Schule für die "loser"

unbedingt lesen!:

Vorweg: ich glaube ja sowieso nicht, dass die "loser" des Schulsystems von Geburt an

(neumodisch ausgedrückt: genetisch bedingt)

dümmer sind

(dass die eigenen Kinder besseres Genmaterial haben als andere, ist ja nur die Selbstlegitimation [und das Eigenlob] des Bürgertums).

sondern alle verfügbaren Daten weisen doch darauf hin, dass insbesondere in Deutschland keine soziale (und das heißt auch: schulische) Durchlässigkeit vorhanden ist.


(mindestens 30 Jahre alt und doch aktuell wie eh und je,
nur dass Erika heutzutage Anna-Louisa und Kevin heute Justin oder Abdul heißt)


Die Schule setzt erst ein, wenn viele Menschen schon längst "lost" haben

(die Mutter einer angehenden Hauptschülerin sagte mir mal bitter weinend, sie selbst habe nichts gelernt und deshalb  ihrer Tochter keinerlei Bildung mitgeben können).

Gleichzeitig sorgt unser Schulsystem aber auch häufig erst dafür, dass Menschen (endgültig) "losen": wer etwa auf der Hauptschule war, hat es sehr schwer, im Leben jemals wieder "aufzustehen".


Vorgestern, am 8.11.2016, war Präsidentenwahl in den U(?)SA, und gestern, am geschichtsträchtigen 9.11., wurde klar, dass Donald Trump diese Wahl gewonnen hat.

Sein Lieblingsschimpfwort für alle, die nicht solchen Erfolg haben wie er, und außerdem für alle ihm missliebigen Menschen ist "loser".

(Jetzt hat er alle eines Besseren belehrt, die seine Wahl zum Präsidenten für unmöglich hielten und daher sein Lieblingswort "loser" ironisch gegen ihn selbst gewendet haben; vgl. etwa

Das Wort "loser" hat sich

(unabhängig von Trump?)

auch in der derzeitigen deutschen Jugendsprache festgesetzt - genauso wie "Opfer".

Nun will ich diese Jugendsprache nicht humorlos allzu heiß essen, denn Jugendsprache kommt - und geht auch wieder.

Wenn man sie aber doch mal ernst nehmen will, bedenke man, dass Jugend(sprache) vor allem ein (Zerr-)Spiegel der jeweils aktuellen mainstream-Denkweise ist: Jugend hat ein enormes Gespür dafür, was von ihr gefordert wird, und das heißt im Fall von "loser" und "Opfer", die menschlichen "Kolateralschäden" nicht zu bemitleiden, sondern zu verachten.

(Ich bin manchmal entsetzt darüber, wie verächtlich mein dreizehnjähriger Sohn über Haupt- und Realschüler spricht. Aber wie sollte er denn auch schon hinter individuellen Schicksalen "System"-Zusammenhänge erkennen?)

Das ist der alte Trick des (angloamerikanischen) Kapitalismus, der derzeit "nur" besonders brutal Urständ feiert:

                 (und natürlich wortwörtlich auf die Konten der Gewinner),

(wenn also jemand es nicht "vom Tellerwäscher zum Millionär [Millardär]" schafft)

ist Schuld des Einzelnen, an der er ruhig ersticken soll

(z.B. ist Arbeitslosigkeit

[neben Unglück und Einsamkeit]

einer der schlimmsten Makel, und man wird nie einen gemeinsamen Aufstand von Arbeitslosen erleben).


Wenn ich also im Titel "Schule für die »loser«" von "losern" spreche, so ist das Wort "loser" nicht meine Meinung, sondern bittere Ironie.

(Es ist doch merkwürdig, dass das deutsche Äquivalent für "loser", also "Verlierer", im Gegensatz zu "loser" [noch] wertfrei ist.)


Was solch ein politisches Vorwort in einem Essay über Schule soll?: Schule findet selbstverständlich vor einem gesellschaftlichen, also auch politischen und ökonomischen Hintergrund statt - was allerdings die Schul"politiker" noch nicht begriffen haben, denen nichts anderes als zunehmende Reglementierung der Schulen einfällt.


Wenn auf einer Altherren-Stehparty mal wieder dumpfe Klischees über Lehrer abgesondert werden, widerspreche ich nichtmal mehr, sondern hacke ich sogar in dieselbe Kerbe:



(, 15.11.2016)

(Es gibt aber Zeitgenossen, die da meinen ironischen Zynismus nichtmal bemerken.)

Jeder darf klagen, denn die Alternative hieße "solange es Menschen gibt, denen es noch schlechter geht als dir, darfst du nicht klagen"

(woraus dann schnell folgt: "sorge immer dafür, dass es Menschen gibt, denen es noch schlechter geht als dir").

Ab und zu mal klagen trägt

(wie lästern!)

erheblich zur Seelenhygiene bei, weil es Luft abläßt!

Also hat auch ein Gymnasiallehrer, wie ich es war, das Recht zu klagen - und beste Gründe:

(zumindest dann, wenn man zwei Korrekturfächer hat),

(Hier ist aber auch unbedingt zu ergänzen, dass es Lehrern in drei Beziehungen ganz ungewöhnlich gut geht:

    0. nicht, weil sie angeblich so viele Ferien haben,

  1. , weil sie ein regelmäßiges Gehalt [inkl. Pension?] bekommen und fast unkündbar sind: weil sie also nicht in permanenter "Existenz"-Angst leben müssen wie viele in der sogenannten "freien" Wirtschaft;
  2. , weil sie, wie ich ja selbst höchst dankbar erfahren durfte, im Krankheitsfall bestens abgesichert sind;
  3. , weil ihnen [trotz rasant zunehmender Verschärfung] nicht [wie oftmals in der "freien" Wirtschaft] andauernd vorgeschrieben wird, was sie zu tun haben.

Und ich reagiere inzwischen allergisch auf Lehrer, die sich dieser Privilegien gar nicht mehr bewusst und für sie nicht "zutiefst" dankbar sind, sondern sie für selbstverständlich halten und gar nicht mehr mitbekommen, dass viele Berufstätige in der "freien" Wirtschaft permanent Angst haben [müssen/sollen].

Aber es ist natürlich keine Alternative zu sagen: "wenn ich Fieber habe, sollen die anderen auch die Cholera haben", will heißen: "Lehrern soll es genauso schlecht gehen wie allen anderen auch", also z.B.: "wenn alle anderen permanent kontrolliert werden, sollen auch Lehrer kontrolliert werden" [vgl. ].)

Wenn mir aber doch manchmal danach ist, Lehrer rabiat gegen all die spitzendämlichen Klischees zu verteidigen, dann

(ich hatte während meiner aktiven Dienstzeit Selbstbewusstsein genug, um bei den Klischeeverbreitern einfach nur leise zu denken: "Idioten!")

(wenn sie nicht längst resigniert sind und Dienst nach Vorschrift fahren)

heldenhafte Schwerstarbeit leisten, nämlich täglich "die [soziale] Scheiße auslöffeln", also Haupt- und Real- sowie teilweise auch Gesamtschullehrer

(Im Grunde weiß das jeder: "Was bin ich froh, dass ich nicht die verzogenen Blagen fremder Leute und überhaupt die rundweg faule, blöde und kriminelle Jugend von heute unterrichten muss.")


"die Scheiße auslöffeln" ist ein mächtiges Wort, und zwar insbesondere, wenn man es mal wörtlich nimmt.

Um es gleich klarzustellen: mit "sozialer Scheiße" meine ich selbstverständlich

(um es mal hübsch klischeemäßig und doch treffend zu sagen: "die Gesellschaft bzw. das »System« ist schuld").

Und zu ergänzen bleibt natürlich, dass der Fisch (die Scheiße) oftmals vom Kopf her stinkt: vielleicht gibt es in der Gesellschaft mehr Asoziale als .


Bei Haupt- und Realschulen ist zu differenzieren: ich kenne z.B. eben auch eine Realschule, an der nicht die allergrößten sozialen Probleme herrschen bzw. die es schafft, beste Arbeit zu leisten.

Aber nachdem die Hauptschule glücklicherweise ausstirbt, gibt es eben auch Realschulen, an denen es sozial "massiv zur Sache geht".


Natürlich ist nicht jeder Haupt- und Realschüler ein "loser":

(die von der Grundschule eine "Gymnasialempfehlung" hatten)

nur deshalb an einer Realschule (oder Gesamtschule) angemeldet haben, um sie (die Kinder) dem G8-Terror an Gymnasien zu entziehen;

(... womit ich hier die Logik des Abstempelns & Einsortierens kurze Zeit mitmache

 [als wenn Intelligenz messbar und fix wäre!]

und gleichzeitig doch durchbreche);

(vgl. ).

Wir brauchen also dringend eine ("sozialistische"?) Einheitsschule, in der lange Zeit alle zusammen unterrichtet werden

(aber das hieße, die heilige Kuh des Bürgertums, nämlich das altehrwürdige Gymnasium zu schlachten - und wird in Deutschland bis zum Ende aller Zeiten nicht funktionieren)

und eine "andere" Schule.


Obwohl ich schon lange zum hiesigen Thema schreiben wollte, ist doch Folgendes der Anlass für diesen Essay:

eine Förderschullehrerin aus meinem Bekanntenkreis ist derzeit zwecks "Inklusion" teilweise an eine Realschule abkommandiert - und entsetzt über den Lernstand dort, der kaum über das "Niveau" einer Förderschule hinausgehe.

Ihre (ersten) Forderungen sind glasklar:

  1. kleinere Klassen

(in einer Klasse, in der sie mitarbeitet, sitzen

[wie in der Klasse meines Sohnes am Gymnasium]

33 Schüler!),

  1. grundsätzlich Unterricht durch zwei Lehrer, also "Teamteaching".

Kleinere Klassen und mehr Lehrer sind natürlich auch eine Frage des Geldes.

(Immerhin will Johanna Wanka, die derzeitige Ministerin für Bildung und Wissenschaft, nun Millardenbeträge in die maroden Schulgebäude pumpen.)

Und es hat immer einen üblen Beigeschmack, wenn jemand (ein Lehrer wie ich) Geld für sich selbst (die Schulen) fordert: jeder meint ja, sein eigener Bereich sei besonders wichtig und dafür müsse halt anderweitig gespart werden.

Aber es bedarf wirklich einer Menge Geld, um den "losern" unter den Schülern Perspektiven zu bieten.

Aber "Geld ist nicht alles": es schafft nicht bessere Schulen, sondern ist nur eine von vielen Voraussetzungen dafür.


Wenn schon, denn schon "PISA": die Gymnasiasten sind doch nicht das Problem: sie können durchaus im internationalen Vergleich mithalten. Sondern Deutschland krankt mehr als viele andere Länder daran, dass die "Bildungsschere" immer weiter auseinanderklafft.

Natürlich kann man

(wenn man überhaupt das gegliederte Schulsystem beibehalten will)

auch die Gymnasien noch massiv verbessern

(aber sicherlich nicht mit permanenten "Reformen" sowie Vorschriften [der Erlassflut] und Kontrollen),

aber im Vergleich würde ich doch sagen:

(bei denen allerdings auch keine Vorschriften und Kontrollen nötig sind)!

Anders gesagt:

powert und klotzt "da unten"!

... wobei "klotzen"


"Schule ist nicht alles": an Schulen werden zunehmend äußere Ansprüche gestellt

(partes pro toto "gesunde Schule" und "Wirtschaftsunterricht"),

und außerdem sollen Lehrer jetzt auch noch Sozialarbeiter sein.

Obwohl Schüler (zu?) viel Zeit in der Schule verbringen und Schule zweifelsohne sehr prägend ist, ist sie doch beileibe nicht der einzige die Schüler beeinflussende Lebensbereich. Sondern ebenso werden sie von ihren

(einer der Gründe, weshalb in Schulen

[noch so ein neuer Anspruch an Schulen:]

auch "Medienkompetenz" vermittelt werden soll).

Wer also an die Probleme der "loser" herangehen will, muss auch diese Medien im Auge haben:

Medien, die

(und das darf man inzwischen nicht mehr übersehen)

das Biest im Menschen von der Kette lassen.

Eine gute Erklärung dafür hat Michael Moore gegeben, nur dass er erstmal "nur" eine von mehrere Erklärungen dafür geben wollte, warum Menschen Trump wählen:

"Unterschätzt nicht die Fähigkeit der Wähler, Blödsinn anzustellen. Und unterschätzt nicht, wie viele Millionen sich für verkappte Anarchisten halten, sobald sie in der Wahlkabine stehen. Es ist einer der letzten Orte, an denen es keine Überwachungskameras gibt, keine Abhörgeräte, keine Ehepartner, keine Kinder, keinen Boss, keine Polizisten. Es gibt noch nicht einmal ein verdammtes Zeitlimit. Du kannst den Knopf drücken und deinen Parteikandidaten wählen, oder du schreibst »Micky Maus und Donald Duck« auf den Zettel. Es gibt keine Regeln.
Aus diesem Grund und aus der Wut heraus, die so viele gegenüber dem politischen System verspüren, werden Millionen für Trump stimmen – nicht weil sie seiner Meinung sind, nicht weil sie seine Bigotterie oder sein Ego mögen, sondern einfach weil sie es können."
(Quelle: )

(Nebenbei:

Und Trump ist nicht (nur) dadurch möglich geworden, dass das weitgehend rechte Medienkartell (u.a. "Fox") in den USA direkt Werbung für ihn gemacht hat, sondern (auch und vor allem) dadurch, dass dort die abstrusesten Behauptungen und die Hetze beispielsweise eines Glenn Beck "salonfähig" gemacht wurden.

Ich bin nicht so blöd zu meinen, dass jeder, der Ego-Shooter spielt, automatisch zum Amokläufer wird. Aber es ist eben doch fatal, welches Bild von (wünschenswerter) Wirklichkeit "die" Medien bieten.

Neben permanenter Gewalt als Lösungsmöglichkeit und dem kapitalismuskompatiblen "Recht des Stärkeren" zeigen Medien (und insbesondere Reklame) geradezu schizophren ein fatales Hochglanz(konsum)bild. Kein Wunder, dass die "loser" dem (aussichtslos) nacheifern - und sich dadurch beschämt fühlen

(Scham und Erniedrigung sind besonders gefährliche Ratgeber).

Sicherlich konnte der Einzelne "Privatsender" nicht verhindern

(Sachzwang waren sie allerdings nie, sondern es gab starke [rein ökonomische] Interessen, sie einzuführen).

Aber wer vor 30 Jahren die Einführung solcher "Privatsender" befürwortet hat, darf heute nicht über die "loser" in den Schulen klagen.


Und noch eins: wer Menschen mit "Migrationshintergrund" in ihrer häufigen Zerrissenheit zwischen den Kulturen keine Integrationsmöglichkeiten (an-)bietet

(und zwar auch in Schulen),

darf sich über "loser" oder gar IS-Terror-Anfälligkeit gar nicht wundern

(was ja - eigentlich zu blöd, es überhaupt zu erwähnen - nicht heißt, Terror zu entschuldigen).


PS: für jede Schule mindestens einen festangestellten Sozialarbeiter mit voller Stelle!