"Hilf mir, es selbst zu tun" reloaded

"Hilf mir, es selbst zu tun" ist sozusagen das Credo Maria Montessoris gewesen und ist es damit wohl auch bis heute in aller Montessori-Pädagogik

(über die ich kaum fundiert mitreden kann).

über diesen Satz ist grenzenlos geschrieben worden, aber letztlich ist es doch am besten, solche Sätze (und ihre Problematik) selbst erlebt zu haben (s.u.).


"Hilf mir, es selbst zu tun" hört sich immer mächtig prächtig an - und bleibt doch meistens eine Floskel und verfährt dann dazu, den konventionellen Unterricht methodisch nur oberflächlich, aber nicht substantiell zu verändern.

Dann werden etwa beim modischen "Lernen an Stationen" den SchülerInnen diverse Stapel Aufgabenstellungen (evtl. auch Experimente) in die Ecken des Klassenzimmers gekippt, und die Message ist letztlich nur: "Mach deinen Scheiß alleine!"

Allzu selten wird dabei bedacht, wie ein "Hilf mir, es selbst zu tun" während des Stationenlernens aussehen könnte.

Dabei bin ich ja gar nicht grundsätzlich gegen "Lernen an Stationen": ein vorausschauend geplantes Stationenlernen kann ja durchaus teilweise helfen, "es selbst zu tun"

(und die SchülerInnen können sich die mitgegebenen Hilfestellungen dann freiwillig nehmen, also sozusagen um sie bitten, statt sie [verpflichtend] vorgesetzt zu bekommen).

D.h. "gute"/erfahrene LehrerInnen können vielleicht

(aber eben doch immer nur teilweise!)

vorausahnen, wo SchülerInnen das Bedürfnis "Hilf mir, es selbst zu tun" haben könnten, und dafür vorweg Hilfsmöglichkeiten einplanen, die allerdings dem hohen Anspruch "es selbst zu tun" gerecht werden müssten

(Hilfestellungen in diesem Sinne sind ein enorm schwieriges, viel zu selten betrachtetes "weites Feld").


"Hilf mir, es selbst zu tun" ähnelt auf den ersten Blick Bild : in beiden Fällen will jemand etwas selbst tun.

Der Unterschied besteht aber (vordergründig) darin, dass

Man könnte also sagen, dass "Jetzt helfe ich mir selbst" eine fortgeschrittene Version von "Hilf mir, es selbst zu tun" ist: in ersterem Fall traut sich jemand bereits zu, "alles" ohne Hilfe zu können

(... was beim Rumbasteln an Autos ein fataler Fehler sein, nämlich zu gefährlich kaputtgebastelten Autos führen könnte; woraus folgt: manchmal zeugt es von Klugheit, die Grenzen des Sich-selbst-Helfens zu kennen und doch

Wie bereits angedeutet, scheint mir "Jetzt helfe ich mir selbst" nur vordergründig zu bedeuten, dass man sich nicht von einem anderen helfen lässt: das Buch ist ja der Lehrer, zu dem man indirekt sagt: "Hilf mir, es selbst zu tun."

Allerdings hat das Buch (!) zwei Vorteile:

  1. , dass der "Lehrer" nicht von selbst (zu früh) losquatscht, sondern gefragt werden kann,
  2. , dass das Buch tatsächlich nichts "für" einen tun (ein Auto reparieren), sondern nur Tipps (für die Reparatur) geben kann.

Aus "[Jetzt reicht's,] Jetzt helfe ich mir selbst" höre ich aber auch einen gewissen Fatalismus heraus:

"Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner [bzw. ... dann hilft dir (nur) Gott]"

Hinter diesem Fatalismus mögen beispielsweise schlechte Erfahrungen mit Werkstätten stecken.

Vielleicht befolgen Bücher viel eher als Lehrer das Motto "Hilf mir, es selbst zu tun"!

(Und dennoch: handwerkliches Geschick, wie es etwa bei Autoreparaturen nötig ist, kann man vermutlich schwer aus Büchern lernen, sondern da muss ein leibhaftiger Mensch mit einem tätig werden, also z.B. mal etwas vormachen oder einem die Hand "führen".

[Und sowieso vertraue ich trotz allem (schlechter LehrerInnen) doch noch mehr auf persönliche Begegnungen als auf Medien, woraus letztlich folgt:

mehr Geld in Lehrerstellen, weniger in Computerausrüstungen!

Aber vielleicht sage ich das nur, weil ich schließlich davon "lebe"?])


Als guter Vater

(ob ich einer bin oder - welch hübsch verschwurbeltes Futur II - gewesen sein werde, wird sich in ca. zwanzig Jahren zeigen)

ist man des Öfteren versucht, etwas mit seinem Kind zusammen (?) zu tun.

Diese "Versuchung" entsteht manchmal aus Spaß, manchmal aber "nur" aus Pflichtgefühl:

"Jetzt, nachdem ich so viel gearbeitet habe und daher kaum Zeit für mein Kind hatte, muss ich mich aber schleunigst um es »kümmern« ."

... und das dann (wie wir noch sehen werden) oftmals im falschen Augenblick.

Anders gesagt: als guter Vater hat man oft gelinde "Schuldgefühle", sich zu wenig um das eigene Kind zu kümmern, und handelt dann, wenn man es irgendwann doch tut, schnell verkrampft.

Kinder sind eben auch eine Verpflichtung. Umgekehrt: mag sein

(das sagt sich so leicht und hört sich allemal immer gut an, ist aber auch Ursache so vieler "Schuldgefühle"),

dass Kinder selbst bzw. die Beschäftigung mit ihnen das Allerwichtigste im Leben sind. Aber es gibt nunmal unvermeidbar auch andere (z.B. berufliche) Pflichten. Und ich bin auch skeptisch gegenüber jenen "Muttertieren", deren einziger (also extrem fragiler) Lebenssinn in ihren Kindern liegt: nein, es gibt - hoffentlich! -auch noch viele andere schöne (und ihrerseits wichtige!) Beschäftigungen im Leben

(ich musste wahrhaft nicht Vater werden).

Allerdings habe ich auch festgestellt: wenn

  1. mich mein Sohn mal mitten in einer beruflichen Stressphase forderte und
  2. ich dann immer wieder ungeduldig auf die Uhr schielte, wann ich endlich wieder an die Pflicht "Arbeit" konnte,
  3. mein Sohn aber derart insistierte, dass dem nicht zu entkommen war,
  4. ich mir dann irgendwann dachte: "lass alle Hoffnung [auf berufliche Pflichterfüllung] fahren",
  5. fiel irgendwann alle Sorge von mir ab und hatte ich plötzlich grenzenlos Zeit für ihn - und auch Spaß daran.

(... was sich - ein Lehrer kann die Arbeit ja manchmal schieben, wovon sie aber leider nicht verschwindet - öfters in Nachtarbeit gerächt hat.)

Und überhaupt gilt wohl das Diktum Joseph von Westphalens in Bild

"[...] [Kinder] sorgen dafür, daß man zu nichts kommt, und das ist gut so; denn das meiste, zu dem man kommen will, ist sowieso nicht der Mühe wert. Mit ihrem Geschrei, wenn es nur laut genug ist, verhindern sie die Karrieren ihrer Eltern, was kein Schaden ist. [...]"


Oben hatte ich gesagt:

"[...] ist man des Öfteren versucht, etwas mit seinem Kind zusammen zu tun."

"[...] ist man des öfteren versucht [...]" ist allemal (ironisch) entlarvend: es zählt nicht die Häufigkeit des Vornehmens, sondern die des Tuns!

Und wenn man es dann tatsächlich "mal" tut:

Kommt hinzu: wirklich "mit ... zusammen" oder doch eher "für"

("im [angeblich] wohlverstandenen eigenen Interesse des Kindes"?).


Es gibt ja das Klischee, dass Lehrerkinder ganz besonders "einen Schuss weg" hätten. Liegt das - wenn das Klischee überhaupt stimmt - vielleicht daran, dass LehrerInnen aus purer Gewohnheit dazu neigen, die Erziehung ihrer Kinder als "Fortsetzung ihrer (vermeintlichen) Berufspflicht mit anderen Mitteln" anzugehen, nämlich ihre Kinder permanent

("wenn alles schweigt und einer spricht, so nennt man dieses Unterricht"),

(unabhängig von den Wünschen der Kinder und manchmal regelrecht gegen diese Wünsche)

Dabei kommen dann - dem Klischee nach - logischerweise altkluge, aber unkreative Kinder heraus.


Als mein Sohn so etwa zwei Jahre alt war, spielte er gerne vergnüglich alleine vor sich hin, neigte ich aber dazu, "mit" ihm spielen zu wollen

(und ihn dadurch - wenn auch unbeabsichtigt - aus seiner Spielwelt herauszureißen),

was ihm "gerade noch gefehlt" hat. Ich bin schnell zu der Einsicht gekommen, nicht immer mit ihm spielen zu wollen/müssen

(und hatte dann wie von selbst Zeit für die berufliche "Pflicht", die allerdings, das muss spätestens jetzt ergänzt werden, ja oftmals auch eine ganz eigene Freude ist).

D.h.:

  1. konnte und (eben weil ich gelernt habe, ihn in Ruhe zu lassen) kann mein Sohn sich bislang auch wunderbar selbst beschäftigen;
  2. war mein Wunsch, "mit" ihm oder manchmal auch "für" ihn zu spielen, oftmals eher "gegen" ihn.

Langsam muss ich einfügen, dass ich selbst wohl ein sehr strukturierter Mensch und deshalb manchmal ungeduldig mit der (von mir so interpretierten) "Drömeligkeit" von Kind & Kegel sowie SchülerInneN bin.


Das alles Entscheidende (der enorme Anspruch) an "Hilf mir, es selbst zu tun" ist doch wohl:

  1. muss die Bitte vom Kind kommen und darf sie ihm nicht mal suggeriert werden

(wobei gleich zu ergänzen ist:

  • das Kind entscheidet sogar, von wem es Hilfe will, wobei es nach Sympathie und/oder Kompetenz gehen mag;
  • dass das Kind bestimmt, ob, wann und von wem es Hilfe möchte, schließt ja nicht aus, dass man es [nun von Eltern-/Lehrerseite aus aktiv] in einer "vorbereiteten Lernumgebung" mit interessanten Fragestellungen konfrontiert;
  • dennoch frage ich mich, ob wir dazu neigen, Kinder mit [vermeintlich?] interessanten Fragestellungen zu füttern, obwohl sie schon von sich aus genug - im positiven Sinne - Probleme haben:
    • in Schulen kommen fast nur vom Fachlichen aus gedachte und dann manchmal "eingekleidete" Fragestellungen vor, kaum aber diejenigen, die sozusagen "auf der Straße liegen";
    • Kleinkinder brauchen kaum [zudem noch neuerdings pädagogisch aufgemotztes] Spielzeug, sondern die Alltagswelt [z.B. Küchenutensilien] ist für

      sie allemal schon interessant genug);
  1. das Kind möchte keineswegs, dass man etwas "für" es macht, sondern "nur", dass man ihm "Tipps" gibt, wie es etwas selbst machen kann

(was hat es mich in meiner Kindheit und Jugend oft geärgert, aber auch beschämt

[ich hab's ja irgendwann selbst geglaubt und es erst mit ca. 20 Jahren besser wissen wollen],

dass mir andauernd komplette handwerkliche Inkompetenz unterstellt und deshalb vorsorglich

["das Kind könnte sich ja verletzen"]

alles Werkzeug aus der Hand genommen und Handwerkliches "für" mich erledigt wurde).


Es gibt so etwa bei Zweijährigen eine schwierige

(auch an den Nerven der Eltern zehrende!)

Phase, in der die lieben Kindelein zwar alles wollen, aber nichts (?) können, und das endet manchmal in Tobsuchtsanfällen über die eigene Unfähigkeit.

(Überhaupt glaube ich, dass der liebe Gott Kindern nur zweierlei mitgegeben hat:

  1. grenzenlose Neugierde und ebenso großes "Alles-Ausprobieren",
  2. unendlichen Bewegungsdrang.

Und dann tun die Kinder eben alles und jedes,

[aber oftmals ohne direkte Absicht],

bis sie irgendwann

[manchmal nebenbei, manchmal bass erstaunt]

bemerken: dieses oder jenes "klappt"!!!)

Eltern müssen lernen, diese "alles wollen/nichts können"-Phase geduldig auszuhalten, denn

  1. ist sie unvermeidbar,
  2. ist sie dringend für die Kinder nötig: wie denn sonst  als mittels trial & error bzw. Frust & Lust sollen sie "es" lernen?!

Daraus aber folgt: (nicht nur) in dieser Phase macht man unendlich viel kaputt, wenn man den Kindern alles aus der Hand nimmt und es "für" sie macht.

Dabei gibt es entsprechend dem o.g. "alles Entscheidenden" zweierlei zu beachten:

  1. den richtigen Zeitpunkt des "Eingreifens",
  2. die richtige Art des "Eingreifens".

Zu 1.:

(vgl. die berühmt-berächtigte heiße Herdplatte)

oder wenn ein Kind etwas

(was allerdings allzu leicht unterstellt wird)

objektiv noch nicht kann;

Zu 2.:

(Ein Beispiel: die Feinmotorik des Kindes ist "nunmal" noch nicht so weit ausgebildet, dass es einen Reißverschluss selbst "einfädeln" kann. Dann tut man es in Wirklichkeit [als Vater] selbst, lässt das Kind aber seine Hände auf die eigenen legen oder führt sie ihm, um ihm das Gefühl zu geben, mitgewirkt zu haben. Und gerade auf solche [scheinbaren] Kollektivtätigkeiten [in dieser Reihenfolge: "ich und mein großer Papa!"] sind Kinder manchmal enorm stolz! Ja, manchmal wird man auch "lägen" und etwa der Mutter gegenüber behaupten dürfen, dass das Kind etwas mit nur ganz wenig Hilfe gemacht hat, worauf es dann ebenfalls mächtig stolz ist!)

Ja, man sollte sogar jede Bitte des Kindes

(insbesondere, wenn es sich notorisch zu wenig zutraut),

dass man etwas "für" es tun soll, erstmal in "Hilf mir, es selbst zu tun" uminterpretieren.

Mir scheint sogar, dass man sein Kind keineswegs zum Größenwahnsinn erzieht, sondern ihm hoffentlich ein gesundes Selbstbewusstsein mitgibt, wenn man ihm ab und zu sagt:

Bild


Um also endlich konkret zu werden bzw. zum eigentlichen konkreten Anlass dieses Essays zu kommen:

mein Sohn (inzwischen vier Jahre alt) wollte - ja was eigentlich?:

  1. vordergründig einfach nur einen Schokoladenkeks essen;
  2. dafür die Verpackung, in der dieser Schokoladenkeks war, öffnen.

Als ihm 2. nicht halbwegs zügig gelang, dachte ich erst:

"Na, dann öffne ich [ohne Zutun meines Sohns, also »für«  ihn] eben die Verpackung, damit er an seinen heißersehnten Keks dran kommt."

Wie ich aber dann erst bemerkte, wollte er die Verpackung doch unbedingt selbst öffnen, d.h. es ging ihm wahrhaft nicht nur um 1., sondern sehr wohl auch um 2.

Das Essen (1.) war "nur" das Fernziel (bzw. die Belohnung), während das öffnen (2.) ein ganz eigenes bzw. Nahziel war.

(... eine Unterscheidung, die unten noch auf Schule anzuwenden ist; und letztlich schreibe ich hier ja immer über Schule und nicht "bloß" über meinen Sohn, was auch nichts im Internet zu suchen hätte!)

Ziemlich abgedroschen gesagt: "der Weg ist  zwar nicht das, aber doch ein Ziel": wenn Kinder auch vieles um seiner selbst willen tun

(z.B. alles öffnen, und zwar

  • manchmal, um an den bereits bekannten Inhalt dran zu kommen,
  • manchmal aus Neugierde auf den noch unbekannten Inhalt,
  • manchmal ohne erwartbar interessanten Inhalt).

Vermutlich hätte sich mein Sohn aber dennoch wohl kaum das Nahziel "öffnen" gesetzt, wenn nicht (auch) das Fernziel "Essen" gewinkt hätte.

Mein zweiter Gedanke nach

"Na, dann öffne ich [ohne Zutun meines Sohns, also »für«  ihn] eben die Verpackung, damit er an seinen heißersehnten Keks dran kommt."

war:

  1. "Ich warte, bis er aufgibt und mich darum bittet, die Verpackung zu öffnen [und dann wieder ohne Zutun meines Sohns, also »für«  ihn]."

Es wäre ja denkbar, dass mein Sohn mich tatsächlich gebeten hätte, die Packung "für" ihn zu öffnen.

Aber selbst das kann/sollte man - wie oben schon angedeutet - öfter als (vom Kind unbeabsichtigte) Bitte "Hilf mir, es selbst zu tun" interpretieren, also das öffnen trotz der Bitte, es "für" das Kind zu tun, doch "mit" dem Kind zu erfüllen:

(was eben ein Irrtum sein könnte, da das Kind es dann eben nur "vorgemacht" bekommen, aber nicht selbst probiert hat)

Genauso war aber denkbar, dass mein Sohn mich irgendwann explizit (wenn auch nicht in diesen Worte) bitten würde:

"Hilf mir, es selbst zu tun!"

(Ich hatte allerdings, ehrlich gesagt, auch schon mit einem Tobsuchtsanfall für den Fall gerechnet, dass mein Sohn die Verpackung nach vielen Versuchen nicht aufbekommen würde. Und in solch einem Tobsuchtsanfall geht dann "alles" den Bach runter, schafft er es also nicht selbst und will er sich auch nicht helfen lassen.)

So oder so habe ich mir also, in einem dritten Schritt, schon mal Gedanken gemacht, wie ich "mit" meinem Sohn die Verpackung aufmachen könnte.

Und hier gilt es (statt pädagogischen Blablas und statt pädagogischer Patentrezepte) extrem konkret zu werden, nämlich sich die konkrete Verpackung anzuschauen:

  1. Die äußere Verpackung aus Pappe hatte mein Sohn rasend schnell geöffnet.
  2. Das eigentliche Problem war die innere Verpackung aus durchsichtiger Kunststofffolie.
  3. Oder noch genauer: das eigentliche Problem war die "Konstruktion" dieser Kunststofffolie:

Bild

Dabei ist hier schon eingezeichnet, was ich mir dann selbst überlegt habe

[man tut es ja oftmals automatisch, kann es aber kaum - hier für die Leser - erklären],

nämlich wie man wohl solch eine Verpackung "regulär" öffnet: die "Lasche"

Zumindest reichten kindliche Kräfte offensichtlich nicht aus, um die Verpackung "irgendwie" aufzureißen zu können.

Meine nächste Überlegung war, wie ich meinem Sohn helfen konnte, es selbst zu tun:

  1. und fast immer die schlechtere Lösung: es ihm vormachen und dann beispielsweise am anderen Ende der Packung "nochmals" selbst machen zu lassen

(mit dem Problem, dass es nach dem Vormachen keine Notwendigkeit mehr gibt, die Verpackung nochmals zu öffnen);

  1. es tatsächlich "mit" meinem Sohn zusammen zu tun;
  2. ihm sagen, wie es geht, und es ihn dann selbst tun lassen.

Am günstigsten (und scheinbar doch am wenigsten naheliegend) scheint es mir, "das Pferd vom Schwanz her aufzuzäumen", also die Hilfe also in der Reihenfolge D., C., B., A. zu versuchen.

Man handelt oftmals nicht derart wohlüberlegt, ja, oftmals bleibt dafür auch gar keine Zeit. Aber ich glaube, dass es sich lohnt, zumindest exemplarisch mal so ausführlich "drauflos zu überlegen" - und dass das ein wenig die Grundeinstellung ändern kann, aus der heraus man dann demnächst auch unüberlegt besser handelt.

Letztlich erwiesen sich aber all diese Überlegungen als überflüssig:

als ihm das öffnen der Packung allzu lange nicht gelang, trat mein Sohn (und zwar keineswegs frustriert, sondern frohgemut) "the short way home" an:

"... und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt":

Nunja, wohl weniger Gewalt als einen schnellen Ausweg: er holte eine Schere und schnitt die Folie damit auf.


Wie schon angekündigt wurde, muss

"Das Essen war »nur«  das Fernziel (bzw. die Belohnung), während das öffnen ein ganz eigenes bzw. Nahziel war."

noch auf die Schule bezogen werden.

Bei der Übertragung der folgenden Passage von oben wird's nämlich in der Schule

(oder zumindest in der konventionellen Schule)

vielfach problematisch:

Das Essen war "nur" das Fernziel (bzw. die Belohnung), während das öffnen ein ganz eigenes bzw. Nahziel war.

Ziemlich abgedroschen gesagt: "der Weg ist  zwar nicht das, aber doch ein Ziel": wenn Kinder auch vieles um seiner selbst willen tun

(alles öffnen, und zwar

  • manchmal, um an den bereits bekannten Inhalt dran zu kommen,
  • manchmal aus Neugierde auf den noch unbekannten Inhalt,
  • manchmal ohne erwartbar interessanten Inhalt).

Vermutlich hätte sich mein Sohn aber dennoch wohl kaum das Nahziel "öffnen" gesetzt, wenn nicht (auch) das Fernziel "Essen" gewinkt hätte.

  1. Wo ist denn in "der" Schule das attraktive Fernziel "Essen". Bzw. dieses "Essen"

(das oftmals wohl eher ein Stopfen wider Willen ist - woraus dann Wissens-Bulimie folgt)

erscheint vielen SchülerInneN doch wohl eher als lauwarmer Haferschleim denn als Schokolade(nkeks).

  1. Und wenn dieses attraktive (oder überhaupt ein) Fernziel fehlt, wieso sollte es für die SchülerInnen wünschenswert sein, sich ein attraktives (welches?) Zwischenziel zu setzen? Wieso sollte es also für SchülerInnen attraktiv sein, selbst zum Fernziel zu kommen?
  2. Ist es in der Schule überhaupt denkbar, dass das Zwischenziel sogar "um seiner selbst willen" attraktiv ist?

Und wenn es - so gesehen - in der Schule weder ein Fern- noch ein Nahziel gibt

(Ziele, die die SchülerInnen sich selbst setzen, statt sie gesetzt zu bekommen),

entwickeln SchülerInnen sicherlich auch nie den Wunsch, von sich aus "Hilf mir, es selbst zu tun" zu sagen: sie wollen "es" ja nicht tun, und zum Nichtwollen braucht man keine Hilfe.

Ich werde den Teufel tun, hier die Fragen 1. - 3. positiv zu beantworten, was sowieso vorerst nur arg allgemein geschehen könnte. Aber ich hoffe, dass meine anderen Internetseiten - wenn auch indirekt - immer mal wieder positive Teilantworten auf diese Fragen geben.


PS: Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber als ich es letztens spaßeshalber ausprobiert habe, hat es tatsächlich funktioniert: weil mein Sohn nicht tun wollte, was ihm befohlen war, habe ich es ihm einfach verboten - und prompt hat er es getan.

In der Schule würde solch pädagogische Hinterfotzigkeit ebenso wenig funktionieren wie folgender "Trick": manchmal fordere ich meinen Sohn mit einem schmunzelnden "du kannst das sowieso nicht" heraus, und derart bei seiner Ehre gepackt, will er mir dann hübsch verlässlich beweisen, dass er es als "schon richtig großer Junge" doch kann.
 

PPS: Man sollte pädagogischen Projekten nie den Titel "Selbstlernen" o.ä. geben, weil darunter alles und jedes subsummiert werden kann

("and it's always been the same, same old story"),

also nichts dabei rauskommt. Erkenntnisleitender wäre immerhin schon "Hilf mir, es selbst zu tun".