an den Rändern der Lehrpläne entlangsegeln

 


erste komplette Afrika-Umseglung ]1497 - 1498] durch Vasco da Gama;

"[...] [Vasco da Gama] löste sich [erst im Südatlantik und später auch im indischen Ozean] deutlich von der Küste,
um bessere Windverhältnisse zu nutzen [...]"
(Quelle: )

 
 

Aber Vasco da Gamas Reise ist ein schiefes Bild: es geht mir im Hinblick auf die Lehrpläne ja

  • nicht darum,

    • das sichere Land (die nunmal vorgeschriebenen Lehrpläne) vollständig zu verlassen

    • und nur vom Meer aus einen äußeren / letzten Blick aufs Festland (die Lehrpläne) zu bewahren

(als könnte man doch nicht ganz von Mutterns Rockzipfel loskommen),

  • sondern darum, 
    • an den äußersten Rändern des Festlands entlangzuwandern

(obwohl das Innere des Festlands ja durchaus auch seine Reize hat: ),

    • immer das offene Meer (alternative Möglichkeiten) im Blick zu behalten
    • und ab und zu einen Abstecher auf dieses offene Meer hinaus zu wagen:

 

Man könnte auch sagen:

  • man bleibe (meist) auf dem Teller und muss doch über den Tellerrand der Lehrpläne hinaus schauen können,
  • bzw. es gibt hochinteressante Stoffe jenseits der Lehrpläne.
 

Eine kleine Anekdote, die meiner (falschen?) Erinnerung nach mal von der Erziehungswissenschaftlerin Elsbeth Stern erzählt wurde:

"Auf die Frage an einen Chemielehrer, der bei den SchülerInneN gerade wegen seiner gelungenen Vermittlung des Fachlichen sehr angesehen war, was sein »Geheimrezept« sei, antwortete dieser: »Ich habe nie die Lehrpläne gelesen.«"

Als diese Anekdote aber (vor vielen Kultusbürokraten) gerade erzählt war, brach ein Schrei der Empörung aus: das sei ja (durch den Chemielehrer bzw. Elsbeth Stern) eine glatte Aufforderung zum Rechtsbruch!


Selbstverständlich (!) möchte ich hier keineswegs (!) für solch eine offene Missachtung der Vorschriften Reklame machen - obwohl ich mir das als pensionierter Lehrer inzwischen vermutlich sogar leisten könnte. Aber das wäre doch nur pubertäre Großsprecherei a posteriori - und würde nur von meiner (begründeten) Feigheit vorher zeugen.

Außerdem wäre der Ratschlag an noch „praktizierende“ Lehrer, die Lehrpläne zu missachten, für diese Lehrer „lebensgefährlich“

(Dienstaufsichtsverfahren bis hin zur Kündigung).

Aber man kann sich ja als Lehrer allerlei Freiheiten herausnehmen, wenn man es nicht an die große Glocke hängt bzw. keine schlafenden Hunde weckt.

(Also niemals die Kultusbürokratie fragen, ob man irgendwas darf, denn natürlich darf man nicht! "Die" sterben ja vor Angst, dass irgendwas verboten oder unkontrollierbar sein könnte.)


Man kann nicht immer gegen das "System" an: selbst wenn man keine gefährlichen Folgen für sich erfährt, wird man doch nur mürbe beim letztlich aussichtslosen Kampf:


 

(... auf den ersten Blick ein ungünstiges Bild,
da Don Quijote vermeintlich gegen nicht-existente, nur eingebildete Feinde kämpft;

man kann's aber auch mal so sehen:

"Einer häufigen Interpretation zufolge war das 17. Jahrhundert von diesem ausweglosen Kampf des gnädigen Herrn gegen die gnadenlose Maschine [in unserem Zusammenhang die Schulpolitik und -bürokratie]   fasziniert, weil der rasante technische Fortschritt damals den Machtverlust der Aristokratie vorantrieb. Die lächerliche Auflehnung des Junkers gegen Windmühlen war dafür das ideale Symbol."
[Quelle:
]

Dann aber kämpft Don Quijote vor allem einen aussichtslosen Kampf
[allerdings der Besitzstandswahrung einer untergehenden "Elite"].)

 

"Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden."
(Reinhold Niebuhr; viele [Lehrer] denken aber wohl resigniert, dass sie gar nichts [mehr] ändern können)

Irgendwann muss man also seinen (partiellen) Frieden mit dem "System" schließen

(und wird sich doch immer wieder über die Ignoranz der Schulpolitik und -bürokratie aufregen; denn um sich nicht selbst zu verachten, darf man natürlich nie so tief sinken, auch noch sinnvoll und gut zu finden, was die ausbrüten).


Lehrerfortbildung: statt endlich mal zwei Tage optimistisch den „wilden“ Ideen freien Lauf zu lassen, fordern einige lautstarke Teilnehmer nur fertiges, kopierbares und dann sofort im Unterricht einsetzbares Unterrichtsmaterial ein.

Und sie klagen andauernd

(und zwar durchaus mit einigem Recht!),

dass sie aufgrund immer rigiderer und vollerer Lehrpläne sowie aufgrund hoher Stunden- und Korrekturbelastung gar keine Zeit mehr für eine kreative und auch mal (und sei es nur leicht) vom Lehrplan abweichende Unterrichtsvorbereitung haben.

(Viele hätten aber wohl selbst dann keine eigenen Ideen, wenn sie alle Freiheiten hätten, und sind

[trotz permanenten Maulens]

eigentlich ganz froh, permanent gegängelt zu werden: es soll ja z.B. tatsächlich Lehrer geben, die das Zentralabitur gut finden.)

Ich fänd‘s aber schrecklich, wenn ich (als Lehrer) nur noch Vorschriften abarbeiten müsste.

Und wieso meldet man sich eigentlich bei einer Fortbildung an, wenn man nicht bereit ist, zumindest mal probeweise den dort gezeigten Wegen zu folgen?!

(Und dann gibt es noch jene Fortbildungsteilnehmer, die gleich zu Beginn der Fortbildung klarstellen, dass sie nicht freiwillig da sind, sondern von ihrer Schulleitung abkommandiert wurden. Diese Teilnehmer können einem durch ihren Defätismus die ganze Fortbildung kaputt machen - und man kann sie eh abschreiben.)


Es gibt im Lehrerberuf wohl drei (letzte) Freiheiten:

  1. wie man den

Stoff vermittelt

(und z.B. der „Satz des Pythagoras“ ist sowohl vorgeschrieben als auch sinnvoll):

Lehrer sind ja

(und z.B. der „Satz des Pythagoras“ wird [für Lehrer] nie langweilig, weil er ja immer wieder auf andere/bessere Art vermittelt werden kann;

mal ganz abgesehen davon, dass der „Satz des Pythagoras“ schon „an sich" ein ewig funkelnder   ist:  

[wenn auch - wie Bertrand Russell über die Mathematik gesagt hat - von sehr "kühler“ Schönheit]).

  1. in
(wenn auch immer enger werdenden)

Grenzen die Freiheit der Stoffauswahl.

Nun ist es allerdings oft in den Fachschaften

(den Versammlungen aller Lehrer jeweils eines Fachs an einer Schule)

nicht möglich, einen sinnvollen „schulinternen Lehrplan“ zu erstellen: z.B. fällt es anscheinend insbesondere Mathematiklehrern schwer, mal den ewig gleichen alten Stoff abzuspecken: „das haben wir schon immer so gemacht, da könnte ja jeder kommen“

(und im Folgenden mache ich das meiste anhand des Beispiels Mathematik klar, weil

Der Kompromiss aller Einzel-Fachlehrer besteht in einer Mathe-Fachkonferenz dann oft in der Summe aller Einzelinteressen - und dann bleibt die Schulmathematik wie gehabt dick und fett.

(Kommt hinzu, dass der „schulinterne Lehrplan“ eigentlich nur eine „Obermenge“ des landesweiten Lehrplans sein kann, denn letzterer ist ja allgemeinverbindlich und darf nicht unterschritten werden.)

Und einige Fachschaften neigen sogar dazu, sich masochistisch und in vorauseilendem Gehorsam selbst noch mehr vorzuschreiben, als sowieso schon vorgeschrieben ist.

(... im Fach Deutsch z.B., welche Bücher in der Mittelstufe in allen Parallelklassen gelesen werden müssen;

nebenbei: die eben erwähnten Einzelinteressen von Lehrern sind eine zwiespältige Angelegenheit:

Günter M. Ziegler (Professor für Mathematik an der TU Berlin, ehemaliger Präsident der Deutschen Mathematiker-Vereinigung): "[...] die Lehrer brauchen mehr Freiräume. Sie hecheln mit dem Stoff hinterher, statt sagen zu können: heute erzähle ich euch etwas Spannendes aus der Mathematik, das steht nicht im Lehrplan, aber es begeistert mich selbst."
[Quelle: ],

Das geht schon allein deshalb nicht, weil die Schüler in späteren Jahren andere Fachlehrer haben werden, die auf irgendwas werden aufbauen müssen - und weil [leider] irgendwann zentrale Prüfungen anstehen.)

Abgesehen von Mini-Exkursen weit hinaus aufs offene Meer müssen also Kriterien für die Stoffwahl immer sein,

(also Geometrie & Algebra & Analysis & Vektor-/Matrizen- & Wahrscheinlichkeitsrechnung),

(z.B. Mustererkennung & Verallgemeinerungen & funktionale Zusammenhänge & Beweisverfahren;

diese „Denkweisen“ werden aber auch und gerade bei den Standard-Unterrichtsstoffen viel zu selten bedacht, sondern da wird blind drauflosunterrichtet im Vertrauen, dass der traditionelle Stoff wohl schon irgendwie die „Denkweisen“ fördern werde, denn der traditionelle Stoff wird ja vor Urzeiten wohl mal - auch im Hinblick auf die zu vermittelnden Denkweisen - sinnvoll ausgesucht worden sein!?

Ich behaupte aber, dass entscheidende mathematische Denkweisen auch anhand von Stoffen vermittelbar sind, die nicht in den Lehrplänen stehen, ja, dass diese ungewöhnlichen Lehrstoffe sogar teilweise besser geeignet sind. Vgl. etwa ),

Wenn Fachschaften aber derart träge sind, wie gezeigt, müssen Einzellehrer/-kämpfer oder Lehrer-Kleingruppen für sich entscheiden, was ihnen am landesweiten und schulinternen Lehrplan

Letzteres, slso das nicht Wichtige und Sinnvolle, das ja nunmal vorgeschrieben bleibt, wird dann eben nur kurz und auf einfachstem Niveau abgehakt

(z.B. taucht dann diese vollends verquere Aufgabe

garantiert niemals auf),

und dadurch entsteht hoffentlich ein wenig Platz für Ersteres, also das Wichtige und Sinnvolle, das dann viel gründlicher durchgenommen werden kann

(... eine Verdünnung des Pflichtstoffs , die natürlich nur funktioniert, wenn keine zentralen Prüfungen anstehen;

aber ich bin nun wahrhaft nicht für homöopathische, d.h. vollends verdünnte Schulfächer - also letztlich nur noch Wasser).

Das für Wichtige und Sinnvolle kann dabei

(pars pro toto nochmals der „Satz des Pythagoras“),


(Pythagoras-Denkmal auf seiner Heimatinsel Samos;

der Glaube des Pythagoras an das mathematische “Substrat“ der Welt war nämlich viel wichtiger und wirkungsmächtiger als sein - so gesehen nebensächlicher - berühmter „Satz“, und wegen dieses Glaubens hat Alfred North Whitehead Pythagoras sogar für wirkungsmächtiger als Jesus gehalten.)

  1. habe ich nicht  immer alle Klassen und Kurse gleichermaßen gut vorbereitet

(das schafft keiner!),

sondern


Ich fordere hier also nicht zum offenen auf, sondern schlage nur vor, im Hinblick auf die Lehrpläne teilweise "Dienst nach Vorschrift" zu fahren. Aber nicht aus Resignation, sondern um