Ess-Störungen

 

Ich habe ja gar nichts gegen die neue Rechtschreibung

(außer bei der

  • blödsinnigen neuen Getrenntschreibung

  • und Nicht-mehr-Abtrennung der erweiterten Infinitive mit "zu"),

aber bei "Essstörungen" mit seinen drei "s" nacheinander wird´s doch arg unübersichtlich und ist mir

  • die Getrenntschreibung, also "Ess-Störungen", lieber

(sowieso ist das Ende der hübsch bescheuerten deutschen Endloswörter längst sicher)

  • oder die alte Schreibweise "Eßstörungen"

(obwohl man sich an die neue Schreibweise doch umstandslos gewöhnt: letztens habe ich bereits gestaunt, dass "Russland" mal "Rußland" geschrieben wurde, und ich war fast versucht, da das "u" - entsprechend der neuen Bedeutung von "ß" - lang zu sprechen, also "Ruuuuuuuuußland".)

Sie wissen nicht, was Sie bei der nächsten Bundes- bzw. Landtagswahl wählen sollen?

Is' auch - zumindest bildungspolitisch gesehen - Jacke wie Hose, denn

  1. wechselt nur das Aushängeschild

(die Ministerin, denn Bildung dürfen bei uns sogar Frauen machen - weil sie

während die Kultusbürokratie sich ewig weiter fortzeugt,

  1. machen die (etablierten) Parteien inzwischen eh alle in gnadenloser Phantasielosigkeit dasselbe, also

SPD: Strafen für Elternsprechtage in der Unterrichtszeit

Düsseldorf (dpa) - Schulen, die Elternsprechtage, Fortbildung oder Feiern während der regulären Unterrichtszeit abhalten, müssen aus Sicht der SPD bestraft werden. "Es geht nicht mehr ohne Sanktionen", sagte die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, Hannelore Kraft, am Mittwoch.

Nachdem der Unterrichtsausfall nun schon zwei Jahre lang unverändert bei 5 Millionen Stunden jährlich liege, obwohl Tausende neuer Lehrerstellen geschaffen worden seien, müsse gehandelt werden, betonte die Sozialdemokratin. Die Zeit fruchtloser Appelle sei vorbei. Im Schulgesetz heißt es, Elternsprechtage seien "in der Regel" außerhalb der Unterrichtszeit anzusetzen.

noch fanatischer als die regierende CDU Bild ),

("Um auf die von der Kultusministerkonferenz als Minimum festgelegte Anzahl von 265 Wochen-Unterrichtsstunden pro Schüler auch bei der Verkürzung der Schulzeit zu kommen, wird die Stundentafel erweitert: im 5. Jahrgang sind 29 Pflichtstunden zu erteilen, und dies steigert sich über 30 (Jg. 6) und 32 (Jg. 7 und 8) auf 34 Stunden (Jg. 9 und 10) [...]"
[zitiert nach
Bild ]

Wie - mal ernsthaft gefragt - sollen 34 Stunden, also z.B.

Montag
Religion
Sport
Geschichte
Fachchinesisch
Mathematik
Erdkunde
Deutsch

denn noch Spaß machen? Sollen sie wohl auch nicht!

Bild)

und des Stoffdrucks.

Vgl. auch

DIE ZEIT

29/2005 

Vorwärts in Eintracht

Nach dreißig Jahren ist der Kulturkampf um die Bildung vorbei. Schwarze und Rote modernisieren die Schule nach den gleichen Rezepten

Von Martin Spiewak

[...]
Die Große Koalition des pädagogischen Pragmatismus hat sich darauf geeinigt, das bestehende System zu optimieren, statt es zu überwinden [...]

(zitiert nach Bild )


Vergleiche können gefährlich sein:

(fast wie beim Wasserstandsausgleich in kommunizierenden Röhren)

im selben Atemzug allzu leicht die realen Ess-Störungen verharmlost.

(Und humorlosen Menschen sind eh nicht Funktionsweise und Leistungsfähigkeit "struktureller" Vergleiche zu vermitteln, bei denen insbesondere äußerlich völlig unterschiedliche Dinge dennoch dieselbe Struktur haben können; vgl. Bild .)


Ein Leser meiner Internetseiten sprach im Hinblick auf üblichen Schulunterricht mal von "bulimischem Lernen":

"Bulimie,
1) (Heißhunger, Esssucht, Fresssucht): übermäßiges Essbedürfnis als Symptom organischer oder psychischer Ursache;
2) (Bulimia nervosa): umgangssprachlich auch als Ess-Brech-Sucht oder als Fress-Kotz-Sucht bezeichnete psychogene Essstörung, die in jüngerer Zeit von der Magersucht abgegrenzt wird. Die Bulimie ist gekennzeichnet durch regelrechte Essanfälle, bei denen binnen kürzester Zeit gewaltige (meist kalorienreiche) Nahrungsmengen aufgenommen und anschließend durch selbst herbeigeführtes Erbrechen, deutlich seltener auch durch Missbrauch von Abführmitteln, wieder ausgeschieden werden. Die Bulimie, der häufig extremes Übergewicht oder eine Magersucht vorausgehen, tritt vorwiegend bei jungen Frauen auf, neueren Schätzungen zufolge bei zwei bis vier Prozent aller Frauen zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr.
Als Ursachen werden, ähnlich wie bei der Magersucht, Persönlichkeitsfaktoren, familiäre sowie genetisch-konstitutionelle Einflüsse diskutiert.
Die Behandlung der Bulimie erfolgt, wie bei der Magersucht, im Wesentlichen durch Psychotherapie, wobei die Patient(inn)en die Therapie zum Teil noch stärker unterlaufen (etwa durch Einnahme von Abführmitteln oder unbeobachtetes Erbrechen). Die Heilung kann sehr langwierig sein; manchmal besteht die Symptomatik trotz Therapie jahrelang fort oder verlagert sich auf andere psychosomatische Erkrankungen."
(Brockhaus multimedial 2002)

Nun scheint mir allerdings der Vergleich zu "hinken": die allermeisten SchülerInnen

(sowieso mal abgesehen von jenen, die die "Nahrungs-" = Lernstoffaufnahme schlichtweg verweigern, also sozusagen an "Magersucht" [s.u.] leiden)

nehmen den Lernstoff ja nicht freiwillig auf

(eine Freiwilligkeit, die ja auch bei der "echten" Bulimie fraglich ist),

sondern werden durch den Stoff- und Zensurendruck dazu gezwungen.

Wohl aber stimmt "das Ende vom Lied": in Klassenarbeiten und sonstigen Prüfungen "kotzen" sie das Ganze dann (oft halbverdaut) wieder aus - und vergessen alles umgehend wieder

(als wäre nie "was" gewesen).

Eine Ausnahme mögen gewisse SchülerInnen sein, die

(... ohne jedoch Streber in dem Sinne zu sein, dass sie Schleimspuren ziehen oder auf Kosten anderer arbeiten).

Vgl. Adipositas?:

Als Adipositas bzw. Fettleibigkeit (schweres Übergewicht; auch: Fettsucht, Obesitas oder umgangssprachlich Ess-/Fresssucht) wird eine Gesundheitsstörung bezeichnet, bei der das Individuum zu viel Fettgewebe besitzt.
[...]

Gesellschaftliche Hintergründe

  • Anerzogene Essgewohnheiten, wie zum Beispiel "der Teller muss leer gegessen werden." [...]

(zitiert nach Bild )


Durchaus interessant scheint mir die Definition der soeben nebenher angesprochenen Magersucht:

"Magersucht
(Anorexie). Die Hauptform der Magersucht, die Pubertätsmagersucht (Anorexia nervosa) ist durch eine extreme Ablehnung der Nahrungsaufnahme gekennzeichnet, die zu bedrohlichem Abmagern, nach neueren klinischen Studien bei bis zu 10% der Erkrankten sogar bis zum Tode führen kann. Sie tritt in 90 bis 95% der Fälle bei (vorwiegend intelligenten und ehrgeizigen) Mädchen oder jungen Frauen auf, jedoch beobachtet man in den letzten Jahren eine Zunahme der Magersucht bei Jungen beziehungsweise jungen Männern. Meist fängt eine Magersucht im Alter zwischen 12 und 19 Jahren an.
Wesentliches Kennzeichen der Krankheit ist, dass trotz Hungers nicht gegessen wird und fast jedes Mittel recht ist, um abzunehmen, so z.B. Fasten, Erbrechen, körperliche Aktivität, Missbrauch von Abführmitteln und Entwässerungsmitteln. Übergänge zur Bulimie sind nicht selten. Gesundheitliche Folgen der Magersucht sind z.B. Kreislaufprobleme und schlechte Durchblutung, Verstopfung, Konzentrations- und Schlafprobleme, bei Mädchen bleibt oft die Monatsblutung aus.
Lange Zeit sah man die Ursache der Magersucht in einer Reifungskrise, wobei man annahm, dass die Betroffenen unbewusst die Entwicklung zur Frau ablehnen und mit der Nahrungsverweigerung kindliche Körperformen beizubehalten hoffen. Heute weiß man, dass bei der Entstehung der Magersucht zumindest mehrere Ursachen eine Rolle spielen, so z.B. eine genetische Veranlagung, Störungen der Körperwahrnehmung, familiäre Anlagen (z.B. Trend zu Perfektionismus und übergroßer Anpassung), Spannungen in der Familie, für die die Magersucht eines Mitglieds sozusagen als »Blitzableiter« dient, aber ebenso das vorherrschende superschlanke Schönheitsideal unserer Gesellschaft, dem viele Mädchen und Frauen entsprechen wollen. Eine Heilung wird nicht aus eigener Kraft geschafft. Die meist verhaltenstherapeutisch oder tiefenpsychologisch orientierte Therapie der Pubertätsmagersucht kann (bei lebensbedrohlichem Gewichtsverlust gilt das ohnehin) anfangs oft nur stationär eingeleitet werden; häufig widersetzen sich Patienten und Angehörige zunächst auch einer Therapie oder brechen diese ab, weil dadurch die Konflikthaftigkeit der familiären Struktur deutlich werden könnte."
Brockhaus multimedial 2002

  1. wird auch hier deutlich, wie fraglich die Freiwilligkeit ist.

  2. und vor allem aber stößt einem da doch der Satz "dass trotz Hungers nicht gegessen wird" auf. Auf jene gewissen SchülerInnen angewandt, die die "Nahrungs-" = Lernstoffaufnahme schlichtweg verweigern, heißt das doch, dass sie eigentlich gerne essen (lernen) würden, ihnen das aber "irgendwie" verleidet wurde.

Erhellend mag aber auch eine populäre Erklärung der Magersucht sein: dass die Magersüchtigen


   

"Der Nürnberger Trichter als Wiederentdeckung für moderne Lernideen?

[...] die Idee des Nürnberger Trichters ist mit dem Computerzeitalter wieder ins Gespräch gekommen. Aber angedeutet hat sich das schon lange vorher - mit dem Entstehen der Lernpsychologie als empirischer und experimenteller Wissenschaft. Es scheint so, dass künftige Impulse zu einer Neustrukturierung der überkommenen Pädagogik von Außen kommen. Durch den Druck der Computertechnologie, die Weiterentwicklung von Psychologie und Gehirnforschung und den steigenden weltweiten Konkurrenzdruck."
(zitiert nach  Bild )

Oft erscheint mir der gängige Unterricht eher wie Gänse-Stopfen

... wobei der Vergleich natürlich wieder hinkt, weil Schüler

(auch gackernde Schülerinnen)

keine Gänse sind

(wenn in Deutschland mal jemand Tiermetaphern für Menschen verwendet

[der SPD-Parteichef Müntefering hat mal multinationale Unternehmen als Heuschrecken bezeichnet],

kommt natürlich in reflexartiger Humorlosigkeit der Nazi-Vorwurf).

"Foie gras (französisch für „fette Leber“), auch Stopfleber [,] ist eine kulinarische Spezialität, die aus der Fettleber von Gänsen oder Enten gewonnen wird.
Die Herstellung der Stopfleber wird oft als Tierquälerei angesehen, da den Enten und Gänsen mittels einer Rohres mehrere Kilo Futterbrei täglich in den Magen gepumpt [...] [werden]. Diese schmerzhafte Prozedur kann zu geplatzten Mägen führen. Durch die verfettete Leber, welche bis zu zwei Kilo wiegen kann, werden auch andere Organe geschädigt und das Tier insgesamt stark belastet. Das Stopfen ist deshalb unter anderem in Deutschland und Österreich durch das Tierschutzgesetz verboten."
(zitiert nach  Bild )

Wie wär´s mit einem entsprechenden Schülerschutzgesetz?

Da muss ja sogar ich ausnahmsweise mal einen CDU-Politiker zitieren:

"Die ständige Stoffhuberei ist pädagogischer Materialismus zum Zwecke geistloser Lernkontrollen."
(Werner Remmers, ehemaliger Niedersächsischer Kultusminister)