorme Leiden von SchülerInneN
(und damit oftmals auch von Eltern)
an Schule
(der Institution, aber auch an MitSchülerInneN)
und (Einzel-)LehrerInneN zu leugnen oder auch "nur" zu verharmlosen.
"über Eltern spricht man nicht"
(oder zumindest nicht öffentlich bzw. höchstens in allgemeinen Phrasen
["Die Eltern von heute sind auch nicht mehr das, was sie mal waren."];
... und sowieso verbietet sich jede öffentliche Äußerung über konkrete Eltern!)
Überhaupt habe ich bislang wenig Anlass, über Eltern von SchülerInneN zu klagen
(... aber sie über mich?).
Aber man stelle sich mal vor, ein Lehrer zöge öffentlich über Eltern genauso vom Leder wie die Mutter Lotte Kühn [welch hübsches Pseudonym für Gerlinde Unverzagt (!)] es in ihrem Buch mit dem reißerischen (Unter-)Titel über LehrerInneN getan hat
(vgl. ; und in diesem Sinne finde ich Kühns Buch "als Lehrer durchaus lesenswert").
Kein Zweifel, dass, wenn ein Lehrer sowas täte, das einen sich rasant ausweitenden öffentlichen Skandal bis in die einschlägigen Medien gäbe und der Lehrer schnell von vorgesetzter Stelle gemaßregelt und vermutlich sogar "rausgeschmissen" würde.
Und das wäre (ausnahmsweise!) auch gut so, denn
sitzen LehrerInnen gegenüber SchülerInneN und Eltern oftmals doch am längeren (Zensuren-)Hebel und müssen sich daher auch mehr (öffentliche???) Kritik gefallen lassen,
wäre eine Pauschalverurteilung "der" Eltern nicht nur unfair, sondern auch schlicht unangebracht.
Anders gesagt: ich bin mir durchaus bewusst, wie gefährlich es ist, dass ich hier überhaupt über "die" Eltern schreibe. Es wird immer welche geben, die sich "den Schuh anziehen" und Einseitigkeiten raushören wollen (in ihrer Rage keine Differenzierungen wahrnehmen können).
Nebenbei: selbstverständlich gibt es - wie in allen anderen Berufen! - auch unter LehrerInneN fachliche und menschliche Flaschen, die deshalb zum Schutze der Jugend besser nie LehrerInnen geworden wären.
(Es ist nicht mein Amt, mich hier selbst einzuschätzen.
Fast genauso skeptisch bin ich allerdings bei den - meist durchaus freundlichen - ewigen Langeweilern.)
Und einige stockkonservative oder vollends resignierte Kollegien sehen tatsächlich komplett so aus, als seien sie einem Fellini-Film entsprungen.
(Nunja, schön sind wir alle nicht.)
Kein Zweifel, dass eine vermehrte Einbeziehung der Eltern
(und - man höre und staune - sowieso der SchülerInnen!)
in die Schule "eigentlich" wünschenswert wäre:
ein "Erziehungs-Solidarpakt" von Eltern und Schule
(oder machen sich Eltern damit zu Bütteln staatlicher Maßnahmen?),
aber auch eine Einbeziehung elterlicher (u.a. beruflicher) Fähigkeiten in den Unterricht.
Dazu gehört auch, dass LehrerInnen - beschränkt durch selbstverständliche Diskretion - sehr viel mehr über die Familien der SchülerInnen Bescheid wissen müssten. So ist es doch beispielsweise skandalös, wenn LehrerInnen nichts über massive Probleme in Elternhäusern (z.B. auch Todesfälle) wissen, sondern - wenn's hoch kommt - überhaupt erst davon erfahren, wenn sie SchülerInnen bereits haben "sitzen" lassen ("wenn ich das gewusst hätte ...").
Aber woher bei ca. 30 SchülerInneN in jeder Klasse und insgesamt ca. 180 SchülerInneN in allen unterrichteten Klassen zusammen die Zeit, aber auch Aufmerksamkeit dafür nehmen?
Ich rede hier sowieso nicht über die 63,27 % aller Eltern, die "schwer in Ordnung" sind.
("Schwer in Ordnung" heißt für mich keineswegs "leisetreterisch", sondern damit meine ich diejenigen, die
mich in Ruhe lassen :-)
[oder in GROSSBUCHSTABEN: I-R-O-N-I-E!],
sich nicht überengagieren [in ausnahmslos alles reinhängen],
sondern im Regelfall aus der Distanz zusehen und die Schule aus solcher Distanz solidarisch unterstützen,
aber durchaus bei "Elternaufgaben" einzuspringen bereit sind
und im Konfliktfall zwar sehr wohl ihr Wort zu tun fähig sind, aber - zumindest anfangs - dabei Ton & Anstand wahren.
"Zumindest anfangs" impliziert, dass ich Eltern selbstverständlich zugestehe, nach erfolglosen ersten freundlichen Versuchen dann doch sukzessive massiver gegen LehrerInnen vorzugehen, die "menschlich" grob falsch gehandelt haben.
[Nur befürchte ich eben auch, dass sich solch massiver Protest oftmals gerade gegen die falschen (schwächeren) LehrerInnen richtet - und ihnen das Leben zur Hölle macht.]
Ich meine mit "schwer in Ordnung" also nicht jene Eltern [die ich aber allemal verstehen kann], die auf Elternabenden und -sprechtagen so eingeschüchtert vor einem sitzen, als drückten sie selbst wieder die Schulbank.
Das Schlimme [und für LehrerInnen Sterbenslangweilige] an Elternsprechtagen ist ja oftmals, dass es - auch mangels Hintergrundwissen über die SchülerInnen - reine "Verlautbarungsveranstaltungen" sind: die Lehrkraft benennt in wenigen Minuten den Leistungsstand der SchülerInnen und gibt dann eventuell noch einige arg allgemeine "pädagogische Tipps" ["Lernkartei"]. Solange das so läuft [leider laufen muss?], wäre es fast ehrlicher zu sagen:
15 h: Versammlung der Eltern aller faulen SchülerInnen in der Aula,
16 h: Versammlung der Eltern aller schüchternen SchülerInneN in der Aula,
...
Wo wir aber schon bei Elternabenden und -sprechtagen sind: es ist das gute Recht der Eltern, einfach nur mal die Nasen der LehrerInnen sehen zu wollen, von denen ihre Kinder andauernd reden. Schlimm wird's aber, wenn Eltern nur deshalb kommen [wie ich vielfach von Eltern gehört habe], weil sie meinen [müssen?], ihr Nichterscheinen könne sich an ihrem Kind rächen, weil es dann nie wahrgenommen würde.
[Nebenbei: damit aber auch ja kein Unterricht ausfällt, dürfen Elternsprechtage ab sofort nur noch am Sonntagmorgen ab 7 Uhr stattfinden (an katholischen Schulen mit vorheriger Messe um 6 Uhr).]
Einer der größten Skandale insbesondere in Deutschland besteht ja laut PISA darin, dass - sehr vereinfacht gesagt - "Professorenkinder" bei gleicher Intelligenz erheblich bessere Schulzensuren bekommen als "Arbeiterkinder". Mir scheint, dass das auch daran liegt
[womit ich nur zu verstehen, nicht zu entschuldigen versuche],
dass
die Professoren öfter auf Elternabenden und -sprechtagen auftauchen,
viel eher dazu neigen, LehrerInnen unter mehr oder minder deutlichen Druck zu setzen
[eine Mutter sagte mal allen Ernstes zu mir: "mein Kind kann in Deutsch gar nicht »ausreichend« stehen, da wir in der Verwandtschaft einen Germanistikprofessor haben"].
Man [als LehrerIn] weiß da einfach mehr über die Eltern, schaut [evtl. auch aus Angst vor den Eltern] genauer hin - und sei's mit dem latenten Vorurteil "Professorenkinder werden wohl auch tatsächlich intelligenter sein, und sei's einfach, weil sie zuhause besser gefördert werden."
Das Genau-Hinschauen kann allerdings auch negativ ausgehen. Eventuell bemerkt die Lehrkraft dann nämlich auch, dass einE SchülerIn
gerade nicht dem gesellschaftlichen Klischee entspricht.[Man sieht nur, was man sehen will!? Ein Beispiel: bei einem ziemlich "punkig" gekleideten Kellner in einer Kneipe
sagte ein Kollege mal: "Der kann doch nur dumm sein",
während ich dachte: "Ich wüsste doch gerne, ob der genauso unkonventionell denkt, wie er aussieht."
Und beispielsweise scheint mir auch (oder mache ich mir vor?), dass SchülerInnen, die mir besonders sympathisch sind, es bei mir gerade deswegen eher schwieriger haben, weil ich mir nicht nachsagen möchte, dass ich ihnen allein wegen solcher Sympathie gute Zensuren gebe.])
Wenig reden kann ich auch über jene (zunehmende [?] Zahl an) Eltern, die sich aus der (nicht nur schulischen) "Erziehung" ihrer Kinder völlig raushalten und (notgedrungen?) die Schule mit den (zunehmenden?) Erziehungsaufgaben
(und ihre Kinder mit Lehrerproblemen!)
allein lassen - oder solche "Erziehung" dreist von der Schule einfordern?
(Ich meine ja überhaupt - und nicht nur in der Schule - einen Trend dahin zu beobachten, dass eigene Verantwortungen "projiziert" und Fremdleistungen eingeklagt werden.)
Ich hatte oben geschrieben:
"Kein Zweifel, dass eine vermehrte Einbeziehung der Eltern in die Schule »eigentlich« wünschenswert wäre."
Die kleine Einschränkung "eigentlich" rührt daher, dass LehrerInnen es mit so einigen Eltern "wahrhaft auch nicht leicht haben :-)":
wie schon oben gesagt: Eltern, die selbst LehrerInnen sind und damit sozusagen qua Amt alles besser wissen
("Die Rache der Entnervten"? - Ausnahmen bestätigen die Regel),
überbesorgten "Muttertieren"
(manchmal scheint mir,
die Welt teilt sich grob [und zunehmend] in unterversorgte Kinder einerseits, überversorgte Kinder andererseits - und den "normalen" Rest,
die überbesorgten Eltern haben nur allzu gut begriffen, wie knallhart heute soziale Auslese [auch in der Schule] läuft;
nebenbei: Väter tauchen ja sowieso nur selten auf, sei's, weil sie [so ist es leider meist noch] ganztags arbeiten müssen, sei's, weil sie sich fein aus jeder Erziehung raushalten),
Eltern, die bereits mit hochrotem Kopf in den Raum gestürmt kommen
(man braucht ewig lange, um überhaupt herauszufinden, was sie wollen)
und dann nicht im mindesten zuhören,
Eltern, die mit der
(was für ein Name!: "Bereinigte Amtliche Sammlung der Schulvorschriften NRW", etwa 10.000 Seiten)
unterm Arm reinkommen und ausnahmslos auf "Recht und Gesetz" (Richtlinien und Lehrpläne) pochen,
Eltern, deren Kinder "natürlich" hochbegabt sind
(vgl. auch den - allerdings systematisch missverstandenen - Text sowie ;
und dennoch würden [werden?!] zwei "Dinge" vermutlich auch mich in den "Wahnsinn" treiben:
wenn mein Kind seine [ganz normalen] Potentiale brach liegen ließe,
wenn das schulische System [mehr noch als schlechte EinzellehrerInnen!] systematisch dafür sorgen würde),
Eltern (vgl. ebenfalls schon oben), die bedingungslos zu ihren Kindern halten, selbst wenn diese wirklich mal "Mist gebaut" haben; also solchen Eltern, die systematisch jede (und zwar sogar sinnvolle) "Erziehungsmaßnahme" der Schule untergraben
(ich kenne z.B. ein Elternpaar, das seinen Kindern permanent vermittelt, dass LehrerInnen "sowieso" ausnahmslos Idioten und daher per se nicht ernst zu nehmen, also Freiwild sind);
Eltern (vgl. ebenfalls oben), die selbst nicht mehr erziehen (können), aber solche Erziehung von der Schule einfordern (und das auch noch als ihr Recht ansehen bzw. ausgeben),
Eltern, die ganz offensichtlich nur nicht von ihren eigenen, als traumatisch empfundenen Schulerfahrungen loskommen
("schon damals" waren "die" LehrerInnen an allem schuld, bzw. man hat nie souveränen Abstand gewonnen - ist also selbst nie erwachsen geworden?),
Eltern, die meinen, Schule müsse wieder (!) viel härter werden - nur nicht bei ihren eigenen Kindern,
die "warum-soll-die-Jugend-es-besser-haben?"-Eltern
(oh die armen, meist völlig verschüchterten SchülerInnen, die von ihren Eltern mit auf die Elternsprechtage geschleift und dann von Lehrer- und Elternseite in die Mangel genommen werden!
[bis hin - wie ich es ein einziges Mal erlebt habe - zu Schlägen "danach" direkt vor der Tür]
- wobei das Erscheinen von Eltern mit Kindern natürlich auch positiv sein kann: "wir reden nicht hinter deinem Rücken über dich" sowie eine Vorbereitung darauf, dass die Kinder zunehmend Eigenverantwortung übernehmen - und in der Oberstufe alleine [und überhaupt] auf "Eltern"-Sprechtagen erscheinen),
(es gibt sie tatsächlich, jene Eltern, bei denen man, sobald sie reinkommen, sofort denkt: "jetzt wundert mich bei ihren Kindern gar nichts mehr"
... was auch im positiven Sinne gilt: wenn SchülerInnen "schwer in Ordnung" sind, denke ich oft auf Elternsprechtagen: "bei den Eltern ist das ja auch kein Wunder";
aber genauso gibt es natürlich auch rundum "nette" Eltern, bei denen man nicht verstehen kann, dass ihre Kinder so aus dem Ruder laufen),
eher selten: Eltern, die jede Gelegenheit nutzen, gegen Schulen und LehrerInnen formaljuristisch vorzugehen
(auch ein sich ausweitender "gesamtgesellschaftlicher" Trend?: es geht nicht - was für eine fatale Botschaft an die Kinder! - darum, Recht zu haben, sondern darum, Recht zu behalten: ),
ganz selten: Eltern, die offensichtlich ihre eigenen meterdicken psychischen Probleme (bis hin zur Paranoia) längst an ihre Kinder weitergegeben haben.
(Eine der tragischsten Erfahrungen im Lehrerberuf ist es, weitgehend hilflos mit ansehen zu müssen, wie einige sogar sehr junge SchülerInnen schon "sonderbar" und dann fast automatisch völlig vereinsamte Außenseiter sind.
Allerdings darf man Eltern genauso wenig pauschal für die Irrwege ihrer Kinder in "Sippenhaft" nehmen wie umgekehrt. Der Vorwurf "schlechte Erziehung" kommt einigen allzu sicheren Leuten doch allzu leicht über die Lippen - und leugnet
jede individuelle Entwicklung [also auch Entgleisungsmöglichkeit],
alle "gesamtgesellschaftlichen" Miterzieher [Medien, Cliquen ...], auf die Eltern wenig [immer weniger?] Einfluss haben.)
einem Vater, der mit bereits laufendem Diktaphon herein kam
(was ich allerdings erst einige Zeit später
bemerkt habe),das gesamte Gespräch aufnehmen wollte und keinerlei Verständnis dafür hatte
("Sie haben doch nichts zu verbergen - oder ...?"),
dass ich da nach einer Begründung verlangte und zumindest um Zustimmung gefragt werden wollte.
Es ist nach wie vor
ein Tabu unter LehrerInneN
(man klagt zwar viel, gesteht aber nie Ängste und Schwächen ein)
und für Nicht-LehrerInnen vermutlich sowieso kaum vorstellbar,
dass
(auch "gute")
LehrerInnen teilweise massive Angst vor einigen Eltern haben.
Kleine Mitteilungen aus dem September 2006:
Auf einem Elternabend in der Grundschule forderten die Wortführer
(und die setzen sich immer durch!),
dass bittschön jede Woche je eine Mathe- und eine Deutscharbeit geschrieben werde.
Auf einem Elternabend im Kindergarten bemängelten die Wortführer, dass die Kinder viel zu viel (und auch noch draußen!) spielen würden - und wo eigentlich Englischunterricht und Computer blieben?
Meine Privaterklärungen für solches Verhalten:
gerade jene Eltern, die so tolldreist-fordernd auftreten, haben eine riesige (verständliche!) Angst vor dem sozialen Abstieg ihrer Kinder
und/oder ihnen fehlt (von Geburt an?) jegliches Gespür für Kindlichkeit.
Ein weiterer kleiner Nachtrag:
Sowas wird natürlich nie laut oder gar mit Nennung der Schule, also sozusagen offiziell gesagt, sondern nur "gemunkelt", und dementsprechend vorsichtig muss man natürlich mit solchen Gerüchten sein. Dennoch muss es eben doch mal laut gesagt werden:
Es gibt angeblich Schulen
(insbesondere mit SchülerInneN aus sogenannten "besseren", also z.B. Rechtsanwaltelternhäusern),
an denen die LehrerInnen in permanenter Angst vor Widerspruchsverfahren durch Eltern leben. Und deshalb soll - ebenso angeblich - ein Schulleiter seine LehrerInneN hinter vorgehaltener Hand angewiesen haben: "Geben Sie grundsätzlich keine 5en oder gar 6en mehr, denn ich habe einfach keine Lust mehr, die Hälfte meiner Zeit mit Widerspruchsverfahren zu verbringen."
(Es gibt ja gute Gründe dafür, SchülerInnen nicht [mehr] mit 5en und 6en "abzusägen", aber die Angst vor Widerspruchsverfahren ist doch der denkbar schlechteste Grund dafür.)