Unterricht mit Kopf und Hand

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  "Das Broca-Areal unserer linken Großhirnhälfte gilt bekanntlich als »Sprachzentrum«. Unter anderem hilft es, wie wir gesehen haben, im Zusammenspiel mit den Basalganglien, gelernte Bewegungen der Artikulationsorgane zu planen und zu koordinieren. Aber das sind mitnichten seine einzigen Funktionen.
Es waren maßgeblich deutsche Forscher wie Ferdinand Binkofski und Bernhard Haslinger, die erst in den letzten Jahren herausfanden: Das Broca-Areal ist nicht allein fürs Sprechen, sondern auch für die Planung und Koordination der feinen Motorik der Hand zuständig!"

(zitiert nach )

Wie in meinen sonstigen Aufsätzen, so behaupte ich selbstverständlich auch hier nicht, eine Weltneuheit entdeckt zu haben.

Vielmehr protokolliere ich nur "coram publico", was mir (allzu spät) aufgefallen ist.


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Achte auf die Hände eines Menschen!
(Sie reden andauernd mit.)

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Man frage eine komplette Schulklasse mal, was eine Wendtreppe ist. Prompt lassen die meisten SchülerInnen ihre Hände rotieren - und erübrigt sich eine verbale Erklärung.

Körpersprache war in meiner Lehrerausbildung nur in der Form Thema, dass es mal kurz um die Körpersprache des Lehrers ging: er hatte laut meinen Fachleitern permanent wie ein Priester bei der Wandlung mit weit ausgebreiteten (statt abweisend vor sich verschränkten) Armen vor den SchülerInnen zu stehen, um ihnen zu signalisieren: "Ich bin total offen für euch!"

Ansonsten wurde nur mehrfach als unschicklich moniert, wenn man eine Hand in der Hosentasche hatte.

Von der Körpersprache der SchülerInnen war hingegen nie die Rede.


Die Körpersprache ist etwas sehr Intim-Persönliches: man lässt sich vielleicht noch halbwegs gerne darauf hinweisen, dass man Falsches gesagt hat, aber ungern, dass die eigene Körperhaltung/Gestik z.B. verklemmt ist: Aussagen über den Körper sind schnell auch Aussagen über den Charakter, zumal

(Ich selbst war immer höchst allergisch dagegen, wenn meine angebliche Körpersprache allzu eindeutig eingeordnet wurde.
Worauf man - nebenbei - wohl auch ungern hingewiesen wird, das sind "Sprachmacken", also beispielsweise die ewig gleichen, unbewusst benutzten Wörter.
Und SchülerInnen kennen schnell jede sprachliche und körperliche Eigenart eines Lehrers, können sie teilweise herrlich parodieren - und sind auf die Dauer angenervt: ein Grund mehr, alle paar Jahre die LehrerInnen zu wechseln.)

Die Interpretation der Körpersprache kann sogar höchst ungerecht sein:


Vielleicht ist die Körpersprache auch gar nicht sonderlich erwähnenswert, weil wir alle ganz selbstverständlich (unbewusst) mit ihr umgehen: z.B. "liest" ein Lehrer doch des öfteren in den Gesichtern seiner SchülerInnen, ob sie etwas verstanden haben oder ihn sogar mögen

(allerdings reimt man sich da wohl eher einiges zusammen, weil die Körperaussagen der SchülerInnen nicht eindeutig sind).


Der eigentliche Anlass für diesen Aufsatz:

ich hatte SchülerInnen erzählt, dass die SchülerInnen einer anderen Klasse bei einer zentral gestellten Prozentrechnungsaufgabe keineswegs (wie von mir vermutet) Probleme mit der Prozentrechnung, sondern (völlig unerwartet) mit dem Wort "überlappen" in der Aufgabenstellung

"zwei 40 cm breite Dachziegel überlappen sich um 15 %"

hatten.

(Kennen SchülerInnen heute nichtmal mehr das [veraltete?] Wort "überlappen" - oder kenne sie es nur nicht mehr, wenn es plötzlich in abgehoben mathematischem Zusammenhang auftaucht? Vgl. Bild )

Noch während ich das erzählte, antworteten bereits viele SchülerInnen - aber gestisch, indem Sie ihre beiden Hände "überlappend" übereinander legten.

Daran scheint mir dreierlei bemerkenswert:

  1. Vielleicht gerade, weil LehrerInnen andauernd wasserfallartig quasseln

("wenn alles schweigt und einer spricht, so nennt man dieses Unterricht"),

können die SchülerInnen ja gar nicht verbal antworten, sondern wählen den gestischen Weg.

  1. würde (Irrealis?) die Lehrkraft oftmals gar nicht mehr (typisch "fragend-entwickelnd") nachfragen müssen, wenn sie die Körpersprache der SchülerInnen, die längst eine (eben gestische) Antwort gegeben haben, mitbekommen hätte.

Und so einiges penetrantes Schweigen der SchülerInnen kommt dadurch zustande, dass sie längst mimisch-gestisch geantwortet haben, die Lehrkraft aber noch immer nachfragt bzw. es unbedingt nochmals hören will. Eben dieses "nochmals" ist den SchülerInnen aber zu dumm.

  1. Nicht zum ersten Mal fällt mir auf, dass die Körpersprache der SchülerInnen "schlauer" ist als ihr verbaler Ausdruck. Man könnte fast sagen: ihr Körper ist schlauer als ihr Geist, oder zumindest ist der Körper der Sprache weit voraus.

Des Öfteren habe ich schon SchülerInnen aufgefordert,

(ihre Handbewegungen waren ja oftmals unbewusst),

(der Nachteil der Körpersprache ist ja - im Gegensatz zur Sprache -, dass z.B. ein Schüler, der hinter einem anderen sitzt, diese nicht mitbekommen kann:

die nach wie vor typische Sitzordnung

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[Bildquelle: www.pixelio.de]

stramm hintereinander ist - auch so gesehen - stramm antipädagogisch).


Da die SchülerInnen hinter Schulbänken sitzen, sieht man nicht ihre Beine

(oder wie sie gerade unter der Bank an ihren Handys rumfummeln),

sondern - abgesehen von ihren Gesichtern - vor allem, wie sie mit ihren HäNDEN HANTIEREN und SPRECHEN:

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(... wobei die Bewegungen oftmals viel sprechender sind als momentane Zustände)

Vgl. auch

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  2. Bild Bild
         ... und da insbesondere Bild "Mit Händen und Füßen zählen"

 


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All das sollte nicht nur zur Folge haben, dass man mehr auf die Hände achtet (und weniger verbal spricht), sondern auch,

dass man systematisch mehr mit den Händen (und sonstiger Gestik und Mimik oder überhaupt mit dem Körper) tut,

also z.B.