Texte lesen lernen (vergrößert die Schulklassen!)
"Wir wundern uns, warum wir bei Pisa so hintendran sind. Dabei gibt es ein ganz einfaches Mittel, bei Pisa vorne zu sein: Nicht mehr ein Lehrer auf dreißig Schüler, sondern ein Lehrer auf fünfzehn Schüler. Wenn Sie sich die Skandinavier anschauen, dann besteht deren Erfolgsgeheimnis in kleinen Klassen. [...] Ich sage nicht, dass Geld allein Geist produziert. Aber man muss da einfach Ressourcen reinpumpen." Man müsste mal überprüfen, ob die Behauptung, die ich letztens aufgefangen habe, stimmt: dass die SchülerInnen in durchschnittlichen deutschen Klassen enger sitzen, als es eine einschlägige EU-Vorschrift für Schweine in Ställen erlaubt
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In Deutschland nimmt im Rahmen der sich verschärfenden (bewusst verschärften!?) sozialen Probleme der Analphabetismus zu - oder genauer: vor allem die Zahl der sogenannten "funktionalen Analphabeten", also von Menschen, die sich nicht in der Lage sehen, einen längeren und differenzierteren Text zu lesen.
Das ist keineswegs nur in der "Unterschicht" der Fall, sondern ich kenne auch immer mehr AkademikerInnen, die schon durch eine längere (sagen wir mal: eine Seite lange) Email überfordert sind
(und sogar längere, differenziertere Texte großspurig als unnötig abtun).
Sie brauchen eine "Instant-message" - oder geben auf.
So meine ganz eigenen Erfahrungen habe ich insbesondere bei meinen Texten "Fischchristen"
(inzwischen der Selbstzensur erlegen, weil allzu oft von humorlosen Fischchristen übel missverstanden)
viele LeserInnen (Hochbegabte?) begriffen Differenzierungen hinter der in der Tat erstmal provokativen Fassade nicht - und lasen eh nicht zu Ende.
Ein Text, den man nun ganz besonders schön (absichtlich?) missverstehen kann, ist
B I L D U N G
Klein allein ist noch nicht fein
Lehrer und Eltern glauben, weniger Schüler in einer Klasse würden mehr lernen. Stimmt das?
Von Martin Spiewak
Wohlgemerkt: ich spreche hier nur über den ZEIT-Artikel von Spiewak und nicht über die darin referierte, mir unbekannte Dissertation von Grit Arnhold
(ich kann also auch nicht beurteilen, inwieweit Spiewak die Dissertation halbwegs korrekt referiert hat).
Auf der Oberfläche besagt der ZEIT-Text, dass kleinere Schulklassen nichts bringen. Bzw. der ZEIT-Text widerlegt scheinbar das Zitat oben von Ernst-Wilhelm Händler.
Und das ist doch Wasser auf die Mühlen aller FinanzpolitikerInnen - und auch aller KultuspolitikerInnen:
"Wir können, bezogen auf die Klassengrößen, alles beim Alten belassen, ja, die Klassen sogar noch weiter vergrößern."
(Liebe LehrerInnen, zieht Euch also auch diesbezüglich warm an, ihr steht argumentativ auf verlorenem Posten, und wenn in großen Klassen eure Nerven den Bach runtergehen, zeugt das nur von eurer typisch lehrerhaften mimosenhaften Empfindlichkeit.)
Wenn man nun aber den ZEIT-Text genau und vollständig liest, so besagt er vor allem zweierlei:
"'Die" Japaner und Süd-Koreaner sind Spitze in PISA, obwohl sie mit sehr großen Schulklassen arbeiten. Was allerdings dringend zu ergänzen ist: mit welchen menschlichen "Kosten"?
Es wird eben keineswegs pauschal behauptet, dass kleinere Klassen nichts "bringen", sondern "nur", dass LehrerInnen kleinere Klassen (deren Vorteile) nicht zu nutzen wissen
(es nie gelernt haben, anderes gewohnt sind ...?).
Vgl. den allerletzten (!) und üblicherweise oftmals doch wichtigsten Satz des ZEIT-Textes:
"Ein Thema auf dem Lehrplan [für LehrerInnen] könnte sein:
Wie nutze ich kleine Klassen?"
Das hätte man allerdings schon von Anfang an wissen können, wenn man
(was zumindest viele SchülerInnen leider nicht tun)
den - wenn auch ein wenig kryptischen (und hübsch binnen-reimenden und alternierenden) - Titel
Klein allein ist noch nicht fein
mitgelesen hätte, den man doch etwa folgendermaßen verstehen könnte: "klein allein" ist schon allerhand (eine notwendige Bedingung), wenn auch kein Patentrezept (keine hinreichende Bedingung).
Vgl.
PS:
Betr. Kindergärten:
(, 2.8.07)
PPS:
Und noch ein netter Witz:
(, 20.12.10)
Ein Witz, weil "durchschnittliche Klassengröße" bedeutet, dass beispielsweise eine Mittelstufenklasse zum Ausgleich 34 (!) SchülerInnen haben muss, wenn ein Philosophiekurs in der Oberstufe nur 22 (also auch schon zu viele!) SchülerInnen hat.